Computerwissenschafter/innen suchen besonders effiziente Algorithmen, um komplexe Rechenaufgaben in der Personalzeitplanung zu lösen. © Shutterstock

Manche Probleme sehen einfacher aus, als sie es wirklich sind. Ein berĂŒhmtes Beispiel dafĂŒr ist das eines Handlungsreisenden, der verschiedene StĂ€dte besuchen will und den kĂŒrzesten Weg sucht, der ihn durch alle StĂ€dte fĂŒhrt. Die Lösung ist simpel: Wer alle Möglichkeiten durchprobiert, kann ganz einfach den besten Weg auswĂ€hlen. Doch die Einfachheit ist trĂŒgerisch, die Anzahl der möglichen Lösungen steigt sehr rasch mit der Anzahl der StĂ€dte. Schon bei 15 StĂ€dten gibt es 43 Milliarden mögliche Lösungen, die durchprobiert werden mĂŒssen, bei 16 StĂ€dten sind es bereits 645 Milliarden. Damit lĂ€sst sich auch der leistungsfĂ€higste Computer schnell an seine Grenzen bringen. Das Beispiel des Handlungsreisenden fĂ€llt in der Computerwissenschaft in die Kategorie der sogenannten „NP-Hard“-Probleme. Diese stellen ein Problem rechnerischer KomplexitĂ€t dar, das mindestens so schwer zu lösen ist wie das schwierigste NP-Problem. Ein anderes solches Problem aus dieser Gruppe mit hoher gesellschaftlicher Brisanz ist die Erstellung von SchichtplĂ€nen. Auch hier steigt die Anzahl der möglichen Lösungen rasant. Eine Forschungsgruppe um den Computerwissenschafter Nysret Musliu von der Technischen UniversitĂ€t Wien hat nun im Rahmen eines vom Wissenschaftsfonds FWF finanzierten Projekts versucht, besonders effiziente Algorithmen fĂŒr solche komplexen Rechenaufgaben zu finden.

Unterschiedliche Probleme

Die Thematik besteht eigentlich aus einer ganzen Reihe unterschiedlicher Fragestellungen, wie Musliu erklĂ€rt: „Die Dienstplanung von Krankenschwestern ist ein typischer Fall der Schichtzuweisung. Ein völlig anderes Problem ist die Pausenplanung, etwa in Callcentern oder bei Fluglotsen, wo es gesetzlich vorgegebene Pausen gibt.“ Weiters nennt Musliu die StundenplĂ€ne in Schulen als ein komplexes Beispiel von Zeitplanungsproblemen. Allen diesen Problemen ist gemeinsam, dass sie unter die Kategorie „NP-Hard“ fallen, also Ă€hnlich aufwĂ€ndig zu berechnen sind wie das Problem des Handlungsreisenden. Zudem sind hier Computermethoden bei Weitem noch nicht gĂ€ngig: „Im Prinzip wird das sehr oft hĂ€ndisch gemacht. Es gibt Leute, die sehr gut darin sind, solche PlĂ€ne zu erstellen. Wenn es aber um grĂ¶ĂŸere Firmen geht und wirklich die beste Lösung gesucht wird, ist das hĂ€ndisch fast nicht möglich.“ Die Forschung interessiert sich dementsprechend schon lĂ€nger fĂŒr solche in der Praxis hĂ€ufig auftretenden Fragestellungen, die unter dem Begriff Allgemeine Personalplanung zusammengefasst werden, kurz „GES“ nach dem englischen „General Employee Scheduling“. „Viele Fragestellungen aus diesem Bereich wurden in der wissenschaftlichen Literatur natĂŒrlich bereits beschrieben. Es gib gute Lösungen fĂŒr bestimmte Anwendungsbereiche“, berichtet Musliu. Allerdings unterscheiden sich manche dieser Probleme in Details, etwa bei Personalplanungsproblemen in FlughĂ€fen oder StundenplĂ€nen in Schulen, wenn in jedem Land andere Regelungen gelten. Deshalb habe es einen neuen Ansatz gebraucht, um nicht jedes Mal bei Null beginnen zu mĂŒssen.

