Lichtquelle im Kofferformat für Quantencomputer
Licht nimmt in optischen Quantencomputern jene Rolle ein, die elektrischer Strom in konventionellen Computern spielt: Es transportiert Information zwischen Schaltkreisen. Doch während heutige Computer nur die Zustände „null“ und „eins“ kennen, lässt sich mit Licht auch eine Überlagerung der beiden Möglichkeiten darstellen. Quantencomputer können mit solchen Überlagerungszuständen rechnen und damit, so die Theorie, einen enormen Zuwachs an Rechenleistung erzielen. Doch ihre Herstellung und Beherrschung ist nach wie vor eine große Herausforderung – schon die kleinste Störung zerstört die sensiblen Quanteneffekte.
Besonders wichtig für Quantencomputer ist der Zustand der „Verschränkung“. Dabei können weit voneinander entfernte Objekte, etwa Lichtteilchen, miteinander verbunden bleiben, was Einstein einst verächtlich „spukhafte Fernwirkung“ nannte. Im Gebiet der Quantenoptik, wo an den Technologien für Quantencomputer geforscht wird, wird dieser von Einstein einst für unmöglich gehaltene Effekt längst ganz selbstverständlich für Experimente benutzt. Doch die Methoden zur Erzeugung verschränkter Teilchen hatten bisher verschiedene Nachteile, wie der Physiker Philip Walther von der Universität Wien erklärt. Seiner Gruppe gelang mit der Entwicklung einer neuen Lichtquelle im Rahmen eines vom Wissenschaftsfonds FWF finanzierten Projekts ein Durchbruch.
Geringe Verlässlichkeit
„Seit zwanzig, dreißig Jahren hat man Verschränkung erzeugt, indem man bestimmte Kristalle zu Hilfe nahm, die Licht manipulieren können. Ein blaues Lichtteilchen kann so in zwei rote geteilt werden“, erklärt Walther. Wenn man das geschickt mache, seien diese Teilchen am Ende der Prozedur miteinander verschränkt und könnten in Quantenexperimenten verwendet werden. Der Nachteil: „In einem Kristall entsteht aus vielen Milliarden Lichtteilchen nur ein einziges verschränktes Paar.“ Ein Problem für Quantencomputer, die einzelne Lichtteilchen prozessieren und dabei auch gezielt einzelne Photonen verschränken müssen, erklärt Walther. Es ging also darum, den Prozess der Erzeugung von Verschränkung effektiver zu machen.
Atome als Lösung
Erreichen lässt sich das, indem Lichtteilchen statt mit Kristallen mit einzelnen Atomen wechselwirken und dabei verschränkt werden. Unter bestimmten Voraussetzungen können einzelne Lichtteilchen mit den Elektronen in der Hülle des Atoms interagieren und dabei mit hoher Verlässlichkeit verschränkt werden. Die dazu erforderlichen Techniken sind allerdings anspruchsvoll, wie Walther betont: „Atome sind viel kleiner als die Wellenlänge des Lichts.“ Die Wahrscheinlichkeit, dass ein Lichtteilchen von einem Atom absorbiert wird, sei daher sehr gering. Um eine höhere Verlässlichkeit zu erreichen, arbeiten mehrere Gruppen weltweit an verschiedenen Techniken. „Eine Möglichkeit besteht darin, um das Atom herum Spiegel anzubringen und das Lichtteilchen darin einzufangen, damit es mehrere Male hin und her reflektiert wird und immer wieder auf das Atom trifft.“ So wird die Wahrscheinlichkeit der Aufnahme des Lichtteilchens erhöht. Ein Spezialist für solche Techniken zur Kopplung von Licht an Atome ist der Wiener Physiker Arno Rauschenbeutel, der seit Kurzem in Berlin forscht. Walther erkannte in Rauschenbeutels Spezialgebiet eine Möglichkeit zur Synergie mit seiner eigenen Arbeit, die es ihm erlauben könnte, mithilfe von Atomen einzelne Lichtteilchen zu verschränken.
