Literaturwissenschafterin Caroline Edwards ist eine Proponentin von Open Access. Doch gerade in den Geisteswissenschaften halten sich traditionelle Publikationssysteme. Wie eine Trendwende gelingen kann, hat sie auf Einladung des FWF im Juli in Wien erläutert. © FWF

FWF: Was war die Idee hinter OLH? Caroline Edwards: Mein Kollege Martin Eve und ich richteten 2012 eine kleine Open-Access-Zeitschrift für Literaturkritik des 21. Jahrhunderts namens Alluvium ein. Zu diesem Zeitpunkt war es in Großbritannien bereits offensichtlich, dass Wissenschafterinnen und Wissenschafter ernsthaft über den freien Zugang zu wissenschaftlichen Publikationen nachdenken mussten, da die Regierung und die Förderorganisationen eine pro-Open-Access-Politik einschlugen, was bedeutete, dass über kurz oder lang Forschungsergebnisse der Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden mussten. Im Bereich der Geisteswissenschaften hatte man sich damals noch nicht viele Gedanken über Open Access gemacht. Als jedoch der „Finch Report“ im Juni 2012 veröffentlicht wurde, wurde den Forscherinnen und Forschern klar, dass ihnen höchstwahrscheinlich eine derartige Verpflichtung ins Haus stand. Das Klima war damals sehr politisch beeinflusst, und viele unserer Kollegen zeigten sich ärgerlich darüber, dass ihnen die britischen Förderorganisationen – auf dem Weg über HEFCE (Higher Education Funding Council for England) – ein solches Mandat auferlegen könnten, ohne sie dazu befragt zu haben. Wir gründeten OLH also aus der Überzeugung heraus, dass es im Rahmen von Open Access eine große Lücke zu schließen galt. Insbesondere hatten wir den Eindruck, dass die großen Verlage vehement auf „Gold Open Access“ auf der Basis eines APC-Modells (Article Processing Charge - eine von den Autorinnen und Autoren zu zahlende Publikationsgebühr) abstellten. Da die Geisteswissenschaften allerdings im Vergleich zu den Naturwissenschaften oder anderen Disziplinen nur begrenzte Fördergelder erhalten, war es für uns klar, dass ein Open-Access-System auf APC-Basis nicht finanzierbar wäre.

„Gold Open Access“ Wissenschafterinnen und Wissenschafter haben verschiedene Möglichkeiten, ihre Forschungsarbeiten zugänglich zu machen. Eine Option ist es, in einer Open-Access-Zeitschrift ("Gold Open Access") zu publizieren. Das bedeutet, die Publikation ist sofort und ohne Sperrfrist zugänglich. Entweder wird in einem solchen Open-Access-System von den Autorinnen und Autoren bzw. ihren Institutionen eine Gebühr, die sogenannte Article Processing Charge (APC) verlangt. Oder die Zeitschriften werden durch direkte Subventionen der Forschungsstätten finanziert. Im Unterschied zu traditionellen Systemen, verbleiben die Rechte bei der Autorin bzw. dem  Autor und nicht beim Verlag. Eine Creative-Commons-Lizenz definiert die Rahmenbedingungen für die Weiterverwendung und -Verbreitung des Materials.

FWF: Welches Konzept steht hinter OLH? Edwards: Der Ausgangspunkt waren die folgenden Fragestellungen: Können wir ein alternatives Modell einrichten, das ohne APCs auskommt? Wie können wir Open Access stattdessen finanzieren, und wie kann dieses Projekt so international wie möglich gestaltet werden? Wir begannen also im Frühjahr 2013 mit der Einrichtung einer Website und luden Kolleginnen und Kollegen aus der ganzen Welt ein, sich einer Reihe von beratenden Ausschüssen anzuschließen, die aus hochrangigen Befürwortern von Open Access, Vertretern der Wissenschaft, der Verlagswelt und der Bibliotheken zusammengesetzt waren. Ungefähr zur selben Zeit kontaktierte uns eine philanthropische amerikanische Stiftung, die Andrew W. Mellon Foundation, und sagte uns eine erste Startfinanzierung für ein Jahr zu, gefolgt von einer dreijährigen Förderung, mit der wir jetzt arbeiten. Das verlieh uns ein gewisses Maß an Legitimität und verschaffte uns auch Medienpräsenz, als wir im April 2014 die volle Förderung zugesprochen bekamen. FWF: Wie funktioniert ihr System?

