Making Art, Making Media, Making Change

âZuerst gehtâs darum, die Scheu vor dem Zeichnen zu verlierenâ, beschreibt Elke Zobl exemplarisch einen Comic-Workshop. âWir machen AufwĂ€rmĂŒbungen, dann entwickeln wir Figuren. Das Projekt beschĂ€ftigt sich mit dem Hinterfragen von Geschlechterrollen. Eine Figur zeigt eine Ballerina mit blonden, langen Haaren und Schnauzbart mit einer Bohrmaschine in der Hand. In der Sprechblase steht: âHart und zart mit Bartâ.â
Zwischen Wissenschaft und Kunst
Projekte wie diese sind sowohl als Teil von Lehrveranstaltungen mit Studierenden konzipiert als auch als öffentliche Projekte. âDiese Verbindung ist uns sehr wichtig.â Elke Zobl leitet seit 2010 den Programmbereich âContemporary Arts and Cultural Productionâ am Schwerpunkt Wissenschaft & Kunst. Dieser wurde 2007 als Kooperation zwischen der UniversitĂ€t Salzburg und dem Mozarteum konzipiert. âDie Arbeit an diesem Programmbereich sieht so aus, dass Forschung, Lehre und Vermittlung sehr stark ineinander ĂŒbergehen, das heiĂt, wir machen Projekte
âIch bin sehr glĂŒcklich, dass ich in meiner Arbeit all meine Interessen fĂŒr Kunst, fĂŒr Wissenschaft und gesellschaftliche Prozesse bĂŒndeln kann.â
mit Studierenden, die gleichzeitig Teil von wissenschaftlichen Symposien sind, aber auch Vermittlungsprojekte wie Ausstellungen, kĂŒnstlerische Projekte usw. Das greift alles sehr ineinanderâ, schildert die Kunst- und Kulturwissenschafterin. Sie selbst hatte sich nach der Matura am Mozarteum fĂŒr BĂŒhnenbild beworben. âIch habe mich schon sehr frĂŒh fĂŒrs KĂŒnstlerische interessiertâ, erinnert sich die Wissenschafterin. âMeine Eltern, beide waren engagierte Volksschullehrer, haben mir viele Materialien zur VerfĂŒgung gestellt. Das Freizeitangebot war in dem kleinen Dorf im Pinzgau nicht groĂ. Also habe ich viel kĂŒnstlerisch gearbeitet.â Sie wird im Mozarteum aufgenommen, wechselt aber zur Bildnerischen Erziehung in die Bildhauerei. âIch bin sehr glĂŒcklich, dass ich bei meiner jetzigen Arbeit all meine Interessen fĂŒr Kunst, fĂŒr Wissenschaft und gesellschaftliche Prozesse bĂŒndeln kannâ, freut sich die Salzburgerin.
Wissenschaftskommunikationspreis
FĂŒr das Projekt âMaking Art, Making Media, Making Changeâ wurde sie vom Wissenschaftsfonds FWF mit dem Wissenschaftskommunikationspreis ausgezeichnet. Mit dem Programm, das der Wissenschaftsfonds 2013 erstmals ausgeschrieben hat, wurden sechs Kommunikationsprojekte von Forscherinnen und Forschern mit insgesamt 263.000 Euro gefördert. Ziel der Auszeichnung ist, âhervorragende wissenschaftskommunikative MaĂnahmenâ, die in Zusammenhang mit vom FWF unterstĂŒtzten Forschungsvorhaben stehen, zu fördern. Die Salzburgerin war eine der sechs Ausgezeichneten. Mit ihrem Wissenschaftskommunikationsprojekt wendet sie sich an Jugendliche und hier vor allem an MĂ€dchen und junge Frauen zwischen zwölf und 26 Jahren. In Diskussionen und Workshops sollen sie mit Kultur- und Medienproduzentinnen und -produzenten zusammengebracht und ihnen so HandlungsrĂ€ume als aktive kulturelle und mediale Produzentinnen eröffnet werden.
