Christine Leopold
Christine Leopold erforscht in Harvard wie Gesundheitspolitik funktioniert. © Privat

Nachdem ich bereits einige Jahre in einem wissenschaftlichen Institut im Gesundheitswesen gearbeitet hatte, hegte ich den Wunsch ins Ausland zu gehen. Inspiriert von einem kurzen Studienaustausch an der Harvard Medical School während meines Doktorates, beschloss ich daher, mich dort für ein Postdoctoral Fellowship zu bewerben. Als ich 2014 mein Doktorat abgeschlossen hatte, erhielt ich zur selben Zeit die tolle Nachricht, dass ich als Postdoc Fellow in Harvard akzeptiert wurde. Meine ersten eineinhalb Jahre wurden somit von Harvard finanziert, und während dieser Zeit konnte ich mich für ein Erwin-Schrödinger-Stipendium bewerben, das ich beim zweiten Anlauf auch erhielt.

Forschungsschwerpunkt Gesundheitspolitik

Seitdem ich hier in Boston arbeite, habe ich meinen Forschunsschwerpunkt einerseits wesentlich erweitert und zur gleichen Zeit auch stärker fokussiert. In meiner Forschung analysiere ich gesundheitspolitische Strategien, um Arzneimittel aus öffentlichen Mitteln zu finanzieren. Dazu zählen u.a. Regulierungen von Arzneimittelpreisen, Erstattungsstrategien und gesundheitsökonomische Bewertungen von Medikamenten. Während ich mich während meines Doktorats hauptsächlich mit Europa beschäftigt habe, liegt mein Schwerpunkt nun auf dem amerikanischen Gesundheitssystem. – Was für eine Lernkurve!

Mein persönlicher „Brain Gain“

Mein Wissen hat sich von europäischen Gesundheitssystemen – die auf Solidarität, öffentlicher Finanzierung und staatlicher Regulierung aufbauen –, zum amerikanischen System erweitert, das auf freien Marktprinzipien mit mehrheitlicher privater Gesundheitsversorgung basiert. Ein nächster logischer Schritt war für mich, meine Forschung auf Krebserkrankungen zu spezialisieren, da es hier in Amerika für einen Großteil der krebserkrankten Patientinnen und Patienten eine enorme finanzielle Belastung darstellt, die benötigten Krebstherapien aus eigener Tasche zu bezahlen.

Kulturunterschiede

Zwei große kulturelle Unterschiede fallen mir in meiner täglichen Arbeit auf: In Österreich hatte ich oft den Eindruck, dass es für mich als junge, weibliche Akademikerin schwer ist, mich in dem akademischen System zu etablieren. Starre Strukturen und Hierarchien waren oft ein Grund dafür.

Das Gegenteil ist hier in Boston an der Harvard University der Fall. Die Professorinnen und Professoren, mit denen ich hier arbeite, sind leicht zu erreichen und stehen immer für gute Karrierehinweise zur Verfügung. Ich fühle mich wirklich enorm unterstützt, meine Karriere weiter voran zu treiben. Aber was ich hier an meinem Department vermisse, ist die Teamarbeit. Jeder forscht hier im Alleingang in seinem Bereich. Austausch findet zwar statt, doch nur selten führt dieser auch wirklich zu einer gemeinsamen Arbeit.

Einzigartiges Umfeld für die Wissenschaft

Was die Wissenschaft betrifft, ist Boston ein einzigartiger Ort. Es gibt unzählige Universitäten mit einer Vielzahl von internationalen Studentinnen und Studenten. Das ist auch ein Grund, weshalb der Großteil meiner Freunde aus Europa kommt. Sie sind ebenfalls hier in der Forschung tätig. Das ist einerseits schön, da wir alle mit ähnlichen Problemen wie zum Beispiel mit Publikationen oder Bewerbungen um Projektfinanzierungen zu kämpfen haben. Doch oftmals würde ich auch gerne über ganz andere Dinge des Lebens reden. Diesen Ausgleich habe ich inzwischen in einer Yoga-Community gefunden. Da ich leidenschaftlich gerne Yoga betreibe, habe ich am Anfang meines Aufenthaltes hier die Ausbildung zur Yogalehrerin begonnen und abgeschlossen. So hat sich eine neue Tür geöffnet, durch die ich Anschluss an wunderbare Menschen außerhalb des Forschungsbetriebs gefunden habe.