„Das Einzigartige an OLH ist das Finanzierungsmodell.“ Caroline Edwards

Edwards: Das Einzigartige an OLH ist das Finanzierungsmodell. In vielen Gesprächen mit Bibliotheken in den Jahren 2013 und 2014 erkannten wir, dass viele bereit waren uns zu helfen einen anderen Veröffentlichungsmodus auf die Beine zu stellen, der nicht profitorientiert und für geisteswissenschaftliche Fächer nachhaltiger war als das APC-Modell. So führten wir die “Library Partnership Subsidy” (LPS) ein. – Anstatt Geld von Bibliotheken über ein Subskriptionsmodell zu verlangen, zahlen die uns fördernden Institutionen in einen „Kostenpool“ ein, aus dem wir die Infrastruktur für unsere Veröffentlichungsplattform finanzieren und mit dem wir Produktionskosten wie Lektorat, Schriftsatz, digitale Archivierung, etc. bestreiten. Als wir das System im September 2015 einführten, hatten uns bereits fast 100 Bibliotheken aus den USA, Großbritannien und Europa ihre Unterstützung zugesagt. FWF: Wie sind Ihre Erfahrungen nach dem Start? Wie wurde die Plattform angenommen? Edwards: Das Projekt und die Unterstützungsplattform haben sich seit unserer Ausgangsidee verändert. Ursprünglich wollten wir ein sogenanntes Megajournal einrichten, in dem eine große Anzahl von Artikeln aus allen geisteswissenschaftlichen Fächern veröffentlicht werden sollte. Gleichzeitig sollte eine Reihe von unterschiedlichen Overlay Journals aufgebaut werden, um der Leserschaft zu erlauben, das veröffentlichte Material im Rahmen von einzelnen Forschungsfeldern zu ordnen. Obwohl es das Megajournal noch gibt, ist es inzwischen nur eines einer ganzen Reihe von Fachzeitschriften auf unserer Plattform. In unseren laufenden Gesprächen mit einer Reihe von akademischen Herausgebern wurde uns klar, dass die Geisteswissenschafterinnen und Geisteswissenschafter ihre Bindung an eine bestimmte Zeitschrift oder Marke, aber auch an die Forschungsgemeinde, die die Zeitschriften im Lauf der Jahre aufgebaut haben, nicht aufgeben wollen. Wenn wir also einen Großteil der Forscherinnen und Forscher nicht überzeugen konnten, diese Bindung aufzugeben und mit dem OLH Megajournal einen ganz neuen Weg einzuschlagen, konnten wir sie vielleicht dazu überreden, der OLH-Plattform indirekt über ihre Zeitschriften beizutreten – also nicht einzelne Forscherinnen und Forscher, sondern ganze Communities in Richtung Open Access zu bewegen. Deswegen ermöglichten wir es Zeitschriften, OLH beizutreten und die Vorteile unserer technologischen Innovationen und unseres APC-freien Modells zu genießen, ohne deswegen ihren Namen und die redaktionelle Unabhängigkeit aufgeben zu müssen. Im Moment arbeiten wir daran, ein halbjährliches Einreichungsverfahren für Zeitschriften einzurichten. Seit dem Start unserer Plattform im September 2015 scheinen viele unserer Kolleginnen und Kollegen dieses Projekt sehr viel schneller vorantreiben zu wollen, als wir ursprünglich angenommen hatten. Es gibt eine sehr dynamische Unterstützungsbewegung für das OLH-Modell. Und zurzeit arbeiten wir mit Partnern in Europa zusammen, besonders in den Niederlanden, die sehr daran interessiert sind, Open Libraries für andere Bereiche wie zum Beispiel die Mathematik oder Technik einzurichten. Das sieht so vielversprechend aus, dass wir vielleicht schon im Verlauf des nächsten Jahres auch andere Open Libraries hosten könnten. FWF: Bedeutet das auch die Einbindung der Verlage? Edwards: Wir arbeiten seit Beginn mit verschiedenen Verlagen zusammen. Angenommen eine Zeitschrift, die bereits von einem Verlag auf Basis eines Subskriptionsmodells veröffentlicht wird, möchte sich unserer OLH-Plattform anschließen und auf Open Access umstellen:  Dafür benötigt die Zeitschrift Zugang zu unserem Fördermechanismus, um die Barrierewirkung des Subskriptionsmodells abbauen zu können. In solchen Partnerschaften bedeutet das für die Zeitschrift ein Co-Branding zwischen OLH und dem Verlag. Der Verlag übernimmt die Produktion, und wir bezahlen ihn dafür. Auf diesem Weg können die Herausgeber sich dem Open-Access-System anschließen, ohne ihren Verlag aufgeben zu müssen. Da OLH das gemeinnützige Ziel verfolgt Open Access auszuweiten, sind wir gerne bereit solche Partnerschaften einzugehen, solange das deklarierte Endziel für die Zeitschrift ein Open-Access-Modell ist. FWF: Was sind nun zusammengefasst die Vorteile ihres Konzepts im Vergleich zum traditionellen Publikationswesen? Edwards: Zunächst ist es für uns als ein von und für die Wissenschaft initiiertes Projekt sehr wichtig, dass wir als Charity organisiert und damit nicht auf Profit ausgerichtet sind. Wir sind nicht prinzipiell gegen das Verlagswesen. Wir kooperieren mit renommierten Verlagen, die hart daran arbeiten, hochqualitative wissenschaftliche Veröffentlichungen zu publizieren, einen großen Erfahrungsschatz in der Wissenschaftspublikation haben und ihrer wissenschaftlichen Mission verpflichtet sind. Wir sind allerdings dagegen, dass öffentliche Mittel und Budgets von Universitäten in profitorientierte Organisationen gepumpt werden, deren Gewinnspannen sich in den vergangenen 30 Jahren dramatisch erhöht haben. Erstens ist so die „serial crisis“ (das bedeutet, dass sich keine Institution mehr alle Zeitschriften leisten kann, die sie gerne haben möchte) entstanden, und außerdem werden dadurch Mittel gebunden, die für Forschungsförderung, Lehre und die Unterstützung von Studierenden verwendet werden sollten. Das Konzept von OLH ermöglicht der Wissenschaftsgemeinde und den Bibliotheken mehr wissenschaftliche, redaktionelle und finanzielle Kontrolle über ihre Publikationstätigkeit.

