Christoph Lenz
Schrödinger-Stipendiat Christoph Lenz unterwegs in Sydney. © privat

Die Methodik und Arbeitsweise von Mineraloginnen und Mineralogen ist äußerst anwendungsorientiert und interdisziplinär angelegt – sie verbindet die Erd- mit den Materialwissenschaften. Derzeit bin ich zu Besuch im Materialwissenschaftlichen Institut der australischen Nuklearforschungsstätte ANSTO. Hier beschäftige ich mich mit einer cleveren, in den 1980ern von dem australischen Geowissenschaftler A. E. Ringwood vorgeschlagenen Strategie, nukleare Abfälle in eine möglichst sichere und stabile Form „zurückzuführen“.

Das sogenannte SYNROC-Konzept basiert darauf, insbesondere die hochradioaktiven, aus der Nutzung ziviler Kernenergie oder der Abrüstung von Atomwaffen anfallende Überreste – also langlebige, stark nachstrahlende Radionuklide – in die Kristallstruktur mineralischer Phasen einzubauen. Diese sollen so in einer Art synthetischem Gestein, nach Installation entsprechender zusätzlicher technischer Barrieren, wie Verpackung und Ummantelung, in geologischen Endlagern wesentlich sicherer verschlossen werden können. Der Vorteil gegenüber der in Europa favorisierten Strategie der Verkapselung in Glaskokillen (in Stahlbehälter eingefülltes Glas mit hochaktiven Stoffen) ist die um mehrere Größenordnungen erhöhte Resistenz gegenüber Veränderungen durch Grundwasserlösungen oder gar Phasenumwandlungsprozessen, welche bei erhöhten Temperaturen durch Restwärmeabstrahlung den Austritt gefährlicher, radioaktiver Stoffe begünstigen.

Gemeinsam Lösungen entwickeln

In meiner Forschung vor Ort profitiere ich vor allem von der Kooperation zwischen den Disziplinen und deren unterschiedlichen Erfahrungshorizonten. Wir Geowissenschaftler geben durch die Charakterisierung von zum Teil identen, natürlichen Analogphasen Einblick in die Beständigkeit über geologisch lange Zeiträume, welche mit Hinblick auf Langlebigkeit einiger radioaktiver Nuklide von wesentlicher Bedeutung sind. Im Gegenzug simulieren Materialwissenschaftler durch Analogexperimente, wie die mir ermöglichten Bestrahlungsexperimente an Teilchenbeschleunigern, die Auswirkungen von radioaktiven Zerfallsprozessen auf die untersuchten mineralischen Phasen. Beide Ansätze zusammenzuführen ist zentraler Bestandteil meiner Arbeit hier in Australien.

Optimierungsdruck – was uns blüht

Der unverstellte Einblick in die Besonderheiten eines Landes ist darüber hinaus einer der größten Vorteile eines längeren Auslandsaufenthaltes im Gegensatz zum kurzen Austausch, wie zum Beispiel im Rahmen von Labor- oder Konferenzbesuchen. Gerade jungen Wissenschaftlern wie mir ermöglicht dies, das eigene Forschungsvorhaben von einem anderen Blickwinkel aus zu betrachten und alternative Arbeitsweisen und -umgebungen zu testen. Ein längeres Verweilen in der Wissenschaftslandschaft eines anderen Landes bringt aber nicht nur die positiven, sondern auch die  schwierigen Seiten zu Tage. Zum Beispiel dann, wenn es darum geht, Kooperationen zu anderen Kolleginnen und Kollegen, etwa von einer Universität, in Gang zu bringen. Oftmals finden sich hier an vielen Instituten von administrativen Hürden begleitete Bezahlsysteme für die Nutzung universitätseigener Laboratorien, welche es den dort angestellten Universitätsmitarbeiterinnen und -mitarbeitern selbst sehr schwer macht, Geräte und Messeinrichtungen ohne zusätzliche Drittmittel zu nutzen.

Ich habe hier erlebt, wie aktiven Doktoranden einer Universität ihr „Jahresmittelbudget“ von einem Jahr aufs andere um 40 Prozent gekürzt wurde. Für sie heißt dies, obwohl die Instrumente in ihren Instituten verfügbar wären, können sie bereits geplante Vorhaben nicht umsetzen, weil es den Betreuern an sowieso knappen zusätzlichen finanziellen Mitteln fehlt. Diese, häufig aus der Ökonomie übernommenen Systeme zur internen Managementoptimierung mögen zwar mit dem nötigen administrativen Aufwand geeignet sein, die verschiedenen Bereiche nach Zahlen zu „managen“, beschränken jedoch nach meiner Erfahrung hier in Down Under, die Spontaneität und Flexibilität der Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler, neue Ideen auszuprobieren und Fertigkeiten im Labor und an technischen Geräten weiterzuentwickeln.

Alternativen entwickeln

Hochmotivierten Wissenschaftlern und Studenten erwächst damit zu dem ohnehin schon hohen Publikationsdruck ein zusätzlicher interner und kompetitiver Druck, der schädlich für das Arbeitsklima sein kann. Dies steht stark im Kontrast zu Verhältnissen, wie ich sie an der staatlichen, jedoch nicht-universitären Forschungsinstitution hier in Sydney oder während meines Doktoratsstudiums an der Universität Wien erleben durfte. Leider zeigt sich, dass der kritisch zu sehenden Entwicklung in der Universitätslandschaft des angelsächsischen Raums mit einiger Verzögerung bereitwillig auch europaweit Tür und Tor geöffnet werden. Ich plädiere daher dafür, alternative Verwaltungskonzepte zu entwickeln, die die eigentliche Arbeit der beteiligten Wissenschafter und Studenten nicht noch weiter erschweren – sonst blüht uns an unseren Universitäten womöglich bald Ähnliches.