Wissen stiften für den Planeten
Frau Müller-Taborsky, was motiviert Sie, sich ehrenamtlich in der alpha+ Stiftung des FWF einzubringen?
Susanne Müller-Taborsky: Unsere Zukunft steht vor großen Herausforderungen. Dabei spielt Forschung eine zentrale Rolle. Wir brauchen Menschen, die neues Wissen generieren, das früher oder später allgemein gültig wird. Es hat mich schon immer fasziniert, wenn neue Grundlagen unser Denken und Wissen von der Welt verändern. So kennt heute vermutlich jeder seine Blutgruppe, deren Bestimmungssystem vor über 100 Jahren von dem Nobelpreisträger Karl Landsteiner entdeckt wurde. Das war Pionierarbeit, ebenso wie die Entdeckung der Genschere, die 2020 mit dem Nobelpreis ausgezeichnet wurde und ein Hoffnungsträger für die Medizin und die Landwirtschaft ist. Mir ist es ein Anliegen, Bewusstsein dafür zu schaffen, wie viel Wissenschaft in unserem Alltag steckt.
Von der Grundlagenforschung hin zur Anwendung ist es normalerweise ein langer Weg. Warum sollten Vermögende gerade in diesen Bereich investieren?
Müller-Taborksy: Genau das ist der Punkt: Grundlagenforschung bildet die Basis für konkrete Anwendungen. Auch wenn von Beginn an nicht sicher ist, ob es zu einem Ergebnis kommt, muss ich den Samen streuen, um die „Früchte“ der Grundlagenforschung auch ernten zu können. Wenn es uns gelingt, dafür mehr Bewusstsein zu schaffen und mit Erzählungen aus der Wissenschaft bei den Menschen emotional anzudocken, dann sind sie eher bereit, sich für Forschung zu engagieren. Auch bei Semmelweis hat es sehr lange gedauert, bis seine Hygienemaßnahmen allgemein akzeptiert wurden. Selbst in Fachkreisen wurden sie zunächst angezweifelt. Heute wissen wir, besonders seit Corona, dass Händedesinfizieren gegen Ansteckung mit Krankheitserregern hilft.
„Ich möchte das Bewusstsein dafür schärfen, wie viel Wissenschaft in unserem Alltag steckt. “
Wie kann man die Menschen abholen?
Müller-Taborsky: Mir ist es ein Anliegen, Personen zu vernetzen. Wir müssen den Bogen von den Forschenden hin zur Wirtschaft und zur Öffentlichkeit spannen. Gerade im Klimabereich ist viel Forschung und neues Wissen aus unterschiedlichsten Fachrichtungen notwendig. Für diese Vernetzung brauchen wir Vorbilder, die ihre Arbeit den Menschen näherbringen und vermitteln können, etwa Personen wie Georg Kaser, Mitglied des FWF-Präsidiums. Er ist nicht nur ein weltweit anerkannter Klimaforscher, sondern hat sich zuletzt auch im österreichischen Klimarat engagiert, in dem Bürger:innen aus allen Teilen der Gesellschaft Klimaziele für Österreich definierten, und ist in der Öffentlichkeit präsent. Wir sprechen auch Forschende an, die im Ausland Karriere gemacht haben und nun etwas an Österreich zurückgeben wollen, ebenso gehen wir wie schon bisher auf Privatpersonen und interessierte Unternehmen zu.
Wie haben Sie die Coronakrise erlebt? – Eher hinderlich oder förderlich für den Stellenwert der Wissenschaft in der Öffentlichkeit?
Müller-Taborsky: Die Forschung und die Wissenschaft sind in dieser Zeit stark ins Rampenlicht gerückt, ob das nun die Medizin- oder die Komplexitätsforschung war, und zumeist wurde diese Expertise positiv bewertet. Aber wir wissen, dass das Thema Corona polarisiert hat. Mein persönlicher Eindruck ist, dass es oft weniger darum ging, die Wissenschaft infrage zu stellen, als vielmehr um Kritik am System. Menschen wollen sich oft nicht vorschreiben lassen, wie sie zu leben haben – das trifft übrigens auch bei der Klimakrise zu.
Sie waren lange im Private Banking tätig. Wie hoch schätzen Sie die Bereitschaft von Vermögenden in Österreich ein, sich gemeinnützig zu engagieren?
„Wir sprechen Menschen an, die den gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Impact der Forschung teilen.“
Müller-Taborsky: In Zahlen lässt sich das nur schwer abschätzen. Tatsache ist, es gibt viele Vermögende in unserem Land und auch die Spendenbereitschaft ist hoch. Insgesamt spenden mehr als 70 Prozent der Österreicher:innen, bei den über 60-Jährigen sind es acht von zehn. Aber gerade bei großen Spenden gibt es noch Potenzial. Derzeit liegen nur zwei Prozent der Spenden über 1.000 Euro. Für vermögende Privatpersonen werden große Spenden oft wie ein „strategisches Investment“ gesehen. Der Ertrag beziehungsweise der Return ist das Positive, das ich bewirken kann – für mich und für die Gemeinschaft. Im Sinne der alpha+ Stiftung gilt es Menschen anzusprechen, die den gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Impact der Grundlagenforschung teilen und einen emotionalen Bezug zur Wissenschaft haben.