„Wir sind dagegen, dass öffentliche Mittel in profitorientierte Organisationen gepumpt werden, deren Gewinnspannen sich in den vergangenen 30 Jahren dramatisch erhöht haben. “ Caroline Edwards

Als ein ausschließlich digitaler Verlag können wir außerdem flexibler reagieren als andere, die hohe Nebenkosten haben. Beispielsweise können wir unsere eigene digitale Infrastruktur nach Bedarf anpassen und ausbauen, wodurch OLH wirklich kosteneffizient geführt wird. Unsere Artikel können auch andere Formate beinhalten, beispielsweise Videos, und damit von den neuesten Errungenschaften des Online Publishing profitieren – hochqualitative Präsentation, Anmerkungsfunktionen, robuste digitale Archivierung, leichte Auffindbarkeit und Verbreitung über Social Media Buttons. Außerdem wird der wissenschaftliche Austausch über einen Artikel durch interaktive Features wie beispielsweise Kommentarbereiche angeregt. Auf diese Weise erweitern sich die Grenzen des traditionellen Verlagswesens. Die Entwicklung geht weg von den engen Parametern der Printpublikationen auf Basis eines Systems aus dem 17. Jahrhundert, die dann nur als Kopie ins Internet hochgeladen werden (tatsächlich ist ja ein PDF-File nur eine Abbildung eines gedruckten Dokuments, das dann auf der Website einer Zeitschrift hinterlegt wird), hin zu einer interaktiveren Form des wissenschaftlichen Dialogs, der auch maschinelle Lesbarkeit und Suche bietet.

