Ältere Frau mit Kuzhaarfrisur und blauem Pullover sitzt nachdenklich am Tisch, auf dem ein Blutdruckmessgerät und Medikamente liegen
In Österreich sind rund 300.000 Menschen von Herzinsuffizienz betroffen. Atemnot, Müdigkeit oder Bluthochdruck sind typische Symptome, die in höherem Alter auftreten. © unsplash+

Müdigkeit, Atemnot, geschwollene Beine: Symptome dieser Art können auf akute Herzschwäche hinweisen. Die Herzleistung ist dabei so stark vermindert, dass der Körper nicht mehr ausreichend mit Sauerstoff und Nährstoffen versorgt wird. Die Erkrankung wird landläufig oft automatisch mit einer verminderten Pumpleistung des Herzens in Zusammenhang gebracht. Doch das muss nicht der Fall sein. Gerade bei älteren Menschen ist die sogenannte Herzinsuffizienz mit erhaltener Auswurffraktion (HFpEF) die häufigere Erkrankung. Dabei funktioniert die Kontraktion durchaus noch genügend gut, doch der Herzmuskel ist zu steif, um sich noch im erforderlichen Ausmaß mit Blut zu füllen. Im Gegensatz zur verminderten Pumpleistung sind wirksame Therapien bei dieser Variante der Herzschwäche aber unzureichend.

Mahmoud Abdellatif möchte das ändern. Der Kardiologe ist auf Alterungsprozesse im Herz-Kreislauf-System spezialisiert und leitet an der Medizinischen Universität Graz eine Arbeitsgruppe, die auch Teil des auf Alterserkrankungen spezialisierten FWF-Exzellenzclusters MetAGE ist. Im Projekt „Ener-LIGHT“, das vom Wissenschaftsfonds FWF gefördert wird, suchen er und sein Team gemeinsam mit Forschungspartner:innen in den Niederlanden, Frankreich und Spanien nach neuen Behandlungsansätzen für diese Art der Herzschwäche.

„Im Zentrum unseres Interesses steht die zelluläre Qualitätskontrolle – die sogenannte Autophagie“, schildert Abdellatif. „Sie sorgt dafür, dass beschädigte Zellteile aufgespalten und recycelt werden – in neue Proteine, Organellen oder zur Versorgung der Zellen mit Energie. Wir möchten verstehen, wie dieser Prozess reguliert wird – mit dem Ziel, einen Mechanismus zu finden, der ihn im alternden schwächelnden Herzen neu aktivieren kann.“ Der gesellschaftliche Nutzen eines neuen Behandlungsansatzes wäre kaum zu überschätzen: Laut Schätzungen sind allein in Österreich etwa 150.000 Menschen an HFpEF erkrankt.

Das Projekt

Der Kardiologe Mahmoud Abdellatif ist auf Alterungsprozesse im Herz-Kreislauf-System spezialisiert. Gemeinsam mit internationalen Forscher:innen sucht er im FWF-geförderten Projekt „Ener-LIGHT“ nach neuen und viel versprechenden Ansätzen für Herzschwäche.

Herzzellen überdauern das ganze Leben

Die Entstehung der Erkrankung ist eng mit der besonderen Beschaffenheit der Herzzellen – auch Kardiomyozyten genannt – verknüpft. Während sich viele andere Körperzellen oft teilen, um schadhaftes Gewebe zu reparieren, passiert das im Herzmuskel nur in einem sehr überschaubaren Ausmaß. Weit weniger als 50 Prozent der Kardiomyozyten teilen sich einmal im Leben, die meisten bleiben ein ganzes Leben lang bestehen. „Weil sie sich kaum vermehren können, sind die Herzzellen auf eine gute Instandhaltung angewiesen“, veranschaulicht Abdellatif. „Doch die Autophagie der Kardiomyozyten lässt im Alterungsprozess nach. Übergewicht, Bluthochdruck oder Nierenerkrankungen kommen als weitere Risikofaktoren dazu.“ Durch Zellalterung, verminderte Autophagie, chronische Entzündungen und weitere Faktoren sterben Herzzellen ab, und es lagert sich immer mehr Bindegewebe im Herzmuskel ab – was zu Steifheit und der gestörten Fähigkeit des Herzens, sich mit Blut zu füllen, führt.