Lichtteilchen in der richtigen Farbe
Dazu musste Walthers Gruppe Lichtteilchen mit der exakt richtigen Farbe bereitstellen, genau auf die Eigenschaften des Atoms abgestimmt, sodass die Atome das Licht aufnehmen würden. Traditionell wird in der Physik Licht mittels eines Glasprismas in seine einzelnen Farben zerlegt – vergleichbar mit dem Aufspalten von weißem Licht in einen Regenbogen. Doch dabei geht viel Licht verloren, wie Walther erklärt: „Wir versuchen absichtlich nicht, die richtige Wellenlänge nur herauszufiltern wie bei einem Prisma, weil man dabei viel Verlust hat. Unser Ziel war, einen Kristall zu zwingen, Lichtteilchen in genau der richtigen Farbe zu erzeugen.“ Walthers Versuchsaufbau ähnelt dabei jenem eines Lasers: Über Spiegel wird Licht immer wieder durch einen Kristall geschickt, der die gewünschten Lichtteilchen erzeugt, und so oft reflektiert, bis alle Lichtteilchen die richtige Farbe haben.
Transportabler Versuchsaufbau
Dieses im Vorfeld des Projekts gesteckte Ziel konnte Walthers Gruppe erreichen. Damit ist nun eine Lichtquelle gebaut worden, die atomare Systeme für die Erzeugung der Verschränkung nutzen kann. Das Design der Lichtquelle war so erfolgreich, dass verschiedene andere Forschungsgruppen Interesse an einer Kooperation anmeldeten. Dazu verkleinerte Walthers Gruppe den Versuchsaufbau, bis er auf eine Platte von einem Meter mal achtzig Zentimeter passte. „Wir haben uns das Limit gesetzt, den Aufbau auf die halbe Größe eines Schreibtischs zu reduzieren. Das haben wir geschafft“, sagt Walther stolz. Die Coronapandemie hat bisher den Transport der neuen Quelle für Lichtteilchen zu anderen Arbeitsgruppen verzögert, aber sobald es möglich ist, soll das Verfahren zuerst bei Ideengeber Arno Rauschenbeutel in Berlin eingesetzt werden, später dann auch bei anderen Gruppen, etwa dem Weizmann-Institut in Israel.
Zum Patent angemeldet
Der Erfolg hat Walthers Team zu einem in der Quantentechnologie ungewöhnlichen Schritt animiert: Das Verfahren wurde patentiert. „Gerade jetzt, wo immer mehr Firmen für Quantencomputer aus dem Boden sprießen, fanden wir den Gedanken sinnvoll, manche Sachen intellektuell schützen“, erklärt der Physiker seine Beweggründe.
Auch Walters Gruppe selbst arbeitet am Bau von Quantencomputern, derzeit aber noch von überschaubarer Größe, und wird die neue Technik dort einsetzen. Bessere Quantencomputer zu entwickeln sei aber nicht das Hauptziel. „Wir sind keine Ingenieure, die bisherige Konzepte nur besser und kleiner machen wollen“, betont Walther. „Wir schauen uns gern links und rechts des Weges Dinge an, die sonst noch niemand probiert hat.“ Das sei schließlich die Aufgabe von Grundlagenforschung.
Zur Person
Philip Walther ist Physiker an der Universität Wien und Leiter der Gruppe für Quantencomputing und Quanteninformationswissenschaft. Er interessiert sich für Quantentechnologie mit Photonen, Quantencomputing, Quantensimulation und die Schnittstelle zwischen Quantenphysik und Gravitation. Das internationale Projekt hatte eine Laufzeit von drei Jahren, mit einer einmaligen Verlängerung um ein halbes Jahr, und lief 2020 aus. Es wurde vom Wissenschaftsfonds FWF mit 380.000 Euro gefördert.
Publikationen
Moqanaki A., Massa F., Walther P.: Novel single-mode narrow-band photon source of high brightness tuned to cesium D2 line, in: APL Photonics, (9), 2019
Massa F., Moqanaki A., del Santo F., Dakic B., Walther P.: Experimental two-way communication with one photon, in: CLEO Pacific Rim Conference 2018, OSA Technical Digest (Optical Society of America, 2018)
Greganti C., Schiansky P., Calafell IA, Procopio LM, Rozema LA, Walther P.: Tuning single-photon sources for telecom multi-photon experiments, in: Optics express, 26(3), 2018
Laudenbach F., Jin R., Greganti C., Hentschel M., Walther P., Hübel H.: Numerical Investigation of Photon-Pair Generation in Periodically Poled M TiO X O 4 (M = K , Rb, Cs; X = P , As), in: Physical Review Applied Vol. 8, 2017