Die Open Library of Humanities (OLH) ist ein erfolgversprechendes Publikationsmodell, das auf Crowdfunding basiert. – Auf der Online-Plattform werden Beiträge publiziert, ohne dafür Gebühren von den AutorInnen oder LeserInnen zu verlangen. © FWF

FWF: Mehrere Studien zeigen, dass die Grundprinzipien des Open-Acces-Publizierens, besonders in den Geisteswissenschaften, eine überwältigende Anhängerschaft haben. Wenn es dann an die Praxis geht, sind Forscherinnen und Forscher in den Geisteswissenschaften aber zögerlicher als andere Disziplinen. Woran liegt das? Edwards: Diese nicht so leicht zu beantwortende Frage, warum die Geisteswissenschaften in ihrer Haltung zu Open Access so schwanken, ist einer der Gründe für unseren bis dato relativ konservativen Ansatz bei OLH. Wir wollen die Menschen nicht zwingen alle Innovationen anzunehmen, die ein Open-Access-System ermöglicht, bevor sie dazu bereit sind – wie beispielsweise Peer-to-Peer- oder Post-Publication-Begutachtung. Die geisteswissenschaftliche Community scheint zu gleichen Teilen gespalten zwischen jenen, die Open Access befürworten und jenen, die das entweder völlig ablehnen oder nur dann damit leben können, wenn gleichzeitig redaktionelle Prozesse und Begutachtungen nach einem traditionellen Modell ablaufen. FWF: Denken Sie, dass bei dieser Debatte auch Generationsunterschiede eine Rolle spielen? Edwards: Beim Aufbau von OLH entdeckte ich zu meiner Überraschung, dass der Forschungsnachwuchs digital stärker engagiert und experimentierfreudiger im Hinblick auf Publikationsformate zu sein scheint. Obwohl junge Wissenschafterinnen und Wissenschafter sehr viel weniger Sicherheit genießen als ältere Kollegen, da sie dem Arbeitsmarkt in einer sehr schwierigen und konkurrenzbetonten Zeit beitreten. In gewisser Hinsicht können sie sich den Luxus nicht leisten, ihre Arbeit mit neuen unerprobten Mitteln zu publizieren, sondern sind gezwungen bei den weithin bekannten, „traditionellen“ Fachzeitschriften zu bleiben, weil das die besten Chancen für eine Stelle oder Professur bietet. Allerdings sind Nachwuchsforscher trotz dieser prekären Arbeitsplatzsituation ganz klar daran interessiert, ihre Arbeiten Open Access zu publizieren und alle damit einhergehenden digitalen Innovationen auszuschöpfen. Außerdem haben sie schnell erkannt, dass man sehr viel öfter zitiert wird wenn man online publiziert, was jungen Wissenschafterinnen und Wissenschaftern am Anfang der Karriere wirklich helfen kann. FWF: Ist die Fördersituation ein weiterer Grund für die geringere Bereitschaft in den Geisteswissenschaften Open Access zu publizieren? Edwards: Ja, weil die Geisteswissenschaften im Allgemeinen sehr viel niedrigere Forschungsförderungen bekommen als die Naturwissenschaften. Daher können die Autorengebühren (APCs) viele Geisteswissenschafter davon abhalten Open Access zu publizieren – das gilt besonders für unabhängige Forscherinnen und Forscher an weniger forschungsintensiven Einrichtungen, wo Geldmittel knapp sind und zwischen einer großen Anzahl von Departments aufgeteilt werden müssen. Der Trend im Open Access Publishing, die APC-Gebührenstruktur als Standardgeschäftsmodell zu verwenden, hat in der geisteswissenschaftlichen Community zur Erkenntnis geführt, dass Alternativen dringend gefragt sind. Ich denke wir haben mit OLH schon früh ein Zeichen gesetzt, weil die Idee dazu aus der Community geboren wurde: Unser Fördermechanismus ist somit anders und das genaue Gegenteil von APCs. Wir haben versucht, so viele Leute wie möglich einzubinden, Kollegen aus der ganzen Welt in unsere Entscheidungsgremien einzuladen, um diese schwierigen Fragen mit Hilfe erfahrener Experten zu klären. FWF:  Gibt es auch noch andere Gründe? Edwards: Die Gründe für diese ambivalente Haltung zu Open Access unter den Geisteswissenschaften variieren von Fach zu Fach, aber auch fachintern. In einigen Fächern sieht man klarerweise einen gestärkten Trend zur Online-Einbindung, beispielsweise bei Film und TV, Medienwissenschaften oder auch Tanz und Performance. Hier liegt der Schwerpunkt auf der textuellen Analyse von audiovisuellem Content und Performances – das lässt sich im Printbereich nicht adäquat darstellen, weil die Autoren eine bestimmte Szene oder Performance verbal abhandeln müssen und nicht die Möglichkeit haben, sie auch zu zeigen. Digitales Publizieren mit offenen Weiterverwendungslizenzen eignet sich für diese Disziplinen natürlich sehr