Von der Angst zur AnnÀherung

Es ist ein interessantes PhĂ€nomen: Der Klimawandel wird immer deutlicher, die Bedrohung wĂ€chst und eigentlich wĂ€re aktives Handeln gefragt. TatsĂ€chlich legen aber die meisten Menschen Vermeidungsverhalten an den Tag, wenn es um groĂe und existenzielle Bedrohungen geht. âMan weicht dann eher aus und reagiert indirektâ, schildert die Psychologin Eva Jonas. Statt den Lebensstil zu Ă€ndern und sich der Situation zu stellen, reagieren viele Menschen mit Unmut auf andere Gruppen. Doch was hilft die Abwertung einer anderen Kultur beim Lösen des Klimawandels? â Nichts, denn das Problem ist nicht gelöst, indem man es unterdrĂŒckt oder âauslagertâ, vielmehr wirkt es sich spĂ€ter aus. âDieser Ethnozentrismus passiert nicht unmittelbar, wenn Menschen bedroht werden, sondern zeitlich verzögert. Das kommt irgendwann wieder hoch und fĂŒhrt dann zu diesen Verteidigungs- und Abwertungsreaktionenâ, erklĂ€rt die Wissenschafterin der UniversitĂ€t Salzburg.
Wege aus der Angststarre
Eva Jonas beschĂ€ftigt sich seit vielen Jahren mit Fragen zu kollektiver IdentitĂ€t, Kontrollverlust und Ăngsten und den psychologischen Prozessen, die dahinter liegen. Dabei verbindet sie sozialpsychologische Methoden mit neuropsychologischen Untersuchungen, um die Reaktionen des Körpers mit den Beobachtungen der Personen in Zusammenhang zu bringen. Die aktuelle Studienreihe zum Klimawandel ist dabei eine von mehreren Untersuchungen, die dem Team um Jonas weitere Bausteine liefern sollen zu dem, was die weltweite Forschung unter dem Begriff âExperimentelle Existenzielle Psychologieâ versteht, die sich aus der âTerror-Management-Theorieâ entwickelt hat. Eine der bisher noch unbeantworteten Fragen dabei ist, wie der Prozess zwischen Bedrohung und Verteidigung ablĂ€uft. Antworten darauf soll nun das vom Wissenschaftsfonds FWF unterstĂŒtzte Projekt âVon der Angst zur AnnĂ€herungâ liefern. FĂŒhlen sich Menschen existenziell bedroht, antwortet der Körper mit einer Art âHemmungsreaktionâ, die sich unter anderem in dem genannten Vermeidungsverhalten Ă€uĂert. Der Körper verharrt dabei zunĂ€chst in einem Zustand der Irritation und Angst und braucht eine Neuorientierung. âDie eigene Kultur gut zu finden und gleichzeitig fremde Kulturen abzuwerten, kann diese notwendige kognitive Klarheit und Orientierung liefernâ, erlĂ€utert Jonas. Diese Re-Orientierung brauche es, um wieder in die Handlung zu kommen. Der Hemmungszustand erklĂ€rt also, warum Personen nach Bedrohung sich durch Abwertung oder Abgrenzung verteidigen â, nĂ€mlich um sich wieder aus der Angststarre zu lösen und handeln zu können. Wie das Ergebnis der Handlung ausfĂ€llt, hĂ€ngt in weiterer Folge stark von dem Kontext ab, in dem sich Menschen befinden â etwa von den Werten der Gruppe, der man sich zugehörig fĂŒhlt, von der vorherrschenden Kultur insgesamt oder auch von einzelnen Vorbildern.

Soziale Motivation als Prozessmodell
Dass Personen generell nach Bedrohung abwerten oder ein stĂ€rker konservatives Verhalten zeigen, könne man daher so nicht sagen, betont die Psychologin der UniversitĂ€t Salzburg. In ihren Untersuchungen haben die Forscherinnen und Forscher etwa nach erlebtem Kontrollverlust auch den Wunsch nach VerĂ€nderung beobachtet. âEs kommt immer darauf an, was die Situation erfordert und was zum Beispiel als gutes Verhalten giltâ, sagt Jonas und betont: âIn Zeiten von Krisen und Terrorbedrohungen orientieren sich die Menschen stĂ€rker an den vorherrschenden Normen. Wir mĂŒssen daher als Gesellschaft aufpassen, welche Werte in der öffentlichen Diskussion dominieren.â Um im Ăbergang von der Bedrohung zur Verteidigung nicht in der Angststarre zu verharren, muss bei der HandlungsfĂ€higkeit angesetzt werden, wie Eva Jonas anhand eines Prozessmodells veranschaulicht, das ihr Team im aktuellen FWF-Projekt entwickelt hat. Die Forscherinnen und Forscher wollen herausfinden, welche Voraussetzungen fĂŒr einen konstruktiven Umgang mit Bedrohungen notwendig sind, und wie sich etwa gezielt aktivierte Handlungsmotivation auswirkt. âZunĂ€chst gilt es zu akzeptieren, dass Menschen das verteidigen, was ihre Kultur ausmacht, um sich daran zu orientieren. Dann aber gibt es einen Spielraum, in dem deutlich gemacht werden kann, wodurch sich diese Kultur definiert: Will ich den Fokus eher auf das AusschlieĂende oder auf das Integrierende richten.â Besonders wichtig sei dabei, so die Psychologin, die Menschen bei ihrer Angst abzuholen beziehungsweise sensibel dafĂŒr zu sein, wenn sie in die Angst abfallen und im âHemmungsmodusâ feststecken.
Sicherheit als Voraussetzung fĂŒr HandlungsfĂ€higkeit
Angela Merkels âWir-schaffen-dasâ-Kultur beispielsweise habe hier zwar angesetzt, indem eine Situation, die Angst macht (der FlĂŒchtlingszuzug), von der deutschen Kanzlerin als Herausforderung proklamiert wurde. Das alleine war jedoch zu wenig. âEinige haben ihre Zuversicht geteilt, andere sind in die Angst abgerutscht und dann starr geworden und haben schlieĂlich mit Widerstand reagiertâ, analysiert Jonas. âDaher muss man ĂŒberlegen, was den Menschen zunĂ€chst Sicherheit gibt, um sie in die Zuversicht zurĂŒck zu holen und ihnen dann GestaltungsrĂ€ume bieten. In diesem Prozess braucht es Sicherungsnetzeâ, betont die Wissenschafterin. âDann kann ich die HandlungsfĂ€higkeit ĂŒber einen konstruktiven Weg erreichen.â
Zur Person Eva Jonas leitet die Abteilung Sozialpsychologie an der UniversitĂ€t Salzburg. Die Wissenschafterin hat den Bereich der Terror-Management-Forschung, die sich mit dem Bewusstsein der eigenen Sterblichkeit befasst, im deutschsprachigen Raum wesentlich mitgeprĂ€gt. Ihre Schwerpunkte sind soziale Kognition und Motivation unter dem Einfluss von Bedrohungen wie Kontrollverlust, Ungerechtigkeit und existenziellen Ăngsten.
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