Im Silicon Valley der Mittelalterforschung
Neue Erkenntnisse auf dem Gebiet der Mediävistik zu erarbeiten, bedeutet in erster Linie, die Quellen des Mittelalters zu erforschen. Neben den entsprechenden Fach- und Sprachkenntnissen sowie Kompetenzen im Bereich der Historischen Hilfswissenschaften, die zum Equipment von Mediävistinnen und Mediävisten gehören, sind es vor allem zwei Dinge, ohne die eine fundierte Erforschung des Mittelalters unmöglich wäre: Bestausgestattete Bibliotheken mit allen Hilfsmitteln der Mediävistik, sowie die Bereicherung der eigenen Disziplin durch ein lebendiges, neugieriges, interdisziplinäres Forschungsumfeld. Ich habe daher bei der Wahl der ausländischen Forschungsstätten im Rahmen meines Schrödinger-Stipendiums hoch angesetzt und Kontakte zu zwei Standorten geknüpft, die das „Silicon Valley der Mediävistik“ sind.
Exzellente Umfelder im amerikanischen Midwest …
Als Visiting Researcher verbrachte ich das erste der beiden Auslandsjahre am Medieval Institute der University of Notre Dame in Indiana/USA, einer von der katholischen Congregation of Holy Cross getragenen Eliteuniversität im amerikanischen Midwest, die (nicht nur) für mein Forschungsgebiet zu den ersten Anlaufstellen in Nordamerika zählt. Ich durfte dort eintauchen in eine für mich gänzlich neue und faszinierende Campus-Welt, war ein Jahr lang Teil einer Community akademischer Exzellenzforschung und habe eine ungemein herzliche Willkommenskultur erlebt. Und abgesehen vom wissenschaftlichen und projektrelevanten Ertrag dieses Jahres habe ich das Fahrrad erstmals gegen ein Auto getauscht, einen eigenen Kürbis ‚gecarved‘ und in Gedanken mein erstes zukünftiges Tenure-Gehalt für den Import eines amerikanischen La-Z-Boy recliner reserviert.
… und süddeutschen Bayern
Als das „Gedächtnis des Mittelalters“ wurde vor Kurzem die renommierte Gast-Institution meiner zweiten Forschungsetappe bezeichnet“ (Süddeutsche Zeitung Nr. 16/2019): Pünktlich zu den Festlichkeiten des 200-Jahr-Jubiläums der Münchener Monumenta Germaniae Historica (MGH) arbeite ich derzeit im Lesesaal und der Bibliothek einer Forschungsstätte, die weltweit als ein Knotenpunkt mediävistischer Forschung angesehen ist. Auf diese Weise eingebunden in neue Netzwerke vor Ort und in solche, die an meine Heimatuniversität in Wien anknüpfen, habe ich hier optimale Bedingungen vorgefunden, mein Projekt inhaltlich voranzutreiben (und wegen des ‚österreichischen Dialekts‘ im internationalen Setting des Instituts beinahe schon den Bayern zugerechnet zu werden). Entferne dich nicht zu weit von der Wahrheit – schreibt ‚mein‘ anonymer Dominikaner des 13. Jahrhunderts unter anderem in seinem Lebenswerk. Meine Heimat-Fakultät in Wien scheint das ähnlich zu sehen und hat mir als Auftakt zum Rückkehrjahr an das Institut für Historische Theologie einen Lehrauftrag angeboten, den ich gerne und voller Tatendrang annehme – das theologische Mittelalter aus Deutschland und der ‚Neuen Welt‘ im Gepäck.