Der Wald als Untersuchungslabor: Die ĂŒberdachte FlĂ€che rechts hĂ€lt Wasser von den BĂ€umen ab, links ist eine KontrollflĂ€che. Mit modernen Messinstrumenten lĂ€sst sich u. a. hören, wie BĂ€ume stöhnen, wenn sie zu wenig Wasser bekommen. © Uni Innsbruck/Beikircher

„Wir wollen wissen, wie sich Buchen und Fichten entwickeln, wenn durch den Klimawandel Trockenheit hĂ€ufiger und intensiver wird – und ob sich die BĂ€ume erholen können, wenn sie wieder Wasser zur VerfĂŒgung haben“, erklĂ€rt Barbara Beikircher von der UniversitĂ€t Innsbruck. Die Biologin forscht an einem besonderen Ort – dem Kranzberger Forst nördlich des MĂŒnchner Flughafens.

Ihre Forschung ist Teil des Kranzberg Forest Roof Experiment (KROOF) – eines breit angelegten Forschungsprojekts, das Wissenschaftler:innen des Helmholtz-Zentrums MĂŒnchen und der Technischen UniversitĂ€t MĂŒnchen im Jahr 2010 initiierten. Internationale Forschende ergrĂŒnden darin, wie WĂ€lder mit Trockenstress umgehen. Der Wissenschaftsfonds FWF förderte Barbara Beikirchers Teilprojekt „Trockenheitsanpassung und Erholung von Buche und Fichte“, das sie mit ihren Projektpartnern Rainer Matyssek und Thorsten Grams von der TU MĂŒnchen durchfĂŒhrt.

Im ehemaligen Wirtschaftswald wĂ€hlten die Forschenden zwölf TeilflĂ€chen aus. Auf ihnen wachsen 70 bis 90 Jahre alte Buchen und Fichten. Der Boden rund um jede dieser FlĂ€chen wurde jeweils mit einer wasserdichten Plane bis zu einem Meter tief umschlossen, sodass seitlich kein Wasser eindringen konnte. Und automatische DĂ€cher auf sechs dieser TeilflĂ€chen hielten im Zeitraum von 2013 bis 2019 Wasser vom Boden ab. Im Sommer 2019 wurden alle DĂ€cher geöffnet und alle FlĂ€chen bewĂ€ssert. Die Forschenden konnten zudem mit einem Kran rund um die Uhr auf die Baumkronen in den beforschten TeilflĂ€chen zugreifen. „Es gibt nur ganz wenige Orte weltweit, wo man so forschen kann“, sagt Barbara Beikircher.

Wie verdurstet ein Baum?

Wasser wird ĂŒber die Wurzeln aufgenommen und im Holzteil zu den BlĂ€ttern transportiert. Diese haben kleine Spaltöffnungen. Sind diese geöffnet, kann der Baum CO2 aufnehmen, gleichzeitig verdunstet Wasser. „Man könnte ganz salopp sagen: Unter Trockenstress ist der Baum immer zwischen Verhungern und Verdursten. Sind die Spaltöffnungen geschlossen, verhungert er. Sind sie geöffnet, verdurstet er, wenn nicht ausreichend Wasser von unten nachkommt“, erklĂ€rt Beikircher.

Die starke Haftung der einzelnen WassermolekĂŒle sorgt dafĂŒr, dass Wasser, angetrieben durch die Verdunstung an der BlattoberflĂ€che passiv von den Wurzeln in die BlĂ€tter gelangt. Dieser Transport geschieht im Holz des Baumes, das sich aus vielen verholzten, lang gestreckten Zellen – den Tracheiden und Tracheen – zusammensetzt. Diese LeitgefĂ€ĂŸe sind im Fall der Fichte nur wenige Millimeter lang und wenige Mikrometer dick, verlaufen parallel zueinander nach oben und sind miteinander verbunden.

Ein Messbaum: Alufolie isoliert die darunterliegenden Saftflusssensoren. Das Dendrometer (braunes Band) kontrolliert, wie viel der Baum wĂ€chst, und die an NĂ€geln befestigten Elektroden stellen die Wasserverteilung im Baum bildlich dar. © Uni Innsbruck/Beikircher

Embolie der LeitgefĂ€ĂŸe

„Dieses Leitungssystem funktioniert nur so lange, wie die WasserfĂ€den in den LeitgefĂ€ĂŸen erhalten bleiben. Reißen sie, gelangt Luft in die LeitgefĂ€ĂŸe und der Wassertransport kommt zum Erliegen. Wir sprechen dann von Embolien“, so Barbara Beikircher. Das Reißen eines feinen Wasserfadens in den LeitgefĂ€ĂŸen erzeugt ein GerĂ€usch im Ultraschallbereich.  Um dieses zu hören, verkabelten die Biologin und ihr Team BĂ€ume von der Wurzel bis zur Krone mit Ultraschallsensoren. In diesem Ausmaß wurde ein solcher Freilandversuch noch nie durchgefĂŒhrt.

Brechen Hunderttausende feine WasserfĂ€den, ist das noch kein Problem. LeitgefĂ€ĂŸe können sich wieder befĂŒllen oder andere ihre Wasserleitung ĂŒbernehmen. Das funktioniert allerdings nur eingeschrĂ€nkt, erlĂ€utert Beikircher: „Ab einem Schwellenwert sind so viele LeitgefĂ€ĂŸe mit Luft gefĂŒllt, dass der Wassertransport zum Erliegen kommt. Dann kann der Baum auch absterben.“

Ächzende Fichten

Nach einigen Tagen der Messungen konnte sie bei den trockengestressten BĂ€umen deutlich mehr Signale feststellen als bei den KontrollbĂ€umen. „Außerdem wurden bei den Fichten um ein Vielfaches mehr Signale verzeichnet als bei den Buchen. Vermutlich taten sich Buchen durch ihre tiefen Wurzeln deutlich leichter, Wasser aus der Tiefe zu holen“, sagt Barbara Beikircher.