viel besser und erhöht die Qualität der Leseerfahrung, wenn auch ein Video der Szene oder Performance im Artikel eingebettet werden kann. Theologie ist ein weiteres Beispiel für ein Fach dessen Vertreter wirklich große Befürworter von Open Access sind. Die Theologen scheinen eine starke ethische und moralische Motivation zu verspüren, die breite Zugänglichkeit ihrer wissenschaftlichen Tätigkeit im Zuge von Open Access zu sichern. FWF: Wie viele Artikel und Zeitschriften werden nächstes Jahr aufgenommen und veröffentlicht werden? Edwards: 2016 werden insgesamt 320 Artikel in den Zeitschriften veröffentlicht, die wir gegenwärtig auf der OLH-Plattform hosten. Für nächstes Jahr erwarten wir die Migration von 10 bis 15 neuen Zeitschriften auf unsere Plattform. Somit würde sich die Gesamtzahl der 2016 bis 2017 veröffentlichten Artikel auf 470 bis 500 erhöhen. Wir sind aber auch gerade dabei, den Launch von weiteren Open Libraries in anderen Disziplinen voranzutreiben – die dann ebenfalls die Plattform von OLH benützen und Mittel über unser LPS-Fördermodell erhalten. Wenn sich alles auch wirklich so realisieren lässt, haben wir letztendlich eine wesentlich größere Dachorganisation von Open Libraries, die sehr viel mehr Artikel publizieren und eine große Anzahl von Zeitschriften hosten. FWF:  Im Moment haben sie 189 Fördergeber, die meisten davon in Großbritannien und den USA. Gleiches gilt für die Autorinnen und Autoren. Planen Sie, Institutionen und Personen aus anderen Regionen anzulocken? Und wenn ja, wie? Edwards: Bis 2018 wollen wir über 300 fördernde Bibliotheken verfügen, die OLH mit einem durchschnittlichen Förderbetrag von 850 Dollar pro Institution unterstützen. Wir wollten von Anfang an ein mehrsprachiges Projekt, und für das nächste Jahr ist der Rollout einer mehrsprachigen Plattform geplant. Eine französische Plattform ist startklar, und auch ein französisches Herausgeberteam gibt es bereits. Das hat sich teilweise so ergeben, weil wir unsere Publikationstätigkeit prinzipiell über den englischsprachigen Kontext hinaus erweitern wollen, aber auch weil französischer Herausgeber uns geschrieben haben und meinten: „Wir hätten OLH gerne in französischer Sprache.“ Eine französische OLH Site mit der Möglichkeit für Zeitschriften, sich in französischer Sprache anzumelden, sollte dazu führen, dass mehr Artikel auf Französisch eingereicht werden und könnte uns möglicherweise helfen, auch Förderungen aus Frankreich zu beziehen. Letztendlich hoffen wir eine ganze Serie von OLH Sites in mehreren Sprachen anbieten zu können, angefangen mit Deutsch, Spanisch und Italienisch. Das wird natürlich noch dauern. FWF: Welche neuen technischen Features sind geplant? Edwards: Es gibt zurzeit drei Hauptprojekte, die wir im Rahmen der Förderung durch die Andrew W. Mellon Foundation entwickeln. Das erste Projekt betrifft die Entwicklung einer Annotationssoftware.  Im Moment ist es auf unserer Website möglich, Anmerkungen in Artikeln der OLH-eigenen Zeitschrift vorzunehmen. Mit dem Projekt erweitern wir die Funktionalität und passen unsere Software so an, dass Benutzerinnen und Benutzer für Anmerkungen und Kommentare unterschiedliche Privacy-Einstellungen setzen können. Es ist ein wirklich spannendes Projekt, das ganz klar Vorteile für Forschung und Lehre bietet, weil Anmerkungen jetzt auf einen Benutzer oder eine Gruppe von Benutzern beschränkt werden können. Das zweite technische Feature an dem wir gerade arbeiten ist ein Programm für benutzergenerierte Übersetzungen von OLH-Artikeln. Damit können Leserinnen und Leser Übersetzungen von Artikeln anfertigen (entweder zur Gänze oder auch nur besonders relevante Teile), und diese Übersetzungen können während des Upload in Echtzeit eingesehen werden. Es wird auch die Möglichkeit geben, die Qualität von Übersetzungen zu bewerten, wobei die besten Übersetzungen ganz nach oben wandern. Andere Benutzer können sich an den Übersetzungen beteiligen, und das Ergebnis ist eine echte Gemeinschaftsübersetzung. Im dritten Projekt geht es darum, unsere Schriftsatz-Software auf Produktionsniveau zu bringen. – Hier hat mein Kollege Martin Eve bereits umfangreiche Vorarbeiten geleistet. Unser Ziel ist es, die internen Produktionskosten zu senken. Das sind momentan unsere wichtigsten Projekte auf der technischen Seite. Wir produzieren nur Open Source Code (mit GPL-Lizenzen), auf diese Weise können alle von den OLH-Programmen profitieren.

