Die Wissenschaft wird weiblicher und damit auch vielfältiger, wie eine Bilanz des FWF seiner Maßnahmen zur Frauenförderung zeigt. © Andrei Pungovschi/FWF

Seit rund 30 Jahren fördert der Wissenschaftsfonds FWF gezielt Frauen im Wissenschaftsbetrieb. In dieser Zeit hat sichtlich ein massiver Aufholprozess stattgefunden, was die Chancengleichheit im akademischen Umfeld betrifft. Heute ist daher das Potenzial an hoch qualifizierten Wissenschaftlerinnen größer denn je. Seit der FWF im Jahr 1992 das erste spezifische Frauenförderprogramm einführte und 1998 ein Programm für Frauen am Beginn ihrer wissenschaftlichen Karriere lancierte (siehe Kasten), stieg der Anteil von Frauen unter den Professorinnen und Professoren von 4,5 Prozent auf knapp 25 Prozent. Die gezielte Frauenförderung wurde im Jahr 2005 weiter verbessert und auf ein zweistufiges Programm ausgebaut – für Frauen auf dem Weg zur Professur –, um die nachhaltige Verankerung von Wissenschaftlerinnen an den Universitäten und Forschungsstätten deutlich zu unterstützen.

Fifty-fifty in der frühen Karrierephase

Rückblickend zeigt sich, dass der FWF mit seinem Ansatz des Gender-Mainstreaming (zuletzt publiziert in der FWF-Strategie zu Gleichstellung und Diversität) und den spezifischen Maßnahmen zur Frauenförderung auf die richtigen Karten gesetzt hat.  Erwähnenswert ist in diesem Zusammenhang, dass andere Förderungsorganisationen in Europa keine vergleichbaren Frauenprogramme im Portfolio haben, die unterschiedliche Karrierestufen abdecken. Man setzt stattdessen ausschließlich auf Qualität als Entscheidungskriterium und auf Gender-Monitoring, um allfällige verzerrte oder unbewusste Sichtweisen aufzudecken. Das Ergebnis gezielter Frauenförderung spricht für sich: Heute sind 34 Prozent der Forscherinnen und Forscher, die einen Antrag beim FWF einreichen weiblich. In der frühen Karrierephase (bis 8 Jahre nach der Promotion) sind es inzwischen sogar 45 Prozent und der Anteil der Bewilligungen liegt ebenfalls bereits bei 45 Prozent. Die Zahlen zeigen: Je besser es gelingt, die Drop-out-Rate von jungen Forscherinnen gering zu halten, umso nachhaltiger und schneller rückt das Ziel der Chancengleichheit näher. Der FWF ist damit – im Rahmen dessen, was eine Förderorganisation erreichen kann – an einem guten Punkt angelangt. Im Vergleich etwa mit der der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) hat der FWF einen deutlich höheren Anteil an Antragstellerinnen, und die österreichische Spitzenforschung ist heute ebenso weiblich wie männlich. Besonders stark sind Frauen zunehmend in den Life Sciences vertreten, in den naturwissenschaftlichen und technischen Bereichen haben hingegen noch die Männer die Nase vorne. Vergleicht man jedoch die FWF-Bewilligungsquote von Frauen und Männern gesamt, so zeigt sich, dass Frauen gleich erfolgreich sind wie ihre männlichen Mitbewerber.

Die Bewilligungsquoten von Frauen und Männern sind fast ausgeglichen. In den Fachbereichen liegen die Frauen sogar etwas vorne. Ihre nur gering niedrigere Gesamtquote ergibt sich aus der besonderen Verteilungskonstellation der Antrags- und Bewilligungsanzahlen über Fachgebiete und Geschlecht. Ausschlaggebend ist hier der höhere Anteil von Männern im Bereich Naturwissenschaften und Technik. © FWF

Diversität ernst nehmen

Für den Wissenschaftsfonds verdeutlichen diese Entwicklungen zwei Aspekte: Die gezielte Frauenförderung über die vergangenen drei Jahrzehnte hat die Chancen von Frauen in der Wissenschaft deutlich erhöht und das hohe Potenzial vor allem junger Talente sichtbar gemacht. Wissenschaftlerinnen sind erfolgreicher denn je beim Einwerben von Drittmitteln in der Grundlagenforschung. Mit dem Effekt, dass drei von vier Frauen fünf Jahre nach Projektende weiterhin in der Forschung aktiv sind, wie eine aktuelle Analyse der Karrierewege von Projektleiterinnen der Programme „Hertha-Firnberg“ und „Elise-Richter“ zeigt. Die spezifischen Maßnahmen in den vom FWF angebotenen Frauenprogrammen zeigen ihre Wirkung. So hat etwa keine andere Förderorganisation den Aufbau eines Netzwerkes von Forscherinnen über Jahrzehnte so aktiv wie der FWF betrieben. Auch Top-Positionen werden von ihnen vermehrt besetzt, ein Drittel (34 Prozent) haben eine Professur inne. Ein interessantes Detail am Rande ist, dass die Geburtenrate bei Forscherinnen, die durch die Frauenprogramme des FWF gefördert werden, mit durchschnittlich 1,6 Kindern über dem österreichischen Schnitt von 1,5 Kindern pro Frau liegt. Wohingegen der Anteil von Kindern unter allen Akademikerinnen seit Jahren unter dem Landesschnitt ist. Diese Daten sind ein Beleg dafür, dass konkrete Maßnahmen in der Gleichstellung notwendig und wirksam sind, wie auch der aktuelle Bericht des Bundesministeriums für Bildung, Wissenschaft und Forschung zu dem Thema einmal mehr beweist.