Das allgemeine Problem formulieren

„Das Ziel dieses Projekts war es nicht nur, diese Einzelprobleme zu lösen, sondern weiterzugehen und das GES-Problem zu lösen“, sagt Musliu. Das sei quasi ein Schritt zurĂŒck von der Anwendung in die Grundlagenforschung gewesen, so der Forscher: „Wir haben verschiedene Probleme aus der Literatur analysiert und versucht, ein allgemeines Format zu entwickeln, das diese Subprobleme mit einschließt.“ Obwohl es sich um die Ergebnisse eines Grundlagenprojekts handelt, sind die gefundenen Lösungen nah an der Praxis: „Damit sind im Prinzip praktische Probleme sofort lösbar, die Aufgabenstellungen mĂŒssen nur in dieses neue Format konvertiert werden.“ Dieser neue Rahmen hilft außerdem, die Fragestellung umzukehren und nicht Angestellte auf ein bestimmtes Schichtmodell zu verteilen, sondern zu fragen, welcher Schichtplan fĂŒr ein bestimmtes Unternehmen optimal ist.

Sudoku als Modell fĂŒr Zeitplanung

Um die neuen ZugĂ€nge zu testen, haben sich Musliu und seine Gruppe im Rahmen des Projekts noch einigen speziellen Fragestellungen zugewandt. Dabei haben sie unter anderem Methoden fĂŒr Sudoku entwickelt. „Es gibt bestimmte Ähnlichkeiten mit Sudoku, aber Sudoku ist viel einfacher. Aber wir konnten zeigen, dass bestimmte Methoden, die fĂŒr Sudoku gut sind, auch beim GES gute Ergebnisse schaffen können“, sagt Musliu. „Wir haben unsere Methode mit den bisherigen Benchmarks in der wissenschaftlichen Literatur verglichen und konnten zeigen, dass wir in bestimmten Bereichen bessere Ergebnisse erzielen können.“ In einem Problem namens „Torpedo-Scheduling“, das aus der Stahlindustrie kommt, wo heißes Metall in sogenannten Torpedos transportiert wird, konnte ein Master-Student des Projekts, Lucas Kletzander, einen internationalen Wettbewerb fĂŒr den besten Algorithmus gewinnen.

Ausgangspunkt fĂŒr neue Forschungen

Das Projekt, das 2012 begann, war ursprĂŒnglich fĂŒr drei Jahre angelegt, wurde aber kostenneutral auf fĂŒnf Jahre verlĂ€ngert und letztes Jahr abgeschlossen. Die Ergebnisse waren der Ausgangspunkt fĂŒr ein „Christian Doppler Labor“ zum Thema Planung und Scheduling, das kĂŒrzlich genehmigt wurde, und dessen Leiter Musliu ist. Darin gibt es einen Teilbereich, der sich mit komplexeren Personalplanungsproblemen beschĂ€ftigt. Dabei wird nun enger mit Wirtschaftspartnern zusammengearbeitet. „Das FWF-Projekt hat hier sehr geholfen, in diesem Gebiet Fuß zu fassen“, betont Nysret Musliu.


Zur Person Nysret Musliu ist Computerwissenschafter an der Technischen UniversitĂ€t Wien. Er interessiert sich unter anderem fĂŒr KĂŒnstliche Intelligenz, Maschinenlernen und Optimierung sowie fĂŒr die Entwicklung von ZeitplĂ€nen.


Publikationen

Lucas Kletzander, Nysret Musliu: Solving the General Employee Scheduling Problem. Proceedings of the 12th International Conference of the Practice and Theory of Automated Timetabling, PATAT 2018 (pdf)
Nysret Musliu, Andreas Schutt, Peter J. Stuckey: Solver Independent Rotating Workforce Scheduling, in: van Hoeve WJ. (eds) Integration of Constraint Programming, Artificial Intelligence, and Operations Research. CPAIOR 2018. Lecture Notes in Computer Science, Springer, 2018 (pdf)
Michael Abseher, Nysret Musliu and Stefan Woltran: Improving the Efficiency of Dynamic Programming on Tree Decompositions via Machine Learning. Journal of Artificial Intelligence Research, 2017
Nysret Musliu, Felix Winter: A Hybrid Approach for the Sudoku problem: Using Constraint Programming in Iterated Local Search. IEEE Intelligent Systems, 2017