Schiff fÀhrt entlang der Donau in Wien mit Donaucity im Hintergrund
In der weltweit grĂ¶ĂŸten Flussstudie haben internationale Forschende die Verbreitung von Antibiotikaresistenzen entlang der gesamten schiffbaren Donau untersucht. Vor allem menschliche FĂ€kalien sind ein Problem. © Paul Korecky/Wikimedia

Die Bedeutung von Antibiotika ist kaum zu ĂŒberschĂ€tzen. Die Medikamente, die bakterielle Krankheitserreger im Körper zuverlĂ€ssig abtöten, gehören zu den Grundlagen moderner Gesellschaften. Doch die Menschen gehen verschwenderisch mit dieser Errungenschaft um. Ihr ĂŒbermĂ€ĂŸiger Einsatz bei Mensch und Tier – die Landwirtschaft gehört zu den grĂ¶ĂŸten Antibiotika-Verbrauchern – fĂŒhrt zur Entwicklung von Resistenzen. Die Mikroorganismen passen sich an, die Wirkung der Medikamente versagt. Forschende schĂ€tzen, dass 30.000 TodesfĂ€lle jĂ€hrlich in der EU und 1,5 Millionen weltweit auf Antibiotikaresistenzen zurĂŒckzufĂŒhren sind.

Durch AbwĂ€sser gelangen sowohl Antibiotika als auch resistente Bakterien in die Natur. Die Keime könnten sich in GewĂ€ssern anreichern und ĂŒber Trinkwassergewinnung, BewĂ€sserung oder einfache BadeausflĂŒge wiederum Menschen oder Tiere infizieren, so eine BefĂŒrchtung. Alexander Kirschner von der Medizinischen UniversitĂ€t Wien hat mit seinem Team untersucht, wie groß die Gefahr tatsĂ€chlich ist. Im Projekt „FĂ€kale Ausbreitungswege von Antibiotikaresistenzen in FlĂŒssen“, das vom Wissenschaftsfonds FWF unterstĂŒtzt wird, hat der Mikrobiologe gemeinsam mit Andreas Farnleitner von der TU Wien und KL Krems und Gernot Zarfel von der Medizinischen UniversitĂ€t Graz den gesamten Flusslauf der Donau samt ihrer grĂ¶ĂŸten Zubringer systematisch auf das Vorkommen von resistenten Bakterien und Resistenzgenen untersucht. Das Ziel: Ausmaß und Ursachen dieser Art der Verschmutzung besser bestimmen zu können.

Mit den zunehmenden Nachweisen von Resistenzen in der Umwelt und dem dĂŒnner werdenden Bestand an wirksamen Reserveantibiotika ist der Wettlauf mit den Ă€ußerst anpassungsfĂ€higen bakteriellen Krankheitserregern weltweit in eine entscheidende Phase getreten.

Mehr zum Projekt

FĂ€kale Ausbreitungswege von Antibiotikaresistenzen

Positive Auswirkungen durch EU-Maßnahmen

„Basis der Untersuchung ist der sogenannte Joint Danube Survey, bei dem seit 2001 im Abstand von sechs Jahren chemische und biologische Daten zur WasserqualitĂ€t erhoben werden“, erklĂ€rt Kirschner. Aus der Zeitreihe lassen sich unter anderem die positiven Folgen der europĂ€ischen Integration herauslesen: „In RumĂ€nien, Bulgarien, der Slowakei und vor allem in Ungarn hat sich die Situation der fĂ€kalen Verschmutzung der Donau durch den Ausbau von KlĂ€ranlagen und Abwasserinfrastruktur in den vergangenen Jahren stark verbessert. In Serbien, wo es weiterhin keine strengen Vorgaben zum GewĂ€sserschutz gibt, liegt die Lage dagegen nach wie vor im Argen“, schildert der Wissenschaftler.

Im Zuge der Untersuchung von 2019 wurde nun der gesamte, 2.300 Kilometer zĂ€hlende schiffbare Flusslauf der Donau erstmals auch auf antibiotikaresistente Bakterien und Antibiotikaresistenzgene untersucht. Die Genfragmente, die fĂŒr eine Resistenz verantwortlich sind, sind deshalb interessant, weil sie mittels eines „horizontalen Gentransfers“ auch zwischen Bakterien weitergegeben werden.

Karte des Donauflusses von der Quelle bis zum Schwarzen Meer
An 36 Stellen im Verlauf der Donau von ihrer Quelle in Deutschland bis ins Schwarze Meer haben die Forschenden ĂŒber eine Strecke von 2.300 Kilometern Proben entnommen. © Schachner-Groehs et al., 2024

Zigtausende Tests

Kirschner und Kolleg:innen haben ein Konzept entwickelt, das mithilfe von Bakterienkulturen und der PCR-Methode das Vorhandensein resistenter Bakterien der Art Escherichia coli, der Gattungen Klebsiella und Pseudomonas sowie von Resistenzgenen in der Donau quantitativ bestimmt. An 36 Stellen im Verlauf der Donau, jeweils am linken und am rechten Ufer sowie mittig, wurden Proben genommen. Von jeder Probe wurden etwa 50 E.-coli-StĂ€mme herangezĂŒchtet und die Wirksamkeit von mehreren Antibiotika an ihnen getestet, um einfache, zweifache oder multiple Resistenzen zu erkennen. Das spĂ€testens seit der Covid-Pandemie bekannte PCR-Verfahren, das durch eine VervielfĂ€ltigung von Genabschnitten ihr Vorhandensein in der Probe quantitativ genau bestimmen lĂ€sst, ergĂ€nzte den Datensatz. „Insgesamt wurden tausende Kulturen angelegt und zigtausende standardisierte Tests durchgefĂŒhrt – ein Riesenaufwand“, resĂŒmiert Kirschner.

