Ein Gruppe Erwachsene und Kinder auf der Flucht.
Unter dem politischen Druck vieler Mitgliedstaaten betreibt die EU mit enormem Budgetaufwand heute eine deutlich restriktivere Migrationspolitik als noch vor zwanzig Jahren. © Mostafa Meraji/unsplash

Europa ist ein Zentrum globaler Migrationsbewegungen. Infolge des syrischen Bürgerkriegs und der russischen Invasion der Ukraine stieg die Zahl der Asylanträge zeitweise stark an. Obwohl die EU in den vergangenen 15 Jahren unter hohen Druck geriet, Zuwanderung stärker zu regulieren, hat sich die Gesetzgebung dahingehend nur schrittweise verändert.

Die Fördergelder für Migrationsmanagement wurden hingegen massiv aufgestockt. Im EU-Haushalt 2021 bis 2027 ist mehr als doppelt so viel Budget für Migration, Asyl und Grenzschutz eingeplant als noch in den 2010er-Jahren: 22,7 Milliarden Euro.

Federica Zardo von der Universität für Weiterbildung Krems erklärt den Grund für diese Diskrepanz: „Gesetzesvorschläge müssen durch viele Instanzen gehen. Zudem ist Migration ein umstrittenes Thema zwischen den EU-Staaten. Daher sehen wir nur schrittweise Anpassungen auf legislativer Ebene. Finanzielle Fördermittel hingegen sind leichter zu steuern.“

Die Autonomie des Geldes

„Governance through funding“ ‒ so bezeichnen Fachleute das Politikmachen mittels Fördergeldern. Das Budget der Finanzinstrumente – beispielsweise des Asyl-, Migrations- und Integrationsfonds (AMIF) – kommt aus dem EU-Haushalt. Förderempfänger sind Mitgliedsstaaten, Drittstaaten, NGOs, UNO-Institutionen oder EU-Agenturen wie etwa Frontex. Je nach Förderprogramm verwenden sie die Mittel etwa zur Verbesserung der Asylverfahren, zur Bekämpfung von Fluchtursachen, für Integration oder für den Grenzschutz.

Das Projekt „MigFund“

Following the money: Die Politikwissenschaftlerin Federica Zardo und ihr Team untersuchen, wie sich die EU-Finanzinstrumente für das Management von Migration und Asyl seit dem Jahr 2000 verändert haben. Dabei untersuchen sie unter anderem, welche Ziele hinter Planung, Allokation und Einsatz der Fördermittel stehen.

In ihrem Forschungsprojekt „Veränderung von EU-Förderungen im Bereich Migration und Asyl (MigFund)“ nimmt Zardo den Weg der Fördergelder unter die Lupe. Denn diese verraten so einiges über die Ziele der Akteure, weiß die Politikwissenschaftlerin. „Die Finanzinstrumente bieten den Raum, Migrationspolitik zu gestalten – auch wenn Gesetzgebungsverfahren nur langsam voranschreiten. Wir nennen das die ‚Autonomie der Fördermittelʽ“.

Grafik zu migrationspolitischen Schwerpunkten der EU
Migrationspolitische Schwerpunkte der EU © Federica Zardo/Projekt MigFund

Trend zu restriktiveren Maßnahmen

Zardo analysierte alle Förderdokumente seit dem Jahr 2000, um zu verstehen, wie sich Zielsetzung und Verwendung der Gelder über die Zeit verändert haben: Werden damit eher Maßnahmen zur Abwehr von Migrationsbewegungen finanziert oder Programme für Integration und legale Zuwanderung? Und werden diese Maßnahmen innerhalb der EU gesetzt oder in Drittstaaten?

Die Daten zeigen: Die Zäsur, die der sprunghafte Anstieg der Asylanträge rund um 2015 mit sich brachte, spiegelt sich in den EU-Finanzinstrumenten wider. „Zum einen sind die Fördersummen wie erwartet in die Höhe geschossen. Gleichzeitig wurden die Zielsetzungen messbar restriktiver“, sagt Zardo. „Selbst Programme, die sich eigentlich mit Entwicklungshilfe und Fluchtursachen beschäftigen, beinhalten immer häufiger Maßnahmen zu Einwanderungskontrolle und Grenzschutz.“ Organisationen, die sich für Entwicklungshilfe und Rechte von Geflüchteten einsetzen, gerieten so in ein Dilemma. Zwar würden sie versuchen, ihren inhaltlichen Fokus zu schützen, seien aber zunehmend gezwungen, Migrationskontrolle in ihre Zielsetzungen aufzunehmen, um weiterhin gefördert zu werden.

