Jagd auf FĂ€kal-Bakterien in Wasser
2015 formulierten die Vereinten Nationen 17 Ziele fĂŒr eine nachhaltige Entwicklung der Welt. Eines davon sieht vor, allen Menschen Zugang zu sauberem Wasser zu ermöglichen. Derzeit ist das Wasser von mindestens 1,8 Milliarden Menschen mit FĂ€kalien verunreinigt. Die Folgen können schwere Krankheiten wie Cholera sein â etwa 500.000 Menschen erkranken jĂ€hrlich an den Folgen von verunreinigtem Wasser. Bis 2030 soll das Problem gelöst werden. Oft ist es allerdings schwierig, die richtigen MaĂnahmen zu setzen, weil die Quelle der Verunreinigung mit den derzeitigen Tests nicht feststellbar ist. In einem vom Wissenschaftsfonds FWF finanzierten Projekt forscht eine Gruppe um Andreas Farnleitner von der Technischen UniversitĂ€t Wien und der Karl Landsteiner PrivatuniversitĂ€t fĂŒr Gesundheitswissenschaften in Krems an genaueren und schnelleren Analysemethoden fĂŒr Wasser, die das Ă€ndern sollen.
Eine ĂŒber hundert Jahre alte Methode
âDer Nachweis von FĂ€kalien in Wasser basiert seit ĂŒber 120 Jahren auf dem Darmbakterium Escherichia coli. Es lebt im Darm von Tier und Mensch und lĂ€sst sich relativ leicht im Wasser detektierenâ, sagt Farnleitner im GesprĂ€ch mit scilog. âDazu filtriert man das Wasser und legt den Filter auf einen NĂ€hrboden. Falls Escherichia coli vorhanden ist, beginnt es zu wachsen und bildet nach einem Tag gut sichtbare Kolonien. Das ist die traditionelle Methode, an der sich alle Normen weltweit orientieren.â Diese essenzielle Standardmethodik sei aber in die Jahre gekommen, so Farnleitner. âEinerseits sagt uns der Nachweis nicht, woher die Belastung kommt. Stammt sie von Tier oder Mensch? Von Nutztieren oder von Wildtieren? Heutzutage möchte man auĂerdem eine Aussage ĂŒber das Gesundheitsrisiko treffen.â Escherichia coli selbst ist harmlos, und nicht in allen FĂ€kalien sind gefĂ€hrliche Krankheitserreger enthalten. âWir brauchen Methoden um zu beurteilen, welche Arten von Krankheitserregern vorkommen könnenâ, erklĂ€rt Farnleitner.
FĂ€kalbakterien anhand ihrer DNA nachweisen
In mehreren vom FWF finanzierten Projekten forscht Farnleitner an neuen Nachweisverfahren fĂŒr mikrobiologische FĂ€kalverschmutzungen in Wasser. Er konzentriert sich dabei auf Populationen von Darmbakterien, die bisher nicht nachweisbar waren, sogenannten âwirtsassoziierten abundanten Bakterienâ. âEscherichia-coli-Bakterien sind eigentlich ZaungĂ€ste im Darm. Andere Bakterien sind um mehrere GröĂenordnungen hĂ€ufiger, aber im Gegensatz zu Escherichia coli mittels Standardverfahren nicht kultivierbar.â TatsĂ€chlich ist es jedoch möglich, diese Bakterien direkt anhand ihrer DNA nachzuweisen. âIm Prinzip kann man es sich ein wenig so vorstellen wie in der DNA-Analyse bei der Verbrecherjagd. Wir analysieren die DNA von fĂŒr uns relevanten FĂ€kalbakterien.â Welche Bakterien fĂŒr eine solche Analyse relevant sind, wird in einem aktuellen FWF-Projekt untersucht. Dazu analysiert Farnleitner die FĂ€kalien von unterschiedlichsten Wild- und Haustieren, darunter neben bekannten Nutztieren auch Vögel, Reptilien, Amphibien und Fische sowie Proben von Böden, um eine Datenbank der dort vorkommenden Mikroorganismen zu erstellen. âWir haben so eine FĂ€kaldatenbank aufgebaut, die mittlerweile Ausscheidungen von ĂŒber 450 unterschiedlichen Tieren enthĂ€lt, um erstmalig einen Eindruck von der DiversitĂ€t und dem Unterschied der Bakterienpopulationen zwischen den verschiedenen FĂ€kal-Kontaminationsquellen zu haben.â Bei den weltweit durchgefĂŒhrten Probenahmen halfen TierĂ€rzte rund um das Team von Chris Walzer und Gabrielle Stalder der UniversitĂ€t fĂŒr VeterinĂ€rmedizin in Wien.
23 Millionen DNA-Sequenzen
Das Unterscheiden von Tiergruppen anhand ihrer FĂ€kalbakterien stellt die Forschungsgruppen vor neue Herausforderungen: âDas ist komplexer, als wir uns das vorgestellt haben. Ein erstes Ergebnis ist, dass sich die WiederkĂ€uer-FĂ€kalien von anderen stark unterscheiden. Das war zu erwarten, weil der Verdauungsapparat anders funktioniert. Es ist schön zu sehen, dass sich das in der Darm-Mikroflora widerspiegelt.â Hier geht es unter anderem um Fragen wie jene der âCo-Evolutionâ. Manche Darmbakterien haben sich gemeinsam mit dem Wirtsorganismus entwickelt und sind fĂŒr diesen typisch. Sie sind wie ein Fingerabdruck fĂŒr die jeweilige Tiergruppe. Genau danach sucht Farnleitners Team. Bislang hat man 23 Millionen DNA-Sequenzen analysiert â eine Menge, die eine Herausforderung fĂŒr aktuelle Bioinformatik-Methoden darstellt. FederfĂŒhrend bei der Sequenzanalyse ist der Molekularbiologe Georg Reischer, unterstĂŒtzt von Ruth Ley am Max-Planck-Institut in TĂŒbingen. âZukĂŒnftig werden damit Feld- und Schnell-Nachweis-Verfahren möglich sein, die drauĂen im Freien funktionieren, mit simplen Mitteln. Die Entwicklung solcher intelligenten Nachweistools wird zurzeit weltweit vorangetriebenâ, sagt Farnleitner. âVor zehn Jahren hat ein Wettrennen eingesetzt, ausgehend von den USA, wo es neue gesetzliche Regelungen gibt. Wer dort Probleme mit der WasserqualitĂ€t hat, muss auch sagen, woher sie kommen. Diese Entwicklung wird die WasserqualitĂ€tsanalyse revolutionierenâ, so Farnleitner. Man habe nun die Möglichkeit, nach fast 150 Jahren einen Schritt weiterzugehen.
Zur Person Andreas Farnleitner ist Mikrobiologe und Toxikologe am Institut fĂŒr Verfahrenstechnik, Umwelttechnik und Technische Biowissenschaften der Technischen UniversitĂ€t (TU) Wien und der Karl Landsteiner PrivatuniversitĂ€t fĂŒr Gesundheitswissenschaften in Krems (KL). Er leitet des InteruniversitĂ€re Kooperationszentrum fĂŒr Water & Health an der TU Wien, zu dem die MedUni Wien und die KL Krems als Kooperationspartner gehören. Farnleitner interessiert sich fĂŒr Molekulare Diagnostik und Mikrobielle Ăkologie. InterdisziplinĂ€re Forschung betreibt er innerhalb des FWF-Doktorats-Programms Water Resource Systems.
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