Die Ergebnisse zeigen etwa, dass die Belastung mit den Resistenzgenen Hand in Hand mit der FĂ€kalbelastung geht. „Bei Normal- und Niedrigwasser steht das Vorhandensein menschlicher FĂ€kalien in einem hochsignifikanten Zusammenhang mit der Belastung an Resistenzgenen. Bei Hochwasser, wenn etwa mit Mist gedĂŒngte Felder ĂŒberschwemmt werden, werden auch tierische Quellen relevant“, erklĂ€rt der Mikrobiologe. „Dass bei Bakterien in der Natur hingegen Resistenzen entstehen, weil sie auf Antibiotika treffen, spielt in LĂ€ndern mit gut ausgebauter Abwasserinfrastruktur eher eine untergeordnete Rolle.“ Insgesamt hĂ€ngt die Belastung stark von den KrankenhĂ€usern im Einzugsgebiet, dem Einsatz der Antibiotika in der Bevölkerung und Landwirtschaft, der GrĂ¶ĂŸe der zwischengeschalteten KlĂ€ranlagen und dem VerdĂŒnnungsfaktor durch die vorhandenen Wassermengen ab.

Illustration der Analysen von fÀkalen Gradienten im Fluss
In den EU-LĂ€ndern hat sich die Situation der fĂ€kalen Verschmutzung aufgrund von Umweltauflagen verbessert. © Schachner-Groehs et al., 2024

Besondere Aufmerksamkeit widmeten die Forschenden sogenannten Biofilmen, also jenen schleimigen Schichten aus Algen, Pilzen und Mikroorganismen, die etwa Steine oder Äste unter Wasser ĂŒberwuchern. „Die Hypothese war, dass sich resistente Bakterien an diesen permanenten Strukturen anreichern könnten“, sagt Kirschner. „Das Ergebnis war, dass die Belastung hier extrem heterogen sein kann: In manchen Biofilmen findet man weniger Resistenzen als im Wasser, an anderen sind sie vermehrt vertreten.“

Ausreißer in Budapest

Insgesamt fiel die Belastung der Donau in Österreich eher moderat aus – wie in allen LĂ€ndern mit hohen Hygienestandards. Besorgniserregende Werte seien analog zur FĂ€kalbelastung und dem generellen Verschmutzungsgrad des Flusses lediglich donauabwĂ€rts gemessen worden, wo EU-Richtlinien nicht vorhanden sind oder noch nicht greifen. Ein erstaunlicher Ausreißer in den Daten zeigte sich dabei in Budapest: Aus unbekannten GrĂŒnden war hier die Belastung punktuell in einer Probe so hoch, dass selbst die Werte aus dem Nicht-EU-Land Serbien weit ĂŒbertroffen wurden, hebt Kirschner hervor.

Die vergleichsweise gute Situation in Österreich bedeutet aber nicht, dass man das Thema hierzulande vernachlĂ€ssigen darf: „Finden kann man die resistenten Keime auch in der Donau in Österreich. Die Frage ist, wie sich die Werte in langfristige Trends einordnen“, sagt Kirschner, der ein regelmĂ€ĂŸiges mikrobiologisches Monitoring anstrebt, um die GefahrenabschĂ€tzung immer wieder zu aktualisieren. Denn mit den zunehmenden Nachweisen von Resistenzen in der Umwelt und dem dĂŒnner werdenden Bestand an jedenfalls wirksamen Reserveantibiotika ist der Wettlauf mit den Ă€ußerst anpassungsfĂ€higen bakteriellen Krankheitserregern weltweit in eine entscheidende Phase getreten.

Zur Person

Alexander Kirschner leitet die Forschungsgruppe Wassermikrobiologie am Institut fĂŒr Hygiene und Angewandte Immunologie der Medizinischen UniversitĂ€t Wien. Gleichzeitig ist er am Department fĂŒr WasserqualitĂ€t und Gesundheit der Karl Landsteiner PrivatuniversitĂ€t fĂŒr Gesundheitswissenschaften in Krems und fĂŒr das InteruniversitĂ€re Kooperationszentrum fĂŒr Wasser und Gesundheit (ICC, www.waterandhealth.at) tĂ€tig. Das Projekt „FĂ€kale Ausbreitungswege von Antibiotikaresistenzen in FlĂŒssen“ (2019–2024) wurde vom Wissenschaftsfonds FWF mit 406.000 Euro gefördert.

Publikationen

Schachner-Groehs I., Koller M., Leopold M. et al.: Linking antibiotic resistance gene patterns with advanced faecal pollution assessment and environmental key parameters along 2300 km of the Danube River, in: Water Research 252, 2024

Kirschner A.K.T, Schachner-Groehs I., Kavka G. et al.: Long-term impact of basin-wide wastewater management on faecal pollution levels along the entire Danube River, in: Environmental Science and Pollution Research 31, 2024

Skof A., Koller M., Baumert R. et al.: Comparison of the Antibiotic Resistance of Escherichia coli Populations from Water and Biofilm in River Environments, in: Pathogens 13, 2024