Wie man Biosprit aus Hefezellen gewinnt
Biologisch hergestellter Treibstoff ist einer der Hoffnungsträger einer künftigen Energiewende. Verbrennungsmotoren mit klimaneutral hergestelltem Diesel oder Benzin könnten neben E-Mobilität den Ausstieg aus fossilen Energieträgern unterstützen. Derzeit muss dieser „Biosprit“ aber aus hochwertigen Rohstoffen wie Raps oder Mais hergestellt werden, dessen Anbau große Ackerflächen benötigt. Forschergruppen aus aller Welt suchen daher intensiv nach Alternativen. Eine davon wäre, mit Hefezellen aus Zelluloseabfällen Fett zu erzeugen, das dann in Biodiesel umgewandelt werden kann. Ein vom Wissenschaftsfonds FWF finanziertes Projekt einer Gruppe um den Molekularbiologen Klaus Natter von der Universität Graz hatte zum Ziel, die Fettproduktion in Hefezellen durch gentechnische Veränderung zu erhöhen.
Gut erforschte Hefe
Natter und seine Gruppe profitieren davon, dass Hefezellen sehr gut verstanden sind. „Die Genome der Hefen, mit denen wir arbeiten, sind vollständig sequenziert, was den Stoffwechsel betrifft, sind nahezu alle Prozesse, die in der Zelle ablaufen, bekannt“, sagt Natter im Gespräch mit scilog. Der Forscher spricht von der sogenannten „Bäckerhefe“ und den „Fetthefen“. „Erstere ist die Hefe, über die man am meisten weiß. Sie wird in den meisten Nahrungsmitteln verwendet, für Brot, Bier, Wein und eben auch in der Biosprit-Produktion. Seit Mitte vergangenen Jahrhunderts ist sie ein beliebtes Modell in der Forschung. Deshalb weiß man über diese viel mehr als über alle anderen“, sagt Natter. Mit Fetthefen arbeite man hingegen erst seit Kurzem. „Sie ist wegen des namensgebenden Fettgehalts interessant.“ Fetthefen lagern bis zu 20 Prozent ihres Gesamtgewichts an Fett ein, die Bäckerhefe zwischen fünf und zehn Prozent.
Bis zu 70 Prozent Fett
Mittels Computersimulationen des Zellstoffwechsels versuchte Natters Forschergruppe ein Jahr lang, ein genaues Modell der Fetthefe „Yarrowia lipolytica“ zu erstellen, das alle Stoffwechselprozesse der Zelle abbildet, und Gene zu identifizieren, deren Veränderung den Fettgehalt erhöhen könnte. Diese Ergebnisse konnten durch darauffolgende Experimente bestätigt werden: Sowohl Fetthefe als auch Bäckerhefe konnten auf diese Art hinsichtlich der Fettproduktion optimiert werden. Die genetisch veränderte Fetthefe lagerte daraufhin zwischen 50 und 60 Prozent Fett ein. Auch bei der eigentlich fettärmeren Bäckerhefe konnte der Fettgehalt um ein Mehrfaches gesteigert werden, ein überraschendes Ergebnis. „Das zeigt, dass die Unterteilung in fette oder nicht fette Hefen nicht ganz korrekt ist“, verdeutlicht Natter. Es könnte durchaus sein, dass die besser verstandene Bäckerhefe der aussichtsreichere Kandidat zur Fettproduktion ist. Der Forscher betont, dass die veränderten Hefezellen ganz normal lebensfähig sind und nur etwas langsamer wachsen als die Wildtypen.
Natters Gruppe ist also zufrieden mit den Ergebnissen dieses Grundlagenprojekts, doch es gibt noch eine Reihe von Hürden auf dem Weg zur industriellen Umsetzung. „Um den Prozess nachhaltig zu machen, müsste der Nährstoff für diese Hefen aus Abfällen bestehen“, erklärt Natter. Von geeigneten Enzymen zerlegte Zellulose wäre ein guter Kandidat. „Dann würden beim Abernten eines Maisackers nicht mehr die Maiskolben, sondern der Rest zur Biodieselproduktion verwendet werden.“ Im Moment sei das Verfahren allerdings noch nicht wirtschaftlich. Natter sieht nur einen ernsthaften Konkurrenten zur Hefe, was eine künftige Biodieselproduktion angeht: Algen. Diese seien reizvoll, weil sie direkt Sonnenlicht und CO2 in Fett umwandeln könnten, allerdings würden auch sie große Flächen benötigen und im Vergleich zu Hefe sehr langsam wachsen. – Hefe vermehrt sich etwa zehn Mal schneller.
Hefen, die Diesel ausscheiden
Den Fett-Ertrag von Hefe zu steigern, ist nur ein wichtiger Meilenstein auf dem Weg zur nachhaltigen Biodiesel-Produktion. Natter macht auf zwei weitere Forschungsrichtungen aufmerksam, die künftig den Prozess erleichtern sollen. Ein wichtiger Punkt ist der „Zellaufschluss“, also die Frage, wie man das Fett aus der Zelle bekommt. „Das Extrahieren der Fetttröpfchen aus der Zelle ist ein aufwändiger Prozess“, erklärt Natter. Ein wichtiger Schritt in Richtung einer biotechnologischen Umsetzung wäre es daher, die Zelle dazu zu bringen, dass sie das produzierte Fett von selbst ausscheidet. Dafür gebe es derzeit noch keine brauchbare Lösung, so der Forscher. Alternativ dazu gibt es Ansätze, die Hefezellen nicht nur das Fett, sondern direkt den Biodiesel produzieren zu lassen, der von den Zellen sekretiert werden kann. Das funktioniert grundsätzlich, doch die Ausbeuten sind derzeit noch viel geringer als bei der Fettspeicherung in der Zelle. Weitere Grundlagenforschung soll helfen, diesen Prozess besser zu verstehen und zu optimieren. Dann könnten in Zukunft, so die Hoffnung, Hefezellen, die sich von Zellulose ernähren, direkt Biodiesel produzieren und diesen selbstständig ausscheiden. „In der Grundlagenforschung zur Fettproduktion von Hefe sind wir inzwischen sehr weit“, bestätigt Natter. „Jetzt geht es darum, das in die Anwendung zu bringen.“
Zur Person Klaus Natter ist Assoziierter Professor am Institut für Molekulare Biowissenschaften der Karl-Franzens-Universität Graz. In seinen Forschungsarbeiten befasst er sich mit der Regulation des Lipidstoffwechsels und mit anwendungsorientierten Ansätzen zur Entwicklung von Hefestämmen für die biotechnologische Produktion von Fetten und fettähnlichen Substanzen.
Publikationen