Bilaterale Steuerabkommen erlauben es Konzernen, Steuerzahlungen drastisch zu reduzieren. Ein Projekt des Wissenschaftsfonds FWF analysiert Möglichkeiten dies zu vermeiden. © Shutterstock.com/beeboys

Bürgerinnen und Bürger zahlen ebenso ungern Steuern wie internationale Konzerne. Letztere versuchen diese ganz legal zu vermeiden, zum Beispiel indem sie sich Doppelbesteuerungsabkommen zunutze machen. Diese bilateralen Staatsverträge werden abgeschlossen, um eine mehrfache Besteuerung von Einkünften zu vermeiden. Das wird zwar auch weitestgehend erreicht, doch gleichzeitig ergeben sich dadurch auch Situationen, die zu einer doppelten Nichtbesteuerung führen. Einkünfte werden dann in keinem der Vertragsstaaten mehr besteuert. Ein Projekt des Wissenschaftsfonds FWF befasst sich mit diesem Phänomen und analysiert Möglichkeiten, Steuergesetze zu optimieren, um solche Situationen zu vermeiden.

To tax or not to tax?

Eine aktuelle Publikation des Projekts wurde unlängst von der International Fiscal Association (IFA) ausgezeichnet. Die IFA ist eine weltweit tätige Vereinigung zur Förderung des internationalen Steuerrechts. Die darin enthaltenen Erkenntnisse bringt Michael Lang, Leiter des FWF-Projekts und Vorstand des Instituts für Österreichisches und Internationales Steuerrecht an der Wirtschaftsuniversität (WU) Wien, auf den Punkt: „Christoph Marchgraber konnte zeigen, dass die Umsetzung einer aktuellen Empfehlung der EU-Kommission zur Vermeidung der doppelten Nichtbesteuerung mehr Schaden als Gutes bewirken könnte.“ Zunächst scheint die als „Subject-to-tax“-Klausel bezeichnete Empfehlung der Kommission einleuchtend: Doppelbesteuerungsabkommen sollen dafür sorgen, dass Einkünfte nicht mehrfach, zumindest aber in einem der Vertragsstaaten besteuert werden.

Stein der Weisen oder Schwert des Damokles?

Was wie der Stein der Weisen zur Vermeidung sowohl der Doppel- als auch der Nichtbesteuerung klingt, entpuppt sich bei näherer Betrachtung jedoch als Damoklesschwert. Wie Christoph Marchgraber in seiner Publikation darlegt, steckt der Teufel nämlich im Detail. Die Empfehlung erfasse nicht – wie beabsichtigt – nur die Steuervermeidungsstrategien internationaler Konzerne, sondern könnte auch Bürgerinnen und Bürger betreffen, die „unverhofft“ in den Genuss eines Steuervorteils kommen. Laut Marchgraber ist es nicht absehbar, welche Fälle von der vorgeschlagenen Regelung betroffen wären: „Wenngleich es nicht die Intention der Europäischen Kommission sein mag, könnte eine Umsetzung der Empfehlung die steuerpolitischen Möglichkeiten der Mitgliedstaaten massiv einschränken.“

„Wenngleich es nicht die Intention der Europäischen Kommission sein mag, eine Umsetzung der Empfehlung könnte die steuerpolitischen Möglichkeiten der Mitgliedstaaten massiv einschränken.“ Christoph Marchgraber

Steuer- oder Narrenfreiheit?

Ungelöst ist laut Marchgraber etwa die Situation, wenn beide Vertragsstaaten glauben, die „Subject-to-tax“-Klausel anwenden zu müssen. In diesem Fall könnten sich beide Staaten veranlasst sehen, Steuern zu erheben; eine Doppelbesteuerung wäre die Folge. Ebenso denkbar wäre aber eine doppelte Nichtbesteuerung, wenn beide Staaten den jeweils anderen Staat in der Pflicht sehen, Steuern zu erheben. „Natürlich könnte dieser Interessenskonflikt durch bilaterale Gespräche einvernehmlich gelöst werden“, sagt Marchgraber, „doch wurde diese Möglichkeit von vielen Staaten bisher nur selten erfolgreich genutzt.“

Gesicherte Grundlagen für gute Gesetze

Marchgrabers Expertise zu diesem Thema kommt nicht von ungefähr. Seit dem Jahr 2013 analysiert der Wissenschafter der WU Wien im Rahmen des FWF-Projekts das Phänomen der doppelten Nichtbesteuerung. Zu den Inhalten des Projekts erklärt dessen Leiter Michael Lang: „Eine grundsätzliche Frage, mit der wir uns befassen, ist, inwiefern das Ziel der Vermeidung doppelter Nichtbesteuerung rechtlich überhaupt relevant ist.“ Zu diesem Zweck werden Regelungen und Empfehlungen der OECD und der EU untersucht, die eine doppelte Nichtbesteuerung verhindern sollen. Basierend darauf werden rechtliche Grundlagen erarbeitet, die helfen sollen, eine doppelte Nichtbesteuerung zu vermeiden. Die Fragen, mit denen sich ein internationales Team rund um Lang und Marchgraber befasst, sind von hoher Bedeutung. Denn tatsächlich wächst der Druck auf internationale Konzerne, ihr Steuergebaren anzupassen. Derzeit mangelt es allerdings noch an passenden gesetzlichen Regelungen. Die Ergebnisse dieses FWF-Projekts sollen dazu beitragen, dieses Problem zu lösen.

Zu den Personen

Michael Lang ist Universitätsprofessor für Finanzrecht mit Schwerpunkt Internationales Steuerrecht an der WU Wien und Vizerektor für Personal. Er gilt als internationaler Experte für Doppelbesteuerungsabkommen und ist gefragter Berater internationaler Wirtschaftsprüfungsorganisationen. Lang ist Leiter des FWF-Projekts „Doppelte Nicht-Besteuerung“ (2013-2016) und Sprecher des FWF-Doktorandenkollegs „International Business Taxation“.

Christoph Marchgraber ist wissenschaftlicher Mitarbeiter (Post-Doc) und Lehrbeauftragter am Institut für Österreichisches und Internationales Steuerrecht der WU Wien. Der Experte für Wirtschaftsrecht hat sich auf Steuerrecht und Steuerpolitik spezialisiert.