Von der Konsumentin zur Produzentin
Das Wissenschaftskommunikationsprojekt basiert auf zwei Projekten, die vom Wissenschaftsfonds gefördert wurden: zum einen auf dem Einzelprojekt âFeministische Medienproduktion in Europaâ und zum anderen auf dem Hertha-Firnberg-Projekt âJunge Frauen als Produzentinnen von neuen kulturellen RĂ€umenâ. Zobls wissenschaftliche Arbeit ist eng verbunden mit ihrem Engagement und Interesse fĂŒr zivilgesellschaftliche Partizipation und Feminismus als Teil einer gröĂeren Bewegung fĂŒr soziale, politische, ökologische und ökonomische Gerechtigkeit. Ergebnisse, Interviews, die im Rahmen der Forschungsprojekte gefĂŒhrt wurden, aber auch weiterfĂŒhrende Informationen und Links zu den recherchierten Projekten werden dabei ĂŒber eine Online-Plattform (www.grassrootsfeminism.net) interessierten Ăffentlichkeiten als eine Art Ressourcensammlung zugĂ€nglich gemacht und vermittelt. Das Ăberthema, der rote Faden ihrer Arbeit ist die Frage, wie Jugendliche â im Speziellen Frauen â eine aktive Rolle einnehmen können, wie sie ihr eigenes Lebensumfeld mitgestalten und damit auch Ăffentlichkeiten herstellen können. Sie werden sozusagen von Konsumentinnen und Konsumenten zu Produzentinnen und Produzenten, indem sie sich in selbst produzierten Medien mit Themen aus ihren Interessen heraus auseinandersetzen und damit aktiv und selbstbestimmt am kulturellen und politischen Leben teilnehmen.

âGrrrl Zinesâ
Mit den beiden Forschungsprojekten hat Zobl mit unterschiedlicher Fokussierung âeine der interessantesten Transformationen in der Jugendkultur seit den 1990er Jahrenâ untersucht: die steigende Zahl an jungen Menschen, vor allem MĂ€dchen und jungen Frauen, die eigenstĂ€ndig und in kollektiven Strukturen Medien produzieren und dabei neue Netzwerke bilden und sich damit neue HandlungsrĂ€ume schaffen in unterschiedlichsten Formaten, Ausgestaltungen und zu verschiedensten Themen. In der alternativen Medienkultur werden derart produzierte Print-Medien âGrrrl Zinesâ genannt: âZinesâ als AbkĂŒrzung des Englischen âmagazinesâ, drei ârâ, um das WiderstĂ€ndische, die Kritik an der Gesellschaft zu markieren. Die Zines, die Zobl vor sich auf dem Tisch liegen hat, zeigen die enorme Vielfalt dieser alternativen Medien, die selbst produziert, selbst herausgegeben und selbst kopiert sind: etwa in der Art, wie sie gestaltet und gemacht sind, alleine oder als Gruppe, in ihrer ProfessionalitĂ€t und ihrer geografischen DiversitĂ€t. Diese groĂe Bandbreite zeichnet Alternativmedien aus:
âEs gibt nicht nur feministische Zines, sondern auch FuĂballzines, rechtsradikale Zines â diese spiegeln unsere Gesellschaft wider.â
Vielfalt und MultiperspektivitĂ€t. âEs gibt nicht nur feministische Zines, sondern auch FuĂballzines, rechtsradikale Zines â diese spiegeln unsere Gesellschaft widerâ, erlĂ€utert Zobl. Das zweite Prinzip von Alternativmedien ist Partizipation: es geht um die selbstbestimmte Produktion, die grundsĂ€tzlich allen offensteht, statt um den bloĂen Konsum. Zobl beschĂ€ftigt sich in ihrer Forschung mit feministischen und queer-feministischen Zines (âqueerâ aus dem Englischen bedeutet, von der Norm abweichend). In diesen Zines geht es beispielsweise um Themen wie Selbstverteidigung oder das Hinterfragen von Körpernormen. So groĂ die Bandbreite auch ist, die Zines mit feministischem, queer-feministischem und antirassistischem Anspruch haben etwas gemeinsam: den Wunsch nach sozialem Wandel, das Hinterfragen von alten Denkmustern und dem Status quo und den Versuch, neue Perspektiven zu entwickeln.
Herausforderung Duke
Die erste BerĂŒhrung mit alternativen Medien in der Frauenbewegung hatte Zobl als 21-jĂ€hrige Studentin an der Duke University in North Carolina. Gerade den ersten Studienabschnitt in Kunsterziehung und Deutscher Philologie abgeschlossen, bewirbt sie sich gemeinsam mit einer Freundin fĂŒr ein Austauschprogramm in den USA. Ein Professor in Salzburg empfiehlt die Duke University. Was sie dort genau erwartet, weiĂ sie nicht. Sie wird aufgenommen und in ein Graduate-Programm eingestuft, gemeinsam mit Dissertierenden. âDas war eine der gröĂten Herausforderungen: alles in Englisch, das enorme Arbeitsvolumen, stĂ€ndig prĂ€sentieren, stĂ€ndig Papers schreibenâ, erzĂ€hlt sie. Und gerĂ€t ins SchwĂ€rmen von der kreativen AtmosphĂ€re, den Diskussionen mit den Professorinnen und Professoren, der BeschĂ€ftigung mit ganz aktuellen Theorien und kĂŒnstlerischen Praktiken. âMeine BeschĂ€ftigung mit zeitgenössischer Kunst und feministischer Theorie begann dortâ, erinnert sie sich.
