„Wir mĂŒssen als Gesellschaft aufpassen, welche Werte in der öffentlichen Diskussion dominieren“, sagt die Psychologin Eva Jonas von der Uni Salzburg. © Shutterstock

Es ist ein interessantes PhĂ€nomen: Der Klimawandel wird immer deutlicher, die Bedrohung wĂ€chst und eigentlich wĂ€re aktives Handeln gefragt. TatsĂ€chlich legen aber die meisten Menschen Vermeidungsverhalten an den Tag, wenn es um große und existenzielle Bedrohungen geht. „Man weicht dann eher aus und reagiert indirekt“, schildert die Psychologin Eva Jonas. Statt den Lebensstil zu Ă€ndern und sich der Situation zu stellen, reagieren viele Menschen mit Unmut auf andere Gruppen. Doch was hilft die Abwertung einer anderen Kultur beim Lösen des Klimawandels? – Nichts, denn das Problem ist nicht gelöst, indem man es unterdrĂŒckt oder „auslagert“, vielmehr wirkt es sich spĂ€ter aus. „Dieser Ethnozentrismus passiert nicht unmittelbar, wenn Menschen bedroht werden, sondern zeitlich verzögert. Das kommt irgendwann wieder hoch und fĂŒhrt dann zu diesen Verteidigungs- und Abwertungsreaktionen“, erklĂ€rt die Wissenschafterin der UniversitĂ€t Salzburg.

Wege aus der Angststarre

Eva Jonas beschĂ€ftigt sich seit vielen Jahren mit Fragen zu kollektiver IdentitĂ€t, Kontrollverlust und Ängsten und den psychologischen Prozessen, die dahinter liegen. Dabei verbindet sie sozialpsychologische Methoden mit neuropsychologischen Untersuchungen, um die Reaktionen des Körpers mit den Beobachtungen der Personen in Zusammenhang zu bringen. Die aktuelle Studienreihe zum Klimawandel ist dabei eine von mehreren Untersuchungen, die dem Team um Jonas weitere Bausteine liefern sollen zu dem, was die weltweite Forschung unter dem Begriff „Experimentelle Existenzielle Psychologie“ versteht, die sich aus der „Terror-Management-Theorie“ entwickelt hat. Eine der bisher noch unbeantworteten Fragen dabei ist, wie der Prozess zwischen Bedrohung und Verteidigung ablĂ€uft. Antworten darauf soll nun das vom Wissenschaftsfonds FWF unterstĂŒtzte Projekt „Von der Angst zur AnnĂ€herung“ liefern. FĂŒhlen sich Menschen existenziell bedroht, antwortet der Körper mit einer Art „Hemmungsreaktion“, die sich unter anderem in dem genannten Vermeidungsverhalten Ă€ußert. Der Körper verharrt dabei zunĂ€chst in einem Zustand der Irritation und Angst und braucht eine Neuorientierung. „Die eigene Kultur gut zu finden und gleichzeitig fremde Kulturen abzuwerten, kann diese notwendige kognitive Klarheit und Orientierung liefern“, erlĂ€utert Jonas. Diese Re-Orientierung brauche es, um wieder in die Handlung zu kommen. Der Hemmungszustand erklĂ€rt also, warum Personen nach Bedrohung sich durch Abwertung oder Abgrenzung verteidigen –, nĂ€mlich um sich wieder aus der Angststarre zu lösen und handeln zu können. Wie das Ergebnis der Handlung ausfĂ€llt, hĂ€ngt in weiterer Folge stark von dem Kontext ab, in dem sich Menschen befinden – etwa von den Werten der Gruppe, der man sich zugehörig fĂŒhlt, von der vorherrschenden Kultur insgesamt oder auch von einzelnen Vorbildern.

