FĂŒr die Analyse von Kresse, Mais & Co haben Forscherteams aus Österreich und Tschechien neue Methoden entwickelt, um Pflanzen auf Spuren von Arzneien zu ĂŒberprĂŒfen. © pstiegele, Pixabay

Nicht nur in der Umweltanalytik gilt: Wer weiß wonach er sucht, hat es leichter. Schon vor Jahrzehnten wurden verschiedene Arzneimittelklassen, deren chemische Strukturen bekannt sind, im Abfluss von KlĂ€ranlagen nachgewiesen. Dass man dort „die halbe Apotheke findet, wenn auch nur in Spuren“, war fĂŒr Wolfgang Buchberger, analytischer Chemiker an der UniversitĂ€t Linz, klar. Völlig unklar jedoch war, was in Pflanzen passiert, die mit aufbereiteten AbwĂ€ssern gegossen werden. Das ist in Österreich noch nicht ĂŒblich, könnte mit dem Klimawandel aber ein Thema werden. Im trockenen Israel ist es hingegen gang und gĂ€be und große GemĂŒseproduzenten wie Italien und Spanien haben ebenfalls teilweise mit Wassermangel zu kĂ€mpfen. Was passiert also, wenn Arzneimittelspuren mit der BewĂ€sserung auf Pflanzen treffen: Werden die Wirkstoffspuren ĂŒberhaupt aufgenommen? Und wenn ja, wie werden sie im Gewebe verteilt? Werden sie angereichert, um- oder abgebaut (metabolisiert)? Und könnten sich pharmazeutische Wirkstoffe auf das Pflanzenwachstum auswirken?

Schmerzmittel und Pflanzenwachstum

FĂŒr die Analyse von Kresse, Mais, Radieschen, Erbsen und Zwiebeln wurde die Masaryk UniversitĂ€t in Brno fĂŒr eine grenzĂŒberschreitende Zusammenarbeit, unterstĂŒtzt mit Fördermitteln des Wissenschaftsfonds FWF, gewonnen, die sich mit ihren GewĂ€chshĂ€usern und Know-how zum regulĂ€ren Pflanzenwachstum einbrachte. ZunĂ€chst nahmen sich Wolfgang Buchberger und sein Team der mengenmĂ€ĂŸig stĂ€rksten Substanzklasse in geklĂ€rten AbwĂ€ssern an: nichtsteroidale EntzĂŒndungshemmer wie AcetylsalicylsĂ€ure, Diclofenac oder Ibuprofen. „Von den fiebersenkenden, schmerzlindernden und entzĂŒndungshemmenden Mitteln weisen wir im KlĂ€ranlagenabfluss insgesamt so geringe Mengen nach, dass noch keine Grenzwerte vorgegeben wurden“, beruhigt der Chemiker. Im GewĂ€chshaus kultivierten die Forscherinnen und Forscher ihre Modellpflanzen mit deutlich höheren Konzentrationen im Wasser, um Auswirkungen aufs Wachstum beobachten zu können – und verdĂŒnnten dann nach und nach. Die wichtigste Erkenntnis: Bei geringen Konzentrationen wird das Wachstum nicht beeintrĂ€chtigt, es liegt also keine akute GefĂ€hrdung vor.

Was, wo, wieviel und in welcher Form?

Apropos Wachstum: Die Modellpflanzen reprĂ€sentieren verschiedene Stoffwechseltypen und Wuchsformen. Beginnend im Wurzelbereich wurde also bestimmt, wie viel von dem Original-Wirkstoff und seinen Abbau- und Umbauprodukten (Metaboliten) sich in welchen Pflanzenteilen findet, denn es werden ja unterschiedliche Teile verzehrt. WĂ€hrend der Original-Wirkstoff bekannt und daher nachweisbar ist, musste die gesamte Palette der Metaboliten, die sich zudem von Pflanzenart zu Pflanzenart unterscheiden können, zunĂ€chst bei geringen Konzentrationen in den Extrakten aufgespĂŒrt werden. Dazu wurden die herausgelösten Substanzen mittels Massenspektrometrie und Chromatografie analysiert und anschließend ihre chemische Struktur aufgeklĂ€rt. „Wenn wir nicht wissen, was die Substanz ist und wie sie aussieht, können wir auch nichts ĂŒber ihr Reaktionsverhalten sagen. Darauf abgestimmt mussten wir die gesamte analytische Methodik und Bestimmungsmethoden aufbauen“, beschreibt Wolfgang Buchberger eine Mammutaufgabe seiner Grundlagenforschung. Zudem wurden weitere Substanzklassen wie Blutdruck- und Lipidsenker oder Antibiotika in Hinblick darauf gescreent, ob sie von Pflanzen um- oder abgebaut werden – oder nicht.

