KreativitĂ€t im FuĂball nun messbar

AlltagsgegenstĂ€nde wie etwa eine Konservendose sind vielfĂ€ltig nutzbar. Welche Ideen einem dazu in den Sinn kommen, wird in einem klassischen KreativitĂ€tstest, dem âungewöhnlichen Verwendungstestâ erfasst. Obwohl dieser Test gut erprobt und einfach umzusetzen ist, hat er einen Haken: Der Alltagsbezug fehlt. âWenn ich dabei gut abschneide, was sagt das ĂŒber meine KreativitĂ€t in speziellen Situationen im realen Leben aus?â, kritisiert der Psychologe und Neurowissenschafter Andreas Fink vom Institut fĂŒr Psychologie der UniversitĂ€t Graz.
Schon seit Jahren wird dort das Forschungsfeld KreativitĂ€t und Neurowissenschaft aufgebaut. Gemeinsam mit Daniel Memmert von der Deutschen Sporthochschule Köln entstand die Idee, die GehirnaktivitĂ€ten von FuĂballerinnen und FuĂballern zu messen, wenn sie sich eine kreative Lösung im Spielverlauf ausdenken. Im Forschungsprojekt âNeuronale Mechanismen kreativer Lösungen in komplexen Aufgabenstellungenâ, das vom Wissenschaftsfonds FWF und der Deutschen Forschungsgemeinschaft gefördert wurde, entwickelten sie nun neue, spezifische Aufgaben, um das KreativitĂ€tspotenzial im FuĂballsport messbar zu machen.
Erweitertes Bild von KreativitÀt
âFuĂballerinnen und FuĂballer sind heute physisch sehr gut trainiert und in Sachen Fitness und Konstitution gibt es kaum Unterschiede. Um sich einen Wettbewerbsvorteil zu verschaffen, ist daher KreativitĂ€t sehr wichtig. Dabei geht es darum, originelle, ĂŒberraschende und neuartige Lösungen zu entwickeln und erfolgreich umzusetzenâ, erklĂ€rt Fink. Will man KreativitĂ€t beobachten, nĂŒtzen Forschende heute oft Methoden wie die Elektroenzephalografie (EEG), womit die elektrische AktivitĂ€t im Gehirn mess- und grafisch darstellbar wird, und die Funktionelle Magnetresonanztomografie (fMRT), die die Gewebsdurchblutung sichtbar macht.
Ăberlegt sich eine Testperson nun eine kreative Lösung fĂŒr ein Problem, kommt es zu charakteristischen GehirnaktivitĂ€ten. So ist etwa belegt, dass Zunahmen der elektrischen AktivitĂ€t des Gehirns im Frequenzbereich zwischen 8 und 12 Hertz, auch âEEG-Alpha-AktivitĂ€tâ genannt, bei KreativitĂ€t eine groĂe Rolle spielen. Im Alltag bedeutet dies: Man schottet sich von störenden EinflĂŒssen ab, ist nach innen gerichtet und höchst konzentriert. âIm FuĂballsport ist es jedoch enorm wichtig, das ganze Rundherum wahrzunehmen und einflieĂen zu lassen. Man benötigt also eine gegenteilige Denkrichtung, um kreativ zu sein. Das war fĂŒr uns ĂŒberraschendâ, so der Forscher. Je nachdem, um welchen Bereich es sich handelt, werden bei KreativitĂ€t offenbar spezifische Aktivierungsmuster im Gehirn aktiv â die Zunahmen der EEG-Alpha-AktivitĂ€t sind also nicht die alleinige Grundlage.
Komplexe Aufgaben im Scanner
Auf der Suche nach Aussagen ĂŒber das echte Leben, der sogenannten âökologischen ValiditĂ€tâ, hat man laut Fink den Schritt gewagt, nach neuen Möglichkeiten zu suchen, um KreativitĂ€t in alltagsnĂ€heren Bereichen zu erforschen und in den Scanner reinzubringen. Die Grundlage von insgesamt vier Studien bildeten kurze Videosequenzen von Spielsituationen, die nach maximal 12 Sekunden gestoppt wurden. Die rund 150 Testpersonen vom HobbyfuĂball bis zur Bundesliga bei den Frauen sollten den Spielzug gedanklich fortsetzen und danach verbal beschreiben.