Für das Projekt der Open Libraries holen Caroline Edwards und ihre Partner so viele Leute wie möglich ins Boot – mit Erfolg. Seit dem Launch 2015 gibt es eine große Unterstützungsbewegung seitens der Bibliotheken und WissenschafterInnen. © FWF

FWF:  Hat Open Access Ihrer Meinung nach auch das Potenzial, die Kommunikation und den Austausch zwischen Wissenschaft und Gesellschaft zu fördern? Edwards: Eine der Hauptmotivationen für die Gründung von OLH war die Erkenntnis, dass die akademischen Hierarchien immer stärker werden. Es gibt viele Menschen, die zwar aktiv Forschung betreiben, aber keine Festanstellung haben oder auf Werkvertragsbasis arbeiten. Ohne die Vorteile einer fixen Hochschulanstellung haben sie dann oft keinen Zugang zu kostenpflichtigen Publikationen von Forschungsergebnissen. Auch Absolventen haben nach ihrem Abschluss häufig keinen Zugang zu wissenschaftlichem Material, sobald sie nicht mehr über einen Universitäts-Account verfügen. Das hindert sie daran, ihre Studien auch außerhalb der Universität weiterzuführen. Außerdem ist uns klar, dass es andere gesellschaftliche Bereiche gibt, wie etwa NGOs, Standesvertretungen oder sogar Politiker, die aus beruflichen Gründen Zugang zu akademischer Forschung benötigen. Wenn all diese Gruppen keinen Zugang zu wissenschaftlichen Veröffentlichungen haben, macht es die Gesellschaft insgesamt ärmer.

