Wenig Innovation bei heimischen Medien nach der Pandemie

Hologramme als Nachrichtensprecher in Asien oder Kameraaufnahmen mit Drohnen in Hollywood – international sorgte die Coronapandemie für teils kräftige Innovationsschübe in der Medienlandschaft. Ganz anders in Österreich. Hier dominierte der Fokus auf die kurzfristige Stabilisierung der Branche – oder wie Medienforscherin Denise Voci von der Universität Klagenfurt sagt: „Um es salopp zu formulieren: Es gab überhaupt keine Innovationen.“
Homeoffice statt Hologramme
Statt langfristiger Zukunftsstrategien standen Ad-hoc-Maßnahmen wie Homeoffice, ressortübergreifende Personalumschichtungen und ein Digitalisierungsschub in Österreichs Medienhäusern im Vordergrund. Wobei vieles davon nach Corona wieder zurückgefahren wurde, abgesehen von mehr Datenjournalismus oder Podcasts als Zusatzangeboten.
Denise Voci leitete gemeinsam mit Matthias Karmasin das vom Wissenschaftsfonds FWF geförderte Projekt „Effekte der Covid-19-Pandemie auf Österreichs Medienindustrie“. Das vom Institut für vergleichende Medien- und Kommunikationsforschung der Österreichischen Akademie der Wissenschaften (ÖAW) gemeinsam mit der Universität Klagenfurt und dem Medienhaus Wien durchgeführte Projekt widmete sich der Frage, ob die Pandemie maßgebliche Transformationsprozesse in der heimischen Medienindustrie auslöste.
Die Krise als Chance gilt nicht für Österreichs Medienlandschaft. Aktuelle Untersuchungen zeigen: Die Coronapandemie wurde bei uns im Vergleich zu anderen Ländern kaum für Innovationen genutzt.
Coronageld statt Werbegeld
Staatliche Unterstützungsmaßnahmen während der Pandemie wurden vorwiegend als Kompensation für wegbrechende Werbeerlöse verwendet, lautet ein weiteres zentrales Ergebnis des Projekts. „Die Förderungen dienten primär der Stabilisierung, nicht der Weiterentwicklung“, so die Forschungsgruppe. Damit sei die Chance verpasst worden, die Krise für strukturelle Innovationen zu nutzen, betont Matthias Karmasin: „Die Medienindustrie ist mit einem blauen Auge durch die Krise gekommen, aber aus Forschungssicht kann man sagen: It’s a crisis wasted.“
Denn: Von den Leser:innen sind nicht mehr Einnahmen zu erwarten. In Österreich gibt es eine generell niedrige Zahlungsbereitschaft für digitale Journalismusangebote. Zwar wurden vor allem klassische Medien in den ersten Monaten der Pandemie als wichtige Orientierungshilfe wahrgenommen und erlebten ein „Allzeithoch" bei Zugriffen und Vertrauen. Doch schon im ersten Corona-Herbst, also 2020, kam es zu einem Backlash: Nutzer:innen unterstellten Medien mehr Panik verbreitet als informiert zu haben.
Vertrauen und Transparenz
Andy Kaltenbrunner aus dem Forschungsteam weist auf ein zentrales Defizit hin: „Die Publikumsbeziehung muss noch dramatisch wachsen. Es fehlt an der persönlichen und vertrauensbildenden Beziehung zwischen Medien und ihrem Publikum.“
Es brauche eine starke Medienmarke als strategische Investition in die Zukunft, um zahlende Kundschaft zu gewinnen, so Denise Voci. „Es geht nicht nur darum, dass ein Artikel gut recherchiert und geschrieben ist“, so die Forscherin. Je höher das Vertrauen in eine Medienmarke, desto größer sei die Bereitschaft, für Inhalte zu zahlen. In dieselbe Richtung argumentiert Matthias Karmasin: „Branding, also die Investition in die Marke, stellt eine strategische Ressource dar, um Vertrauen und Zahlungsbereitschaft im digitalen Raum zu eröffnen.“
Um dort hinzukommen, gilt es aber noch einige Hausaufgaben zu erledigen. Es braucht mehr als Technik, vor allem Transparenz und, wenngleich aufwendig, Community-Building. Besonderes Augenmerk muss darauf gelegt werden, die junge Zielgruppe zu erreichen, was angesichts sozialer Mediennutzung keine leichte Aufgabe ist. Auch wenn Medienunternehmen auf vielen Plattformen präsent sind, werden sie nicht als Marke wahrgenommen. Eine Möglichkeit Versäumnisse aufzuholen, sehen Expert:innen in medienpädagogischer Arbeit, wo junge Menschen erfahren, wie Journalismus funktioniert und in Dialog mit Medienschaffenden kommen.
Über die Forschenden
Der Medien- und Kommunikationswissenschaftler Matthias Karmasin leitet das Institute for Comparative Media and Communication Studies (CMC), das gemeinsam von der Österreichischen Akademie der Wissenschaften und der Alpen-Adria-Universität Klagenfurt betrieben wird. Denise Voci forscht als Postdoc am Institut für Medien- und Kommunikationswissenschaften der Universität Klagenfurt. Gemeinsam mit Karmasin leitete sie das Forschungsprojekt „Effekte der Covid-19-Pandemie auf Österreichs Medienindustrie“ (2023–2025), das vom Wissenschaftsfonds FWF mit 315.000 Euro gefördert wurde.