Zersplitterte Kompetenzen
Erschwerend kommt hinzu, dass in Österreich die Kompetenzen über raumwirksame Politikbereiche zwischen Bund, Ländern und Gemeinden zersplittert sind. Der Bund ist etwa für Forst- und Wasserrecht zuständig, die Länder für Raumplanung und Bauordnung. Die Gemeinden dürfen die Flächen aber letztendlich umwidmen. So entscheiden Bürgermeisterinnen bzw. Bürgermeister, ob ein Gewerbepark errichtet wird oder nicht, und Gemeinden buhlen um Betriebe, die sich auf deren Gebiet ansiedeln und schließlich über die Kommunalsteuer Geld in die Gemeindekasse spülen. In Österreich gibt es gut 2.000 Gemeinden, die jede für sich für die Raumplanung zuständig sind.
Globale Ziele regional umsetzen und Gemeinden vernetzen
Wie diese Herausforderungen der Raumplanung angesichts der Klimaerwärmung gelöst werden können? Die globalen Ziele, so der Geograf, müssen zuallererst auf die regionale Ebene der Ortschaften, Gemeinden und Städte heruntergebrochen werden. So erst seien sie überhaupt bearbeitbar.
Danach ist die erste, wichtigste Strategie die Vernetzung von Orten und Regionen. Man müsse großräumiger denken. Schon jetzt gibt es immer mehr Initiativen, bei denen sich mehrere Kleingemeinden zu überregionalen Kooperationen zusammenschließen. Ein Beispiel ist die oberösterreichische INKOBA (Interkommunale Standortentwicklung und Betriebsansiedlung). Dort schaffen mehrere Gemeinden nur einen, zentralen Industriestandort, dessen Abgaben allen Gemeinden zugutekommen und nicht nur jener, wo sich das Gewerbe ansiedelt.
City Deals – integrative Raumordnung über Anreize
Es gibt eine Reihe internationaler Beispiele für solche überregionale Vernetzung. In Großbritannien gibt es die sogenannten City Deals. Über Anreize soll integrative Raumordnung gefördert werden. Stadtregionen schließen mit der nationalen Ebene Verträge für Sonderförderungen von Großprojekten ab. So können beispielsweise Wohnstandorte mit Netzen des öffentlichen Verkehrs verknüpft werden. Ein ähnliches Beispiel gibt es in Finnland mit den sogenannten MAL-Agreements, wo Sektoren wie Flächenwidmung, Wohnungs- und Verkehrswesen, Gesundheits- und Bildungseinrichtungen in Regionen – auch über Gebietskörperschaften hinweg – gemeinsame Standortstrategien verfolgen. Für diese Initiativen gibt es dann Sonderfördertöpfe des Bundes. „Das müsste man sich in Österreich trauen“, sagt der gebürtige Oberösterreicher. „Man würde zwar die Kompetenzen nicht ändern, aber über weiche, finanzielle Anreize zu regionaler intersektoraler Kooperation ein nationales Mitspracherecht ermöglichen. So kann man Lösungen finden, die in der Gesamtschau auf Österreich Sinn machen.“
Handel mit Flächenzertifikaten
Ein weiterer strategischer Ansatz ist der Handel mit Flächenzertifikaten, ähnlich dem CO2-Handel. Während in boomenden Regionen Fläche verbraucht wird, um Wohnraum zu schaffen, wird umgekehrt in Abwanderungsregionen versucht, Leerstände zu beseitigen bzw. Verkehrsbrachflächen zu renaturieren. So könne man insgesamt auf ein Nullwachstum an Bodenverbrauch kommen. Die Schweiz hat sich zum Beispiel Nullhektar-Zuwachs zum Ziel gemacht. Das seit Mai 2014 geltende Raumplanungsgesetz (RPG) besagt, dass neue Einzonungen von Bauland unzulässig sind, bis die Kantone ihre Richtpläne revidiert und überdimensionierte Bauzonen reduziert haben. Laut Humer ist diese Idee von Flächenzertifikaten auch in Deutschland schon gediehen, in Österreich stecke sie noch in den Kinderschuhen.