„Ein staatlicher Auftrag hilft natürlich, das Bewusstsein dafür zu schärfen, Forschungsergebnisse frei zugänglich zu machen.“ Caroline Edwards

Meine Erfahrungen mit dem Betrieb von Alluvium, der schon eingangs erwähnten Open-Access-Zeitschrift für zeitgenössische Literaturwissenschaft, haben mir gezeigt, dass Schüler und Lehrer sie als Unterrichtsmaterial in der Schule verwendet haben. Obwohl es schwer ist genau festzustellen, wie viele Menschen außerhalb der Wissenschaftsgemeinde tatsächlich Open-Access-Plattformen verwenden, um online wissenschaftliche Artikel zu lesen (das Zugangssystem gibt natürlich nur die Anzahl der Zugriffe und Downloads bekannt, aber nicht die Identität der Leser), sollte es bei Open Access und Open Science definitiv auch darum gehen, die Gesellschaft insgesamt in den wissenschaftlichen Dialog einzubinden. FWF: Eine letzte Frage: Was würden Sie Förderungseinrichtungen wie dem FWF empfehlen, um Open Access im Allgemeinen und insbesondere in den Geisteswissenschaften weiter voranzutreiben? Edwards: Ein staatlicher Auftrag in den einzelnen Ländern hilft natürlich, Wissenschafterinnen und Wissenschafter zu motivieren und das Bewusstsein dafür zu schärfen, Forschungsergebnisse frei zugänglich zu machen. Eine andere Strategie, die sich für uns bei OLH als besonders effektiv erwiesen hat, ist die Vernetzung. Viele Vertreter von Einrichtungen, die unserem System der Library Partnership Subsidy beigetreten sind, haben uns über Vorträge kennengelernt, die wir auf Einladung anderer Institutionen hielten. Das heißt also, Menschen die OLH unterstützen, sind Multiplikatoren, indem sie uns ihren Kollegen an anderen Institutionen weiterempfehlen. Das ist eine mögliche Strategie die Basis zu vergrößern, die Open Access fördert. Wir beginnen übrigens jetzt gerade damit, ein „Library Action Team“ auf die Beine zu stellen. In Großbritannien hat OLH eine ganze Reihe tatkräftiger Verfechter, die auf Bibliothekskonferenzen unser Projekt bei ihren Kollegen bewerben. Das kann sich als mächtiges Instrument erweisen, um einen gemeinnützigen Verleger wie OLH bekannter zu machen, und wir sind sehr dankbar für diese Hilfe. Jeder, der Interesse an dieser oder ähnlichen Formen der Unterstützung hat, möge sich bitte an unsere Kollegin Saskia C.J. de Vries, European Library Partnerships Manager, wenden: saskia.devries(at)openlibhums.org.


Caroline Edwards ist Mitbegründerin und Direktorin der Open Library of Humanities (OLH). Edwards ist Literaturwissenschafterin im Bereich Modern & Contemporary Literature bei Birkbeck, University of London, sowie Herausgeberin von Alluvium, einer OA-Zeitschrift für Literaturkritik des 21. Jahrhunderts.


Die  OLH Open Library of Humanities (OLH) ist eine von Forscherinnen und Forschern betriebene gemeinnützige Organisation mit dem Ziel, den freien Zugang zu wissenschaftlichen Publikationen in den Geisteswissenschaften ohne Autorengebühren (APCs) zu fördern. Seit der Gründung im September 2015 als Publikationsplattform für “Gold Open Access”-Zeitschriften, ist OLH ein Pionier im Aufbau eines internationalen Konsortiums von Herausgebern und fördernden Bibliotheken – genannt Library Partnership Subsidy (LPS). Andere Fachdisziplinen zeigen jetzt ebenfalls Interesse an diesem neuen Modell. Mit seinen Partnern wie etwa dem niederländischen Linguistik-Netzwerk Ling-OA, erbringt OLH den Beweis dafür, wie traditionelle Publikationssysteme auf innovative und nachhaltige Weise auf Open Access umstellen können. Derzeit wird die OHL in Österreich von der Akademie der bildenden Künste Wien und dem Wissenschaftsfonds FWF gefördert, wobei der FWF bis 2020 als Initialförderung einen Betrag im Gegenwert von 15 Institutionen leistet.


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