Mittels fMRT und EEG wurde die Denkzeit analysiert und verglichen, wie sich die GehirnaktivitĂ€ten bei kreativen und weniger kreativen EinfĂ€llen unterscheiden. Im Vorfeld war es zudem sehr wichtig, sich etwa genau zu ĂŒberlegen, welche und wie viele Aufgaben geeignet sind oder wie die Testpersonen vorbereitet werden mĂŒssen. âDie Laborsituation ist weit weg von dem, wie man sonst kreativ ist. Man liegt am RĂŒcken im Scanner, der Kopf ist fixiert, damit die Bilder scharf sind und dann soll man auf Knopfdruck kreativ seinâ, erklĂ€rt der Psychologe die Herausforderung der KreativitĂ€tsforschung.
KreativitÀt ist Erfolgsfaktor
Die durchgefĂŒhrten Studien zeigten, dass je nach Bereich der KreativitĂ€t spezifische Denkprozesse aktiv sind. Im FuĂball sind das eine sehr gute visuelle Informationsverarbeitung, sprich Mitspielende und nĂ€chste SpielzĂŒge erkennen und einschĂ€tzen können, oder sich BewegungsablĂ€ufe gedanklich vorstellen zu können; zwischen Frauen und MĂ€nnern waren hier keine Unterschiede erkennbar. Die FĂ€higkeit zur mentalen Simulation, also Lösungsmöglichkeiten gedanklich durchspielen und Gedanken ordnen, typische Denkschemata unterdrĂŒcken und Bestehendes hinterfragen zu können sowie eigene Ideen zu bewerten, zĂ€hlen zudem zu den Grundlagen von KreativitĂ€t, bei der generell etliche Denkprozesse zusammenwirken.
In der KreativitĂ€tsforschung, die in den vergangenen Jahren groĂe Fortschritte machte, geht es heute vermehrt um ErklĂ€rungssuche. âUm die komplexen PhĂ€nomene sinnvoll zu untersuchen, mĂŒssten Disziplinen viel stĂ€rker zusammenarbeiten. Was im Gehirn passiert, können wir aber vermutlich nie ganz entschlĂŒsselnâ, betont der Wissenschafter. Im FuĂballsport zĂ€hlen jedenfalls nicht nur Technik, Erfahrung, Wissen und physische Kraft â, sondern vor allem auch KreativitĂ€t. Wie gut jemand darin wirklich ist, lĂ€sst sich mit den neuen Aufgaben nun auch realitĂ€tsnah im Labor testen.
Zur Person
Andreas Fink ist Psychologe und Neurowissenschaftler am Institut fĂŒr Psychologie der Karl-Franzens-UniversitĂ€t Graz. Er erforscht unter anderem die ZusammenhĂ€nge von GehirnaktivitĂ€ten und kognitiven FĂ€higkeiten wie der KreativitĂ€t. AuĂerdem beschĂ€ftigt er sich mit der Beziehung zwischen Sport und Gehirn.
Publikationen
Fink, A., Rominger, C., Benedek, M., Perchtold, C. et al.: EEG alpha activity during imagining creative moves in soccer decision-making situations, in: Neuropsychologia, 114, 2018
Fink, A., Bay, J.U., Koschutnig, K. et al.: Brain and soccer: Functional patterns of brain activity during the generation of creative moves in real soccer decision-making situations, in: Human Brain Mapping, 40, 2018
Kempe, M., & Memmert, D.: âGood, better, creativeâ: the influence of creativity on goal scoring in elite soccer, in: Journal of Sports Sciences, 36 (21), 2018