Abdellatif hat in der Vergangenheit schon an einigen Wirkstoffen geforscht, die die Autophagie in den Herzzellen positiv beeinflussen können, darunter die zelluläre Eigensubstanz Spermidin oder Nicotinamid, die auch als Vitamin B3 bekannt ist. „Bei diesen Substanzen gibt es vielversprechende Resultate“, erklärt der Kardiologe. „Doch das Problem ist, dass sie alle in Prozesse der Zelle oder sogar des Zellkerns eingreifen, um die Autophagie anzustoßen. Dabei können sie auch Effekte auslösen, die nicht spezifisch oder erwünscht sind, was die Übertragung der Erkenntnisse in eine Therapie erschweren könnte.“

Ansatzpunkte außerhalb der Herzzellen

Deshalb gehen Abdellatif und Team im Projekt „Ener-LIGHT“ grundsätzlich neue Wege. „Wir suchen außerhalb der Zellen im Blutkreislauf nach Einflussgebern für die Autophagie in den Herzzellen“, betont der Wissenschaftler. „Wenn es gelingt, auf extrazelluläre Faktoren dieser Art einzuwirken, müssen wir keine Wirkstoffe mehr in die Zelle bringen – und das könnte die Verträglichkeit der therapeutischen Eingriffe stark verbessern.“ Gleichzeitig scannen die Forschenden die Blutinhaltsstoffe auch nach Biomarkern, die Auskunft über Zustand, Autophagie und Stoffwechsel in Herzzellen geben können.

Die Forschenden, die im Projekt einen präklinischen und klinischen Ansatz kombinieren, greifen auf eine Vielzahl von Methoden zurück, um die gesuchten Autophagie-modulierenden Ziele zu entdecken, passende Wirkstoffe zu entwickeln und diese zu testen. Die internationalen Teams bringen dabei ihre multidisziplinäre Expertise in den Bereichen experimenteller und klinischer Kardiologie, Zellbiologie und Immunologie ein. Daten werden aus Blut- und Herzgewebeproben extrahiert und mit jenen gesunder Patient:innen verglichen. Wirkstoffprototypen werden mit molekularbiologischen Werkzeugen geschaffen und in Zellkulturen und Tiermodellen erprobt.

Vielversprechende Ergebnisse

Erste Resultate im Projekt identifizieren auch bereits einen Zielkandidaten, anhand dessen man die Zellreinigung im Herzen ansprechen könnte. „Ein bestimmtes Protein, das an aktivierte Fettsäuren bindet und eine wichtige Funktion in der zellulären Energieversorgung einnimmt, hat sich als vielversprechender Faktor erwiesen“, skizziert Abdellatif. „Blockieren wir das Protein, etwa mit Antikörpern oder einer genetischen Ausschaltung, ist es möglich, die Autophagie im Herzen zu reaktiveren. Im Moment untersuchen wir, ob dieser Mechanismus auch tatsächlich vor der Entstehung von Herzinsuffizienz mit erhaltener Auswurffraktion bewahrt.“

Wenn die Forschungen erfolgreich verlaufen, wäre das auch eine gute Nachricht für die Behandlung weiterer Leiden, in denen die Autophagie eine Rolle spielt. Abdellatif hebt den Bereich der neurodegenerativen Erkrankungen hervor: „Wie Herzzellen können auch Neuronen kaum ersetzt werden, weil ihnen die Fähigkeit zur Teilung fehlt“, sagt der Wissenschaftler. „Deshalb bestehen in diesem Bereich große Erwartungen, dass eine Aktivierung der Autophagie auch Krankheiten wie Demenz hinauszögern kann.“ Aber auch bei Stoffwechselerkrankungen und bestimmten Formen von Übergewicht könnten die Erkenntnisse neue Forschungswege eröffnen. Die Hoffnung besteht, dass mit der Aktivierung der zellulären Qualitätskontrolle ein wesentlicher Beitrag zu einem gesünderen Altern geleistet werden kann.

Zur Person

Mahmoud Abdellatif ist Assistenzprofessor für Kardiovaskuläres Altern in der Abteilung für Kardiologie der Medizinischen Universität Graz. Seit 2022 führt Abdellatif eine eigene Forschungsgruppe am Universitären Herzzentrum des Klinikum Graz, die auch Teil des vom Wissenschaftsfonds FWF geförderten Exzellenzclusters „Metabolic Control of Aging and Disease“ (MetAGE) ist.

Abdellatif wurde bereits mehrfach für seine Arbeiten ausgezeichnet – unter anderem mit dem Elisabeth-Lutz-Preis der ÖAW, dem Oskar-Lapp-Forschungspreis der Deutschen Gesellschaft für Kardiologie oder dem Guido Tarone Award der Heart Failure Association der European Society of Cardiology. Das von 2024 bis 2027 laufende internationale Projekt „Ener-LIGHT“ wird vom FWF im mit 418.000 Euro unterstützt.

Publikationen

Autophagy is required for the therapeutic effects of the NAD+ precursor nicotinamide in obesity-related heart failure with preserved ejection fraction, in: European Heart Journal 2025

Inhibition of Adipose Tissue Lipolysis Treats Obesity-Related HFpEF, in: Circulation Research, May 2025

Mechano-energetic uncoupling in heart failure, in: Nature Reviews Cardiology 2025

Obesity accelerates cardiovascular ageing, in: European Heart Journal 2025

Spermidine is essential for fasting-mediated autophagy and longevity, in: Nature Cell Biology, Sep. 2024