Auch innerhalb eines Baumes hörte die Biologin Unterschiede. In den Wurzeln gab es kaum Signale, in der Krone viele. „Das bestĂ€tigt unsere Theorie, dass Embolien zunĂ€chst in der Krone auftreten, denn die Wasserpotenziale sind dort niedriger“, so die Biologin. Die trockengestressten Fichten zeigten zudem eine verringerte Leistung der Fotosynthese. Sie wuchsen deshalb nur wenige Zentimeter im Jahr. „HĂ€tten wir sie lĂ€nger gestresst, wĂ€ren bestimmt mehrere BĂ€ume abgestorben“, ist Beikircher sicher.

Bildaufnahmen eines trockengestressten Baumes im Vergleich zu einem Baum mit normaler Wasserzufuhr. Blau zeigt die feuchteren Zonen im Inneren des Baumes an, Rot die trockenen. © Uni Innsbruck/Beikircher

Der Blick ins Innere

FĂŒr eine weitere Methode, die elektrische Widerstandstomografie, schlugen die Biologin und ihr Team rund um BaumstĂ€mme NĂ€gel ein, an denen Elektroden befestigt wurden. Über diese Elektroden legten sie Strom an und erfassten elektrische WiderstĂ€nde. Da der elektrische Widerstand auch von der Feuchtigkeit abhĂ€ngt, kann die Verteilung von Wasser im Inneren des Stammes so bildlich dargestellt werden. Dabei sahen sie: Im Stamm trockengestresster BĂ€ume war deutlich weniger Wasser verfĂŒgbar als bei den KontrollbĂ€umen. Fichten waren zudem mehr beeintrĂ€chtigt als Buchen.

Die Forscher erlangten so eine weitere wichtige Erkenntnis. WĂ€hrend alle klassisch untersuchten Parameter darauf hindeuteten, dass die trockengestressten Fichten sich erholen, wenn sie wieder Wasser erhalten, offenbarte die Widerstandstomografie das Gegenteil. „Als wir ins Detail gingen, haben wir gesehen: Die Ă€ußeren Bereiche waren gut versorgt. Aber das innenliegende Kernholz, das als Wasserspeicher dient, war entleert. Der Baum hat Wasser nach außen geleitet, um die Äste und BlĂ€tter weiter versorgen zu können. Auch nach einem Jahr konnten sich diese inneren Speicher nicht wieder befĂŒllen“, erklĂ€rt Beikircher. In einem Folgeprojekt will das Forscherteam nun herausfinden, ob sich die Speicher wieder fĂŒllen können. Geht das nicht, könnten bei zukĂŒnftigen DĂŒrreereignissen BĂ€ume frĂŒher absterben.

Lektionen fĂŒr die Klimakrise

Was lĂ€sst sich durch ihre Forschung ĂŒber Waldbewirtschaftung in der Klimakrise lernen? „Unsere Messungen bestĂ€tigen, dass Fichten-Monokulturen an trockenen Standorten keine Zukunft mehr haben“, resĂŒmiert Barbara Beikircher. ZusĂ€tzliche Untersuchungen in der Klimakammer an dreijĂ€hrigen Fichten zeigten zudem, dass sich die JungbĂ€ume bei starker, langer Trockenheit nicht mehr erholen können und absterben. Im Wald könnten sie es schwer haben, nachzuwachsen. Dazu kommt: Trockenheit macht anfĂ€llig fĂŒr SchĂ€dlinge und Krankheiten. Auch einige Fichten im Kranzenberger Forst erlagen dem BorkenkĂ€fer. Sie waren zu schwach, um ausreichend Abwehrstoffe zu produzieren.

Barbara Beikircher studierte Biologie/Botanik an der UniversitĂ€t Innsbruck, von der sie einen Doktortitel im Bereich der Ökophysiologie besitzt. Von 2014 bis 2020 war sie Hertha-Firnberg-Stipendiatin des FWF. Sie ist wissenschaftliche Mitarbeiterin in der Forschungsgruppe fĂŒr Ökophysiologie am Institut fĂŒr Botanik der UniversitĂ€t Innsbruck. Zu ihren Forschungsschwerpunkten zĂ€hlen u. a. die Stresstoleranz und AnpassungsfĂ€higkeit von wirtschaftlich relevanten Pflanzen wie ObstbĂ€umen, Fichten oder Buchen und die Hydraulik von Jungpflanzen und SĂ€mlingen. Das Projekt „Trockenheitsanpassung und Erholung von Buche und Fichte“ (2019–2022) wurde vom Wissenschaftsfonds FWF mit 239.000 Euro gefördert.

Publikationen

KnĂŒver T., BĂ€r A., Ganthaler A., Gebhardt T. et al.: Recovery after long-term summer drought: Hydraulic measurements reveal legacy effects in trunks of Picea abies but not in Fagus sylvatica, in:  Plant Biology 2022

Hesse BD., Gebhardt T., Hafner BD., Hikino K. et al: Physiological recovery of tree water relations upon drought release – response of mature beech and spruce after five years of recurrent summer drought, in: Tree Physiology 2022

Tomasella M., Beikircher B., HĂ€berle KH., Hesse B. et al.: Acclimation of branch and leaf hydraulics in adult Fagus sylvatica and Picea abies in a forest through-fall exclusion experiment, in: Tree Physiology 2017