Schritt fĂŒr Schritt die Wege nachvollziehen

VorlĂ€ufig mĂŒssen wir kein kontaminiertes GemĂŒse fĂŒrchten, entwarnt Wolfgang Buchberger. Doch was gilt es fĂŒr die Zukunft im Auge zu behalten? Wenn sich intakte Antibiotika im KlĂ€ranlagenabfluss finden, werden sie weder vom Organismus noch in der KlĂ€ranlage gut abgebaut. Das gilt etwa fĂŒr manche Fluorchinolone. „Diese Antibiotikasorte wird in der Pflanze unverĂ€ndert eingelagert. Diclofenac wird hingegen im Organismus gut abgebaut. Dass wir es dennoch intakt im KlĂ€ranlagenabfluss finden, liegt wohl an den Angeboten in Salbenform, die abgewaschen werden“, sagt Buchberger und ergĂ€nzt: „Es wird auch in der Pflanze weiterverarbeitet in eine Reihe von Metaboliten.“

Mit dem Grundlagenprojekt haben die Forscherinnen und Forscher aus Österreich und Tschechien wichtige BeitrĂ€ge zum VerstĂ€ndnis der Ausbreitung von synthetischen Stoffen in der Umwelt geliefert. Nachdem hier fĂŒr die umweltanalytische Praxis zahlreiche Methoden entwickelt wurden, ist es kĂŒnftig möglich, Pflanzen auf Spuren von Arzneien und Metaboliten zu ĂŒberprĂŒfen. Die Erkenntnisse könnten im nĂ€chsten Schritt eine lohnende Aufgabe fĂŒr Fachleute der Toxikologie sein und zur Verbesserung von KlĂ€ranlagentechnologien beitragen.


Zur Person

Wolfgang Buchberger studierte Chemie in Wien und Linz. Seit 1996 ist Buchberger ordentlicher Professor fĂŒr analytische Chemie an der Johannes Kepler UniversitĂ€t Linz. Zwischen 1990 und 2015 verbrachte er mehrere Forschungsperioden in Australien. Seine Forschungsinteressen umfassen organische Spurenanalyse, Umweltanalytik, QualitĂ€tskontrolle von Materialien, analytische Hochleistungstrenntechniken und deren Kopplung mit Massenspektrometrie. Das internationale Projekt „Pharmazeutika in der Umwelt und Interaktion mit Pflanzen“ (2017–2020) wurde vom Wissenschaftsfonds FWF mit 167.000 Euro gefördert.


Publikationen

Franz Mlynek, Markus Himmelsbach, Wolfgang Buchberger, Christian W. Klampfl: A fast‐screening approach for the tentative identification of drug‐related metabolites from three non‐steroidal anti‐inflammatory drugs in hydroponically grown edible plants by HPLC‐drift‐tube‐ion‐mobility quadrupole time‐of‐flight mass spectrometry, in: Electrophoresis 2021

Franz Mlynek, Markus Himmelsbach, Wolfgang Buchberger, Christian W. Klampfl: A new analytical workflow using HPLC with drift-tube ion-mobility quadrupole time-of-flight/mass spectrometry for the detection of drug-related metabolites in plants, in: Analytical & Bioanalytical Chemistry 2020

Franz Mlynek, Markus Himmelsbach, Wolfgang Buchberger, Christian W. Klampfl: Time study on the uptake of four different beta-blockers in garden cress (Lepidium sativum) as a model plant, in: Environmental Science & Pollution Research 2020

Bernd Reichl, Markus Himmelsbach, Lisa Emhofer, Christian W. Klampfl, Wolfgang Buchberger: Uptake and metabolism of the antidepressants sertraline, clomipramine, and trazodone in a garden cress (Lepidium sativum) model, in: Electrophoresis 2018