Der Physiker Philip Walther und sein Team nĂŒtzen in ihren Experimenten Arrangements von Linsen und Spiegeln, die auf Lochplatten montiert sind, um Licht prĂ€zise zu lenken und zu manipulieren. © Valeria Saggio/Uni Wien

Licht nimmt in optischen Quantencomputern jene Rolle ein, die elektrischer Strom in konventionellen Computern spielt: Es transportiert Information zwischen Schaltkreisen. Doch wĂ€hrend heutige Computer nur die ZustĂ€nde „null“ und „eins“ kennen, lĂ€sst sich mit Licht auch eine Überlagerung der beiden Möglichkeiten darstellen. Quantencomputer können mit solchen ÜberlagerungszustĂ€nden rechnen und damit, so die Theorie, einen enormen Zuwachs an Rechenleistung erzielen. Doch ihre Herstellung und Beherrschung ist nach wie vor eine große Herausforderung – schon die kleinste Störung zerstört die sensiblen Quanteneffekte.

Besonders wichtig fĂŒr Quantencomputer ist der Zustand der „VerschrĂ€nkung“. Dabei können weit voneinander entfernte Objekte, etwa Lichtteilchen, miteinander verbunden bleiben, was Einstein einst verĂ€chtlich „spukhafte Fernwirkung“ nannte. Im Gebiet der Quantenoptik, wo an den Technologien fĂŒr Quantencomputer geforscht wird, wird dieser von Einstein einst fĂŒr unmöglich gehaltene Effekt lĂ€ngst ganz selbstverstĂ€ndlich fĂŒr Experimente benutzt. Doch die Methoden zur Erzeugung verschrĂ€nkter Teilchen hatten bisher verschiedene Nachteile, wie der Physiker Philip Walther von der UniversitĂ€t Wien erklĂ€rt. Seiner Gruppe gelang mit der Entwicklung einer neuen Lichtquelle im Rahmen eines vom Wissenschaftsfonds FWF finanzierten Projekts ein Durchbruch.

Geringe VerlÀsslichkeit

„Seit zwanzig, dreißig Jahren hat man VerschrĂ€nkung erzeugt, indem man bestimmte Kristalle zu Hilfe nahm, die Licht manipulieren können. Ein blaues Lichtteilchen kann so in zwei rote geteilt werden“, erklĂ€rt Walther. Wenn man das geschickt mache, seien diese Teilchen am Ende der Prozedur miteinander verschrĂ€nkt und könnten in Quantenexperimenten verwendet werden. Der Nachteil: „In einem Kristall entsteht aus vielen Milliarden Lichtteilchen nur ein einziges verschrĂ€nktes Paar.“ Ein Problem fĂŒr Quantencomputer, die einzelne Lichtteilchen prozessieren und dabei auch gezielt einzelne Photonen verschrĂ€nken mĂŒssen, erklĂ€rt Walther. Es ging also darum, den Prozess der Erzeugung von VerschrĂ€nkung effektiver zu machen.

Atome als Lösung

Erreichen lĂ€sst sich das, indem Lichtteilchen statt mit Kristallen mit einzelnen Atomen wechselwirken und dabei verschrĂ€nkt werden. Unter bestimmten Voraussetzungen können einzelne Lichtteilchen mit den Elektronen in der HĂŒlle des Atoms interagieren und dabei mit hoher VerlĂ€sslichkeit verschrĂ€nkt werden. Die dazu erforderlichen Techniken sind allerdings anspruchsvoll, wie Walther betont: „Atome sind viel kleiner als die WellenlĂ€nge des Lichts.“ Die Wahrscheinlichkeit, dass ein Lichtteilchen von einem Atom absorbiert wird, sei daher sehr gering. Um eine höhere VerlĂ€sslichkeit zu erreichen, arbeiten mehrere Gruppen weltweit an verschiedenen Techniken. „Eine Möglichkeit besteht darin, um das Atom herum Spiegel anzubringen und das Lichtteilchen darin einzufangen, damit es mehrere Male hin und her reflektiert wird und immer wieder auf das Atom trifft.“ So wird die Wahrscheinlichkeit der Aufnahme des Lichtteilchens erhöht. Ein Spezialist fĂŒr solche Techniken zur Kopplung von Licht an Atome ist der Wiener Physiker Arno Rauschenbeutel, der seit Kurzem in Berlin forscht. Walther erkannte in Rauschenbeutels Spezialgebiet eine Möglichkeit zur Synergie mit seiner eigenen Arbeit, die es ihm erlauben könnte, mithilfe von Atomen einzelne Lichtteilchen zu verschrĂ€nken.