Die 50-Prozent-Quote kommt

Betrachtet man diese positiven Entwicklungen vor dem Hintergrund des Status-quo im Wissenschaftssystem, so gilt aber auch, was eine ehemalige Richter-Stelleninhaberin festhält: „Die Nachhaltigkeit des Programms ist so gut, wie es das Commitment der Universitäten ist, diesen Frauen weitere Möglichkeiten anzubieten.“ Oder anders gesagt: Für Gleichstellung braucht es die Unterstützung der Forschungseinrichtungen. Zu diesem Schluss kommen auch die vom FWF beauftragten Programmevaluierungen, ebenso wie eine Publikation der Science Europe Working Group, die ein Zusammenspiel von Förderern und Forschungsstätten als Voraussetzung für die nachhaltige Verankerung von Personen im Wissenschaftssystem sieht. Dieses gemeinsame Bemühen um Gleichstellung und Diversität wird auch in der geplanten Neuaufstellung der FWF-Programme eine zentrale Rolle spielen, die künftig für Frauen wie Männer gleichermaßen offen sein sollen.

Neue Wege in der Karriere- und Frauenförderung

Für den FWF ist diese geplante Neuorientierung ein konsequenter nächster Schritt im Bemühen, Forschende mit den nötigen finanziellen Mitteln auszustatten, um ihnen Planbarkeit und Freiräume zu verschaffen, die wiederum eine Voraussetzung dafür sind, im internationalen Wettbewerb bestehen und Topforschung vorantreiben zu können. Frauenförderung ist und bleibt dabei ein zentraler Fokus, indem sie auf eine neue Stufe gehoben wird: In Zukunft wird sichergestellt, dass die Hälfte der Fördermittel in den Karriereprogrammen an Forscherinnen geht und die Bewilligungsquote von Männern die der Frauen nicht überschreitet. Die erhobenen Zahlen lassen hoffen, dass diese Quotenregelung in wenigen Jahren ein Kontrollinstrument, aber de facto nicht mehr notwendig sein wird. Denn das Potenzial an exzellenten Forscherinnen ist vorhanden. Künftig werden mehr Mittel als je zuvor für Frauen zur Verfügung stehen werden und, wie schon bis jetzt, gezielt für Frauen reserviert sein.

Gender Mainstreaming

Seit 2005 hat der FWF Gleichstellungstandards definiert. Jährlich werden die relevanten Daten zur Antrags- und Bewilligungsrate nach Geschlecht veröffentlicht und auch spezifische Maßnahmen gesetzt, um die besonderen Herausforderungen für Forscherinnen in der nationalen Forschungsgemeinschaft zu berücksichtigen. Mit dem Relaunch der Richtlinien in allen Programmen implementierte der FWF darüber hinaus 2017 die notwendige Auseinandersetzung mit der Genderdimension im Forschungsansatz. 2018 erfolgte schließlich die Veröffentlichung eines Strategiepapiers zu Gleichstellung und Diversität, das die Herangehensweise des FWF in diesem Bereich darlegt.

Mehr Mittel, mehr Flexibilität

Der Vorschlag eines zweistufigen Modells für Karrierepfade in der Forschung, wie im aktuellen Mehrjahresprogramm 2019-2021 dargestellt, soll nun also den nächsten zukunftsweisenden Schritt zur Erhöhung des Frauenanteils in wissenschaftlichen Leitungspositionen in Österreich setzen, indem ein gemeinsamer Weg mit den österreichischen Forschungsstätten beschritten wird. Eine Erhöhung der finanziellen Mittel heißt auch eine größere Anzahl an geförderten Frauen. Die Anpassung des Förderportfolios wird damit gewährleisten, dass die besten Talente in Österreich Fuß fassen können. Die Weiterentwicklung der Karriereprogramme wird neben einer finanziellen Stärkung auch optimierte Rahmenbedingungen wie mehr Vielfalt und Flexibilität mit sich bringen. Dass Programmdifferenzierungen in Zielgruppen (wie zum Beispiel Frauen, Incoming, Reintegration) und Zielsetzungen (wie etwa Wiedereinstieg, Brain Gain, Gruppenaufbau) aufgehoben werden, soll unterschiedlichen Renommees von Programmen entgegenwirken. Gleichzeitig bleiben bewährte Instrumente Bestandteil des Förderungsangebots. Dies betrifft die Kinderpauschalen, die aktiven Netzwerkaufbaumaßnahmen, die Coaching-Workshops und die Maßnahmen zur Sichtbarmachung erfolgreicher Frauen. Im Rahmen seiner geplanten Vorhaben hat der FWF Anfang 2019 einen Konsultationsprozess gestartet, unter anderem durch ein erstes Treffen mit Vertreterinnen von Elise-Richter-Stelleninhaberinnen. Der laufende Prozess, der Ende des Jahres abgeschlossen sein soll, umfasst verschiedene Arbeitsgruppen und bezieht internationale Expertinnen und Experten mit ein.