Prozessmodell: Die Forschung setzt bei der HandlungsfĂ€higkeit an, um nicht in der Angststarre zu verharren. © UniversitĂ€t Salzburg

Soziale Motivation als Prozessmodell

Dass Personen generell nach Bedrohung abwerten oder ein stĂ€rker konservatives Verhalten zeigen, könne man daher so nicht sagen, betont die Psychologin der UniversitĂ€t Salzburg. In ihren Untersuchungen haben die Forscherinnen und Forscher etwa nach erlebtem Kontrollverlust auch den Wunsch nach VerĂ€nderung beobachtet. „Es kommt immer darauf an, was die Situation erfordert und was zum Beispiel als gutes Verhalten gilt“, sagt Jonas und betont: „In Zeiten von Krisen und Terrorbedrohungen orientieren sich die Menschen stĂ€rker an den vorherrschenden Normen. Wir mĂŒssen daher als Gesellschaft aufpassen, welche Werte in der öffentlichen Diskussion dominieren.“ Um im Übergang von der Bedrohung zur Verteidigung nicht in der Angststarre zu verharren, muss bei der HandlungsfĂ€higkeit angesetzt werden, wie Eva Jonas anhand eines Prozessmodells veranschaulicht, das ihr Team im aktuellen FWF-Projekt entwickelt hat. Die Forscherinnen und Forscher wollen herausfinden, welche Voraussetzungen fĂŒr einen konstruktiven Umgang mit Bedrohungen notwendig sind, und wie sich etwa gezielt aktivierte Handlungsmotivation auswirkt. „ZunĂ€chst gilt es zu akzeptieren, dass Menschen das verteidigen, was ihre Kultur ausmacht, um sich daran zu orientieren. Dann aber gibt es einen Spielraum, in dem deutlich gemacht werden kann, wodurch sich diese Kultur definiert: Will ich den Fokus eher auf das Ausschließende oder auf das Integrierende richten.“ Besonders wichtig sei dabei, so die Psychologin, die Menschen bei ihrer Angst abzuholen beziehungsweise sensibel dafĂŒr zu sein, wenn sie in die Angst abfallen und im „Hemmungsmodus“ feststecken.

Sicherheit als Voraussetzung fĂŒr HandlungsfĂ€higkeit

Angela Merkels „Wir-schaffen-das“-Kultur beispielsweise habe hier zwar angesetzt, indem eine Situation, die Angst macht (der FlĂŒchtlingszuzug), von der deutschen Kanzlerin als Herausforderung proklamiert wurde. Das alleine war jedoch zu wenig. „Einige haben ihre Zuversicht geteilt, andere sind in die Angst abgerutscht und dann starr geworden und haben schließlich mit Widerstand reagiert“, analysiert Jonas. „Daher muss man ĂŒberlegen, was den Menschen zunĂ€chst Sicherheit gibt, um sie in die Zuversicht zurĂŒck zu holen und ihnen dann GestaltungsrĂ€ume bieten. In diesem Prozess braucht es Sicherungsnetze“, betont die Wissenschafterin. „Dann kann ich die HandlungsfĂ€higkeit ĂŒber einen konstruktiven Weg erreichen.“


Zur Person Eva Jonas leitet die Abteilung Sozialpsychologie an der UniversitĂ€t Salzburg. Die Wissenschafterin hat den Bereich der Terror-Management-Forschung, die sich mit dem Bewusstsein der eigenen Sterblichkeit befasst, im deutschsprachigen Raum wesentlich mitgeprĂ€gt. Ihre Schwerpunkte sind soziale Kognition und Motivation unter dem Einfluss von Bedrohungen wie Kontrollverlust, Ungerechtigkeit und existenziellen Ängsten.


Publikationen

Uhl, I., Klackl, J., Hansen, N., & Jonas, E.: Undesirable effects of threatening climate change information: A cross-cultural study, in: Group Processes & Intergroup Relations, 2017
Agroskin, D., Jonas E., Klackl J. & Prentice, M.: Inhibition Underlies the Effect of High Need for Closure on Cultural Closed-Mindedness under Mortality Salience, in: Frontiers in Psychology, 2016
Jonas, E., McGregor, I., Klackl, J., Agroskin, D., Fritsche, I., Holbrook, C., Nash, K., Proulx, T., & Quirin, M.: Threat and defense: From anxiety to approach, in: J.M. Olson & M.P. Zanna (Eds.), Advances in Experimental Social Psychology, San Diego, CA: Academic Press, 2014
Jonas, E., & Fritsche, I.: Destined to die but not to wage war: How existential threat can contribute to escalation or de-escalation of violent intergroup conflict, in: American Psychologist, 2013