Alternative Medien â internationale Wege
Bei einem Kongress lernt sie eine ihrer langjĂ€hrigen Wegbegleiterinnen und Mentorinnen kennen: Ute Meta Bauer, damals erste Professorin an der Akademie der Bildenden KĂŒnste in Wien. Zobl ist von ihrem Vortrag begeistert und beschlieĂt, nach der RĂŒckkehr von Duke nach Wien zu gehen. Ute Meta Bauer, damals Leiterin des Instituts fĂŒr Gegenwartskunst an der Akademie am Schillerplatz, stellte feministisch orientierte Magazine und Comics von KĂŒnstlerinnen vor, die diese als Alternative zum (mĂ€nnlich dominierten) Galeriensystem nutzen. Ein Beispiel fĂŒr eines dieser selbst gegrĂŒndeten und produzierten Magazine ist âReginaâ, von der in Berlin lebenden KĂŒnstlerin Regina Maria Möller, erstmals 1994 herausgegeben. Vom Thema begeistert, beschlieĂt Zobl, ihre Diplomarbeit ĂŒber KĂŒnstlerinnen zu schreiben, die im deutschsprachigen Raum in diesem Bereich der alternativen Medienproduktion tĂ€tig sind. Mit ihrer Dissertation erweitert sie dann den Fokus vom deutschsprachigen auf den internationalen Raum. âBis dahin wurden Zines vor allem aus England und den USA rezipiert, im deutschsprachigen Raum schon weniger und im Rest der Welt fast gar nichtâ, erzĂ€hlt Zobl. Bei dieser Arbeit stöĂt sie auf ein groĂes internationales Netzwerk, interviewt Frauen, die Zines herausgeben, und grĂŒndet ein Online-Archiv, in dem sie alle Interviews und Informationen zu Grrrl Zines sammelt. Zugleich wĂ€chst auch ein beachtliches Archiv von PrimĂ€rmaterial und wissenschaftlicher Literatur ĂŒber das PhĂ€nomen der Grrrl Zines an. Zobl schenkt diese Sammlung mit ĂŒber 2.000 Zines 2013 dem gendup â Zentrum fĂŒr Gender Studies und Frauenförderung der UniversitĂ€t Salzburg, um sie öffentlich zugĂ€nglich zu machen. Die Arbeit an der Dissertation beginnt sie an der University of California in San Diego und kann dank eines Erwin-Schrödinger-Stipendiums des FWF, fĂŒr das sie sich von den USA aus bewirbt, ohne Unterbrechung weiterarbeiten. âDas war eines der besten Dinge, die mir passieren konntenâ, freut sie sich noch heute. Bei ihrer Arbeit kann sie drei zentrale Themenbereiche feministischer und queer-feministischer Alternativmedien herauskristallisieren: zum einen Gewalt, Missbrauch und Selbstverteidigungsstrategien, zum anderen werden in einer steigenden Zahl an âMama Zinesâ alternative Perspektiven auf das Thema Elternschaft (wie Alleinerziehende, Elternschaft in verschiedenen Konstellationen etc.) eröffnet, sowie als drittes zentrales Themenfeld Queer- und Transgender-Themen.
ZurĂŒck nach Salzburg
ZurĂŒckgekehrt aus den USA, beginnt sie eine vom Wissenschaftsfonds FWF geförderte Hertha-Firnberg-Stelle zunĂ€chst an der Akademie der Bildenden KĂŒnste, danach am Fachbereich Kommunikationswissenschaft der UniversitĂ€t Salzburg und leitet parallel dazu ein FWF-Einzelprojekt. 2010 wird sie Leiterin des Programmbereichs âContemporary Arts and Cultural Productionâ mit Schwerpunkt Wissenschaft und Kunst. Nach der Evaluierungsphase kann in den nĂ€chsten drei Jahren dieser Programmbereich wieder bespielt werden. Zobl leitet den Programmbereich gemeinsam mit Professorin Elisabeth Klaus vom Fachbereich Kommunikationswissenschaft, mit der sie eine enge und sehr produktive Zusammenarbeit verbindet. Das Wissenschaftskommunikationsprojekt ist hier angesiedelt. Der Programmbereich kooperiert ab Herbst in seiner Arbeit mit Wissenschafterinnen und Wissenschaftern der UniversitĂ€t und des Mozarteums aus verschiedenen Disziplinen, mit dabei Kommunikationswissenschaft, Tanzwissenschaft, der Musikbereich und PĂ€dagogik, sowie mit verschiedenen Kunst- und Kultureinrichtungen.
