Gepardengezwitscher
Tarnen sich Geparden, indem sie Laute von sich geben, die sich von Vogelgezwitscher nicht unterscheiden lassen? Grund dazu hÀtten sie. Immerhin werden bis zu 70 Prozent ihrer Jungtiere von HyÀnen und Löwen getötet.
Die sĂŒdafrikanische Savanne brĂŒtet unter der prallen Sonne. Der Wind streift durch das hohe Gras und zwischen den wenigen BĂ€umen hindurch, die Schatten spenden. Vögel schwirren umher und zwitschern lauthals. Doch nicht alles ist so, wie es scheint. Zwischen den vertrauten Vogelstimmen versteckt sich ein Ruf, der zu einem ganz anderen, viel gröĂeren Tier gehört â dem Gepard.
So in etwa kann man sich die Szenerie an einem Feldforschungstag von Angela Stöger vorstellen. Sie ist Biologin in leitenden Positionen an der UniversitĂ€t Wien und der Ăsterreichischen Akademie der Wissenschaften und beforscht seit ĂŒber einem Jahrzehnt, welche GerĂ€usche SĂ€ugetiere produzieren und wie diese mit ihrem Verhalten zusammenspielen.
âIch habe mich immer schon dafĂŒr interessiert, wie SĂ€ugetiere kommunizierenâ, erinnert sich Stöger. Nach einem Studium an der UniversitĂ€t Wien promovierte sie zum Thema der akustischen Kommunikation von Elefanten. Seitdem untersucht Stöger zusammen mit ihrem Team, wie und wieso insbesondere Elefanten Laute produzieren.
âElefanten können eine Vielzahl von GerĂ€uschen machenâ, erklĂ€rt die Wissenschaftlerin. âVon einem hohen Quietschen bis zu einem tiefen Grollen, das bis in den Infraschall reicht.â Infraschall bezeichnet Töne, die so tief sind, dass Menschen sie nicht mehr wahrnehmen können. Doch Elefanten können sie hören und damit ĂŒber weite Strecken kommunizieren.
Stöger untersucht, wie genau die Elefanten diese Laute erzeugen. âMit einer akustischen Kamera, die mittels mehrerer Mikrofone die Quelle eines GerĂ€usches finden kann, können wir sehen, wo genau die Laute produziert werden. Damit haben wir zum Beispiel gezeigt, wie die Tiere Luft zwischen ihre Lippen oder durch ihren RĂŒssel pressen, um bestimmte Laute zu erzeugen.â
Doch die Forschenden gaben sich nicht damit zufrieden herauszufinden, wie die Tiere die Laute erzeugen. Sie wollten auch wissen, wie sie auf ihre eigene âSpracheâ reagieren. Stöger und ihr Team spielten daher Elefanten in der Wildnis ihre Aufnahmen vor. âWir konnten zeigen, dass Elefanten Laute, die sie hören, nachahmen â also vokal lernen â können.â Vokales Lernen kennt man von Kleinkindern, die Wörter nachahmen, doch im Tierreich ist es eine Besonderheit. Die Forscher:innen zeigten sogar, dass einzelne Elefantengruppen eigene âDialekteâ in ihrer Kommunikation haben und sich so mittels Infraschall ĂŒber weite Distanzen gegenseitig erkennen können.
Ausgestattet mit diesem breiten Schatz an Erkenntnissen und Erfahrungen, widmen sich Stöger und ihr Team nun in ihrem neuen vom Wissenschaftsfonds FWF geförderten Forschungsprojekt einem anderen SÀugetier: dem Gepard.
âIch habe schon vor zwanzig Jahren angefangen, mich mit Geparden zu beschĂ€ftigenâ, sagt Stöger. âDiese Tiere produzieren viele Laute â unter anderem ein hohes Zwitschern, das genauso wie der Ruf eines Vogels klingt â, um miteinander zu kommunizieren. Ich habe mich schon damals gefragt, wieso sie das machen.â
Dieses Gezwitscher ist der höchste Laut, den Geparde erzeugen können. Eine plausible ErklĂ€rung könnte sein, dass sie sich damit tarnen, um in der GerĂ€uschkulisse der Savanne nicht aufzufallen. Geparde sind zwar formidable JĂ€ger, jedoch mĂŒssen sie sich vor anderen Raubtieren in Acht nehmen. Bis zu 70 Prozent der Jungtiere werden von HyĂ€nen und Löwen getötet. âSelbst wenn ich diese Rufe meinen Kolleg:innen aus der Verhaltensbiologie vorspiele, können sie diese kaum von Vogelrufen unterscheidenâ, fĂŒgt Stöger schmunzelnd hinzu.
Tarnen sich Geparden, indem sie Laute von sich geben, die sich von Vogelgezwitscher nicht unterscheiden lassen? Grund dazu hÀtten sie. Immerhin werden bis zu 70 Prozent ihrer Jungtiere von HyÀnen und Löwen getötet.
âIm FrĂŒhjahr 2024 werden wir in die Kalahari-WĂŒste fahren, um zu untersuchen, wie weit diese Rufe in der dortigen Umgebung hörbar sind, und um deren Effekt auf andere Tiere zu testenâ, erklĂ€rt Stöger. Um die Gepardenlaute genauer zu verstehen, werden die Forschungsteams sie zu verschiedenen Tageszeiten und unter verschiedenen Wetterbedingungen abspielen und messen, in welchen AbstĂ€nden sie noch hörbar sind. AuĂerdem wollen sie herausfinden, ob Löwen und Antilopen diese GerĂ€usche erkennen und darauf reagieren. Ihre Erkenntnisse wĂŒrden nicht nur das VerstĂ€ndnis dieser GroĂkatzen vertiefen, sondern könnten Nationalparks und Zoos auch bei der ZĂŒchtung von Geparden helfen, die als gefĂ€hrdet gelten. Stöger fĂŒgt hinzu: âIch freue mich schon sehr auf die nĂ€chste Feldreise. Tiere in der freien Wildbahn zu sehen, ist immer etwas ganz Besonderes.â
Angela Stöger habilitierte an der UniversitĂ€t Wien zu Verhaltens- und Kognitionsbiologie und ist Leiterin des vom Wissenschaftsfonds FWF unterstĂŒtzten Mammal Communication Lab, das seit Kurzem am Institut fĂŒr Schallforschung der Ăsterreichischen Akademie der Wissenschaften (ĂAW) angesiedelt ist. Sie ist auch Teil des FWF-geförderten Doktoratsprogramms âCommunication and Cognitionâ der UniversitĂ€t Wien und der VeterinĂ€rmedizinischen UniversitĂ€t Wien. 2023 brachte Stöger das Buch âElefanten â Ihre Weisheit, ihre Sprache und ihr soziales Miteinanderâ heraus, das auf der Shortlist fĂŒr das Wissenschaftsbuch des Jahres 2024 gelistet wurde.