Geschlechterverhältnisse weltweit

Ein Blick auf die Weltkarte zeigt, dass sich Gleichstellung global sehr unterschiedlich entwickelt hat. So liegt etwa der Anteil der Wissenschaftlerinnen in hoch entwickelten Ländern wie Japan mit 20 Prozent deutlich unter südamerikanischen Ländern wie etwa Brasilien mit 49 Prozent. Europaweit ist der Anteil zuletzt auf 41 Prozent  gestiegen, wie Elsevier in der Studie Gender in the Global Research Landscape erhoben hat. Eines zeigt sich deutlich: Um Rollenbilder aufzubrechen, braucht es ein ermutigendes Umfeld und strukturelle Maßnahmen. Oder anders formuliert: Um Veränderungen zu bewirken, muss Diversität genauso ernst genommen werden, wie jedes andere Ziel. Vielfalt sorgt in der Forschung dafür, dass neue Ideen und Perspektiven entstehen, sie fördert die Kreativität von Gruppen und bringt neue Sichtweisen auf Forschungsfragen.  Geschlechtergleichstellung ist eine wesentliche Komponente dieser Vielfalt. Der FWF, die Forschungseinrichtungen und viele Regierungen sind sich dieser Verantwortung bewusst. So haben sich etwa der Global Research Council, der Dachverband der Forschungsförderungsorganisationen weltweit, ebenso wie der Europäische Forschungsrat, dem Ziel verpflichtet, Gleichstellung in der Forschung zu forcieren. Geschlechtergleichstellung sowie Mädchen und Frauen zur Selbstbestimmung zu befähigen, ist auch eines der 17 Nachhaltigkeitsziele der Vereinten Nationen.

Barbara Zimmermann ist seit 2004 Leiterin der Abteilung Strategie – Karriereentwicklung des Wissenschaftsfonds FWF. Davor hat die promovierte Archäologin sieben Jahre lang in Rom und Wien auf dem Gebiet der spätantiken Archäologie und der antiken Kunstgeschichte geforscht.

Mobilitäts- und Frauenprogramme im Rückblick

Als erstes Postdoc-Förderungsprogramm hat der Wissenschaftsfonds FWF bereits 1985 das Erwin-Schrödinger-Auslandsstipendium eingerichtet, das jungen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern einen bis zu zweijährigen Aufenthalt an einer ausländischen Forschungsstätte ermöglicht. Das Schrödinger-Programm kann als das am längsten bestehende Postdoc-Programm des FWF auf eine besondere Erfolgsgeschichte blicken: Zweimal extern evaluiert und basierend auf den Empfehlungen entsprechend optimiert, wirkt es nachhaltig auf die Karriere. Mehr als die Hälfte der ehemaligen Schrödinger-Stipendiatinnen und -stipendiaten haben 12 Jahre nach der Förderung Professuren inne. Die Förderung der Mobilität wurde 1992 durch das Incoming-Programm Lise-Meitner verstärkt, das auf die Etablierung internationaler Kooperationen und auf den damit verbundenen Brain Gain abzielt. Seit 2017 spricht das Programm gezielt auch Rückkehrerinnen und Rückkehrer an.

Nachhaltige Karriereverläufe sichern

Das Potenzial an hoch qualifizierten Wissenschaftlerinnen auszubauen und damit die Anzahl an Wissenschaftlerinnen in Führungspositionen und den Anteil der Professorinnen zu heben, hat sich der FWF seit 1992 mit der Einführung des Charlotte-Bühler-Habilitationsstipendiums als Frauenfördermaßnahme zum Ziel gesetzt. 1998 folgte der Startschuss für das Hertha-Firnberg-Programm zur Förderung von Frauen am Beginn ihrer wissenschaftlichen Karriere. Zu der Zeit lag der Anteil von Frauen unter den Professorinnen und Professoren bei 4,5 Prozent, heute sind es rund 25 Prozent. Mit der Ergänzung durch das Elise-Richter-Programm 2005, welches das Charlotte-Bühler-Stipendium ablöste, war das zweistufige Karriereentwicklungsangebot des FWF für Wissenschaftlerinnen komplett. Seitdem ist der Anteil der Antragstellerinnen auf 34 Prozent gestiegen.