âDo-it-yourselfâ, âDo-it-togetherâ
Ziel des Wissenschaftskommunikationsprojekts ist es, fĂŒr Jugendliche und vor allem MĂ€dchen und junge Frauen durch Workshops wie âCulture & Media Picknicksâ und âZines on tourâ neue HandlungsrĂ€ume zu erschaffen, indem sie selber Produzentinnen und Produzenten von Medien und kĂŒnstlerischen Prozessen werden. Dabei werden AuszĂŒge aus dem Archiv,
âNeben den Inhalten geht es um âDo-it-yourselfâ und âDo-it-togetherâ.â
das mittlerweile ĂŒber 2.000 Zines enthĂ€lt, prĂ€sentiert und diskutiert. Nach ersten Diskussionen geht es bereits in die Produktion. Diese Workshops wird Elke Zobl mit ihrem Team Ricarda DrĂŒeke und Stefanie GrĂŒnangerl selber durchfĂŒhren, aber auch andere, wie zum Beispiel eine Comic-KĂŒnstlerin, einladen. âWir haben etwa eine KĂŒnstlerin, die im Bereich âcraftvismâ, also Handarbeit und Aktivismus, tĂ€tig ist und tolle Projekte machtâ, sagt Zobl. Und fĂŒhrt weiter aus: âNeben den Inhalten geht es um âDo-it-yourselfâ und âDo-it-togetherâ.â Abgesehen von den Workshops ist das Team gerade dabei, eine âtoolboxâ fĂŒr Multiplikatorinnen und Multiplikatoren â also Lehrerinnen und Lehrer und Menschen, die in Jugend- und MĂ€dchenzentren tĂ€tig sind â zu erarbeiten. Eine Art âKofferâ, dessen Entwicklung selbst einen kĂŒnstlerischen Prozess darstellt. Er wird sowohl PrimĂ€rmaterialien enthalten, wie AuszĂŒge aus Zines oder Comics, anhand derer man Themen wie Schönheitsnormen oder alternative Vorstellungen des Lebens diskutieren kann, als auch Material darĂŒber, wie man selbst einen Workshop durchfĂŒhren kann.
Feminismen
Die jungen Frauen, die in âGrrrl Zinesâ involviert sind, sind meist sehr engagierte und sehr reflektierte junge Menschen. âDa gibt es keine einheitliche Definition von Feminismus, sondern wir sprechen von Feminismenâ, erklĂ€rt Zobl und fĂŒhrt weiter aus: âIn unserer Auseinandersetzung mit queer-feministischen Alternativmedien konnten wir drei Arten feministischer Diskurse analysieren: âDo-ityourself-Feminismusâ, intersektionelle Perspektiven, die sich auf verschrĂ€nkte Achsen von Diskriminierung fokussieren (beispielsweise als Frau, Migrantin und Lesbe) und drittens â vor allem im deutschsprachigen Bereich â den âPop-Feminismusâ. Zobl macht in gemischtgeschlechtlichen Schulklassen oft die Erfahrung, dass die erste Reaktion zum Thema Feminismus ist: Brauchen wir nicht, hatten wir schon. âWenn man aber in die Diskussion hineingeht, wird schnell klar, dass es nach wie vor Themen gibt wie das, dass Frauen gleich viel bezahlt bekommen solltenâ, erzĂ€hlt sie. Zu den Workshops nimmt Zobl eine mechanische Schreibmaschine mit â fĂŒr viele eine erste Attraktion â und Materialien zur Diskussion, dann geht es schnell zur Produktion. âDas ist ein ganz anderes Medium, als wenn man einen wissenschaftlichen Text hernimmt und ĂŒber ihn diskutiertâ, unterstreicht Zobl die Bedeutung dieser Art der Auseinandersetzung. âEs entsteht eine AtmosphĂ€re des Bastelns, des Experimentierens, des Sich-etwas-Zutrauensâ, beschreibt sie die GeschĂ€ftigkeit in solch einem Workshop.
Elke Zobl erhielt fĂŒr ihr Projekt âMaking Art, Making Media, Making Changeâ (www.makingart.at) einen der ersten sechs Wissenschaftskommunikationspreise des FWF. Sie studierte Bildnerische Erziehung, Germanistik, Gender Studies sowie Kunst- und Kulturwissenschaften in Salzburg, Wien und North Carolina und promovierte 2004 an der Akademie der Bildenden KĂŒnste in Wien. Nach einem Postdoc-Aufenthalt an der University of California in San Diego hatte sie eine Hertha-Firnberg-Stelle an der UniversitĂ€t Salzburg im Fachbereich Kommunikationswissenschaft. Seit 2011 ist sie Assistenzprofessorin in diesem Fachbereich und mit Schwerpunkt Wissenschaft und Kunst (âContemporary Arts and Cultural Productionâ). Zobl ist Mutter zweier Kinder.
Links
WissKomm-Programm des FWF
Hertha-Firnberg-Programm