„Die Fördersummen sind in die Höhe geschossen. Gleichzeitig wurden die Zielsetzungen restriktiver.“ Federica Zardo

Strategisches Outsourcing an Drittstaaten

Den Grund für den restriktiven Trend sieht die Forscherin in dem politischen Druck, schnelle Maßnahmen gegen irreguläre Einwanderung zu setzen. Damit geht auch eine andere Tendenz einher, die Zardo herausarbeiten konnte: Der Grenzschutz, aber auch die Bekämpfung von Fluchtursachen werden immer mehr an Drittländer ausgelagert. Der Anstoß dazu kam auch von den Mitgliedstaaten selbst, die gezielt eigene Mittel dafür bereitstellten.

Ein Beispiel ist der EU-Treuhandfonds für Afrika (EUTF). Auch Länder mit besonders restriktiver Einwanderungspolitik wie Ungarn oder Polen haben diesen Entwicklungsfonds kräftig mitfinanziert, um Handlungsfähigkeit zu zeigen und ihre Reputation zu verbessern. Andere Länder investieren bevorzugt in Regionen, die für sie geopolitisch wichtig sind. Frankreich etwa konzentriert sich stark auf den Sahel, Italien auf Libyen. „So wie die Staaten die Gelder in externe Migrationsagenden stecken, ist das wie ein Kompass dafür, wie sie sich strategisch positionieren“, sagt Zardo.

Einfache Lösungen reichen nicht

Zardo zieht ein Zwischenfazit: „Wir konnten in unserem Projekt untermauern, dass die Verteilung von Fördermitteln als eigenes politisches Instrument analysiert werden muss. Wir haben als Erste genau aufgeschlüsselt, wie sich der Einsatz der Geldmittel in den vergangenen 25 Jahren verändert hat. Das ist eine wichtige Grundlage, um die Entwicklung der EU-Migrationspolitik zu verstehen.“ Als weiteren Schritt planen die Wissenschaftlerin und ihr Team, Interviews mit Entscheidungsträger:innen zu führen. „Wir wollen herausfinden, was die politischen oder auch bürokratischen Gründe für die Veränderungen sind.“

Zardos Analysen zeigen auch, dass die geförderten Maßnahmen nicht immer der wissenschaftlichen Evidenz folgen. „Einige Förderprogramme basieren auf vereinfachten Annahmen“, kritisiert Zardo. In der Forschung zeige sich beispielsweise, dass der Zusammenhang zwischen Entwicklungshilfe und Migration komplex ist. „Entwicklungshilfe kann die Lebensbedingungen der Menschen in Drittstaaten verbessern, führt aber nicht automatisch zu weniger Migration nach Europa. Ebenso führt der Bau von Grenzzäunen dazu, dass die Migrationsströme auf eine andere Route umgeleitet werden, was mehr Irregularitäten und Unsicherheit nach sich zieht. Migration ist ein menschliches Phänomen, dem man nur gerecht wird, wenn man sich seiner ganzen Komplexität stellt – und es nicht als Problem behandelt, das sich einfach lösen lässt.“

Zur Person

Federica Zardo ist Senior Researcher am Zentrum für Migrations- und Globalisierungsforschung an der Universität für Weiterbildung Krems. Sie forscht an der Schnittstelle von internationalen Beziehungen und öffentlicher Politik, mit Schwerpunkt auf den Außenbeziehungen der EU und der EU-Migrationspolitik. Das von ihr geleitete Projekt „Veränderung von EU-Förderungen im Bereich Migration und Asyl“ (2023–2026) wird vom Wissenschaftsfonds FWF mit knapp 300.000 Euro gefördert.

Publikationen

Tsourdi, L., Zardo, F.: Migration Governance Through Funding: Theoretical, Normative, and Empirical Perspectives, in: Journal of Immigrant and Refugee Studies 2025

Zardo, F.: Following AENEAS’ Route: Unpacking Two Decades of Migration-Related Measures in EU Development Funds, in: Journal of Immigrant and Refugee Studies 2025