Lichtteilchen in der richtigen Farbe

Dazu musste Walthers Gruppe Lichtteilchen mit der exakt richtigen Farbe bereitstellen, genau auf die Eigenschaften des Atoms abgestimmt, sodass die Atome das Licht aufnehmen wĂŒrden. Traditionell wird in der Physik Licht mittels eines Glasprismas in seine einzelnen Farben zerlegt – vergleichbar mit dem Aufspalten von weißem Licht in einen Regenbogen. Doch dabei geht viel Licht verloren, wie Walther erklĂ€rt: „Wir versuchen absichtlich nicht, die richtige WellenlĂ€nge nur herauszufiltern wie bei einem Prisma, weil man dabei viel Verlust hat. Unser Ziel war, einen Kristall zu zwingen, Lichtteilchen in genau der richtigen Farbe zu erzeugen.“ Walthers Versuchsaufbau Ă€hnelt dabei jenem eines Lasers: Über Spiegel wird Licht immer wieder durch einen Kristall geschickt, der die gewĂŒnschten Lichtteilchen erzeugt, und so oft reflektiert, bis alle Lichtteilchen die richtige Farbe haben.

Transportabler Versuchsaufbau

Dieses im Vorfeld des Projekts gesteckte Ziel konnte Walthers Gruppe erreichen. Damit ist nun eine Lichtquelle gebaut worden, die atomare Systeme fĂŒr die Erzeugung der VerschrĂ€nkung nutzen kann. Das Design der Lichtquelle war so erfolgreich, dass verschiedene andere Forschungsgruppen Interesse an einer Kooperation anmeldeten. Dazu verkleinerte Walthers Gruppe den Versuchsaufbau, bis er auf eine Platte von einem Meter mal achtzig Zentimeter passte. „Wir haben uns das Limit gesetzt, den Aufbau auf die halbe GrĂ¶ĂŸe eines Schreibtischs zu reduzieren. Das haben wir geschafft“, sagt Walther stolz. Die Coronapandemie hat bisher den Transport der neuen Quelle fĂŒr Lichtteilchen zu anderen Arbeitsgruppen verzögert, aber sobald es möglich ist, soll das Verfahren zuerst bei Ideengeber Arno Rauschenbeutel in Berlin eingesetzt werden, spĂ€ter dann auch bei anderen Gruppen, etwa dem Weizmann-Institut in Israel.

Zum Patent angemeldet

Der Erfolg hat Walthers Team zu einem in der Quantentechnologie ungewöhnlichen Schritt animiert: Das Verfahren wurde patentiert. „Gerade jetzt, wo immer mehr Firmen fĂŒr Quantencomputer aus dem Boden sprießen, fanden wir den Gedanken sinnvoll, manche Sachen intellektuell schĂŒtzen“, erklĂ€rt der Physiker seine BeweggrĂŒnde.

Auch Walters Gruppe selbst arbeitet am Bau von Quantencomputern, derzeit aber noch von ĂŒberschaubarer GrĂ¶ĂŸe, und wird die neue Technik dort einsetzen. Bessere Quantencomputer zu entwickeln sei aber nicht das Hauptziel. „Wir sind keine Ingenieure, die bisherige Konzepte nur besser und kleiner machen wollen“, betont Walther. „Wir schauen uns gern links und rechts des Weges Dinge an, die sonst noch niemand probiert hat.“ Das sei schließlich die Aufgabe von Grundlagenforschung.


Zur Person

Philip Walther ist Physiker an der UniversitĂ€t Wien und Leiter der Gruppe fĂŒr Quantencomputing und Quanteninformationswissenschaft. Er interessiert sich fĂŒr Quantentechnologie mit Photonen, Quantencomputing, Quantensimulation und die Schnittstelle zwischen Quantenphysik und Gravitation. Das internationale Projekt hatte eine Laufzeit von drei Jahren, mit einer einmaligen VerlĂ€ngerung um ein halbes Jahr, und lief 2020 aus. Es wurde vom Wissenschaftsfonds FWF mit 380.000 Euro gefördert.


Publikationen

Moqanaki A., Massa F., Walther P.: Novel single-mode narrow-band photon source of high brightness tuned to cesium D2 line, in: APL Photonics, (9), 2019

Massa F., Moqanaki A., del Santo F., Dakic B., Walther P.: Experimental two-way communication with one photon, in: CLEO Pacific Rim Conference 2018, OSA Technical Digest (Optical Society of America, 2018)

Greganti C., Schiansky P., Calafell IA, Procopio LM, Rozema LA, Walther P.: Tuning single-photon sources for telecom multi-photon experiments, in: Optics express, 26(3), 2018

Laudenbach F., Jin R., Greganti C., Hentschel M., Walther P., HĂŒbel H.: Numerical Investigation of Photon-Pair Generation in Periodically Poled M TiO X O 4 (M = K , Rb, Cs; X = P , As), in: Physical Review Applied Vol. 8, 2017