Eine Gesetzesnovelle hat seit 2015 Bewegung in das gemeinnützige Stiftungswesen gebracht. Unter anderen haben einige Hochschulen Stiftungen gegründet. Lässt sich dieses Momentum gemeinsam nützen?
Müller-Taborsky: Seit dem Gemeinnützigkeitspaket ist viel passiert. Mehr als 120 gemeinnützige Stiftungen wurden seitdem neu gegründet. Auch wenn wir teilweise in Konkurrenz mit anderen stehen, macht es Sinn, sich zu vernetzen. Das gemeinsame Ziel ist, die Philanthropie im Land zu stärken. Das heißt, Bewusstsein dafür zu schaffen, dass wir alle etwas tun können, um etwas zu bewegen. Das geht einerseits nicht ohne die öffentliche Hand, aber auch als Privatperson kann ich meinen Beitrag leisten. Wenn eine Gesellschaft sagt, Forschung ist uns wichtig, macht das einen Unterschied. Diese Kultur auch hierzulande zu entwickeln, ist ein Teil unserer Aufgabe, und ich möchte gerne etwas dazu beitragen.
Braucht es noch mehr politische Anreize?
Mit der Novelle 2015 ist schon einiges passiert. Die dreijährige Wartezeit für neu gegründete Stiftungen, um auf die Spendenbegünstigungsliste zu kommen, also die Spenden steuerlich absetzen zu können, sollte man überdenken. Entweder ist die Gemeinnützigkeit gegeben oder nicht. Rund 40 Prozent aller Spenden im vergangenen Jahr gingen an spendenbegünstigte Institutionen.
Welchen Beitrag können Zuwendungen an die alpha+ Stiftung für die Zivilgesellschaft leisten?
Müller-Taborsky: Unsere Schwerpunkte in der Stiftung sind die Themen Nachhaltigkeit und das Klima. Und wir wollen auch junge Wissenschaftler:innen bei ihren (Klima)-Forschungsprojekten unterstützen. Damit sprechen wir Großspender:innen ebenso an wie Menschen, die weniger Mittel zur Verfügung haben, aber etwas bewirken wollen. Der Rückenwind-Förderbonus beispielsweise, der die wissenschaftlichen Karrieren junger Talente unterstützt, ist eine Möglichkeit, sich in kleinerem Rahmen zu engagieren, mit den jungen Forschenden in Kontakt zu kommen und sich nachhaltig für die Gesellschaft und unser Klima einzusetzen.
„Unser Klima braucht Forschung.“
Mit hoch dotierten Preisen wie dem „Shaping the Future Award“ wollen wir Spender:innen einladen, den Impact für ökonomische und ökologische Nachhaltigkeit zu heben. Österreich ist ein forschungs- und innovationsstarkes Land. Im Fokus der Stiftung steht, die Sichtbarkeit dieser Leistungen zu erhöhen und damit das Bewusstsein für die Relevanz von Grundlagenforschung zu schaffen. Dabei geht es um Kooperation mit bestehenden und neuen Player:innen, um dieses Ziel gemeinsam zu erreichen.
Gibt es Themen, die Ihnen persönlich besonders wichtig sind?
Müller-Taborsky: Ich habe zwei Kinder und möchte ihnen selbstverständlich eine Welt hinterlassen können, die lebenswert ist. Dafür brauchen wir Forschung aus den unterschiedlichsten Disziplinen und gemeinsames Engagement quer durch die Gesellschaft. Der Wissenschaftsfonds hat den Vorteil, dass er Forschende auf Topniveau und transparent in allen Themenbereichen fördert. Unser Klima braucht Forschung.
Haben Sie ein Lebensmotto?
Müller-Taborsky: Ich war immer schon neugierig auf das, was noch kommt. Neugierde ist auch der Antrieb in der Wissenschaft und die Basis für neues Wissen, hier haben wir etwas Gemeinsames.
Susanne Müller-Taborsky ist seit August 2022 ehrenamtliches Mitglied des Vorstands der alpha+ Stiftung des Wissenschaftsfonds FWF. Die Finanzexpertin war in verschiedenen Führungspositionen im Private Banking tätig, zuletzt als Leiterin des Premium Banking der UniCredit Bank Austria.
alpha+ Stiftung
Die alpha+ Stiftung ist eine gemeinnützige Stiftung des Wissenschaftsfonds FWF. Ihre Förderungen konzentrieren sich auf den exzellenten Nachwuchs in der Grundlagenforschung, auf die Erforschung großer Themenkomplexe im Sinne der UN-Nachhaltigkeitsziele und die Stärkung des Stellenwerts von Wissenschaft und Forschung in der Zivilgesellschaft. Die Stiftung ist der Mission des FWF, Österreichs zentraler Einrichtung zur Förderung der Grundlagenforschung, verpflichtet. Erste Aktivitäten im Stiftungswesen hat der FWF bereits in den vergangen Jahren gesetzt. Derzeit werden Forschungsprojekte im Ausmaß von 1,5 Millionen Euro pro Jahr durch Stiftungsmittel finanziert.