Portrait Senka Holzer
Das Herz ist ein Wunderwerk, es arbeitet nonstop, rund um die Uhr, ein Leben lang. Warum es aber zu Herzversagen kommt, und welche Rolle dabei Stress und Bluthochdruck spielen, das untersucht die FWF-START-Preisträgerin Senka Holzer. © FWF/Sabine Hoffmann

Frau Holzer, was fasziniert Sie am Herzen?

Senka Holzer: Das Herz ist ein Wunderwerk. Bei jedem Herzschlag synchronisieren sich zwei bis drei Milliarden Herzmuskelzellen mit unglaublicher Präzision. Gemeinsam kontrahieren sie sich siebzig Mal in der Minute – oder erstaunliche 100.000 Mal am Tag. So pumpt das Herz Blut durch den Körper, versorgt ihn mit Sauerstoff und Nährstoffen und transportiert Abfallstoffe ab. Noch faszinierender finde ich die Tatsache, dass sich Herzmuskelzellen im Gegensatz zu anderen Körperzellen kaum teilen, erneuern oder ersetzen. Sie arbeiten nonstop, rund um die Uhr, ein Leben lang.

Welche Wissenslücke wollen Sie in Ihrem START-Projekt schließen?

Holzer: Ich untersuche die Prozesse, die dazu führen, dass das Herz seine Funktion verliert und es zum Herzversagen kommt. Einer der wichtigsten Risikofaktoren ist Bluthochdruck, weil er das Herz zwingt, härter zu pumpen als normal. Wir wissen, dass Adrenalin als Reaktion auf Stress zunächst hilfreich ist, damit das Herz stärker und schneller schlägt. Hält der erhöhte Druck an, beginnt das Herz zu wachsen. Das kann positiv sein, zum Beispiel bei Athlet:innen, damit sie die hohe Belastung aushalten. Es kann sich aber auch negativ auswirken, indem sich die Herzzellen umprogrammieren und ihre Kontraktionsfähigkeit verlieren. Den Grund für diesen Unterschied zu finden, ist die „Million-Dollar-Frage“ in unserem Bereich.

Zur Person

Senka Holzer ist Assistenzprofessorin an der Medizinischen Universität Graz und leitet eine Forschungsgruppe an der Klinischen Abteilung für Kardiologie. Zuvor studierte sie Molekulare Medizin und verbrachte einen Forschungsaufenthalt an der Universität von Kalifornien, USA.

„Im Grunde geht es um die Frage: Wie viel Stress ist zu viel Stress?“ Senka Holzer

Welcher Hypothese gehen Sie nach?

Holzer: Ich möchte die Prozesse innerhalb der Zellen untersuchen, um die Stressphysiologie und Pathophysiologie des Herzens besser zu verstehen. Die Hypothese meines Teams ist, dass es eine ständige Kommunikationsachse zwischen den Zellorganellen für die Energieproduktion, den Mitochondrien, und dem Zellkern gibt. Wenn die Mitochondrien überlastet sind, so glauben wir, verändert die Zelle ihre genetische Antwort und damit ihre Funktionalität. Im Grunde geht es um die Frage: Wie viel Stress ist zu viel Stress?

Welche ersten Schritte planen Sie, um diese Frage zu beantworten?

Holzer: Wir haben speziell für dieses Projekt eine Methode entwickelt, mit der wir einzelne Herzzellen im Elektronenmikroskop bis ins Detail untersuchen können. Damit wollen wir analysieren, wie sich zelluläre Prozesse bei anhaltendem Bluthochdruck verändern. Dank der Methode können wir Experimente durchführen, die ich in den vielen Jahren, in denen ich auf diesem Gebiet gearbeitet habe, noch nicht umsetzen konnte. Der allererste Schritt wird jedoch sein, mich mit meinem Team zusammenzusetzen und zu diskutieren, welche unserer vielen Ideen und Ansätze wir als Erstes verfolgen sollen.

Welche Bedeutung hat der START-Preis für Ihre Forschungstätigkeit?

Holzer: Die Auszeichnung wird meine Forschung entscheidend beeinflussen, weil sie mir ermöglicht, die anspruchsvollsten Experimente mit den fortschrittlichsten Techniken durchzuführen. Durch den START-Preis habe ich die Chance, mehrere Fragen aus verschiedenen Blickwinkeln anzugehen und dabei komplexe Experimente systematisch durchzuführen. Das ist entscheidend, um sich an der Spitze der Forschung auf unserem Gebiet zu etablieren. Es ist außerdem wichtig, um den jungen Forschenden in meinem Team die nötige Unterstützung zu geben, damit sie ihre eigenen Forschungsideen und spätere Forschungsrichtungen entwickeln können.

Was motiviert Sie bei Ihrer täglichen Forschungsarbeit?

Holzer: Für mich ist es eine unbezahlbare Freude, wenn wir einen Durchbruch erzielen und verstehen, was im Organismus vor sich geht. Meine Erfahrung hat mir auch geholfen zu verstehen, dass man aus jedem Experiment etwas lernen kann. Auch dann, wenn die Dinge komplizierter sind, als wir uns das zunächst vorstellen können. Ich freue mich jedes Mal, wenn ich eine Herzzelle unter dem Mikroskop sehe. Mein Team sagt, ich habe dann einen Blick wie ein Kind, das sein Lieblingsspielzeug unter dem Weihnachtsbaum sieht. Diese Motivation ist wie angeboren – ich kann nicht viel dagegen tun, selbst wenn ich es wollte.

Zum Projekt

Im Forschungsprojekt „Energetics-Transcription Coupling in Hypertensive Heart“ geht Senka Holzer der Frage nach, wie anhaltender Bluthochdruck die Funktion von Herzmuskelzellen beeinflusst und letztlich zum Herzversagen führt. Im Mittelpunkt steht dabei die Kommunikation zwischen dem Zellkern und den Mitochondrien, den Energielieferanten der Zelle. Mit einer eigens für das Projekt entwickelten Anwendung der Elektronenmikroskopie analysiert Holzer einzelne Herzmuskelzellen, um die Vorgänge in ihrem Inneren besser zu verstehen und neue Ansätze für die Erforschung von Herzerkrankungen zu finden.

„Ich hoffe, dass meine Geschichte junge Wissenschaftlerinnen inspiriert.“ Senka Holzer

Gibt es Vorbilder, an denen Sie sich auf Ihrem Weg orientieren konnten?

Holzer: Ich habe in meiner wissenschaftlichen Laufbahn einige großartige Forscher:innen kennengelernt, die mich mit ihrer Begeisterung für die Wissenschaft inspiriert haben. Persönlich gibt es aber nur wenige, mit denen ich mich als Frau in der Forschung identifizieren kann. Es ist nicht einfach, eine Mentorin zu finden, die vorlebt, wie man erfolgreich sein kann, wenn man gleichzeitig eine junge Familie hat und aus einem anderen Land kommt. Es wäre eine große Hilfe zu sehen, dass eine andere Frau genau diese Schritte bereits gegangen ist. Ich hoffe sehr, dass meine Geschichte eines Tages andere junge Wissenschaftlerinnen inspiriert.

Der FWF-START-Preis

Das Karriereprogramm des Wissenschaftsfonds FWF richtet sich an junge Spitzenforschende, denen die Möglichkeit gegeben wird, auf längere Sicht und finanziell weitgehend abgesichert ihre Forschungen zu planen. Der FWF-START-Preis ist mit bis zu 1,2 Millionen Euro dotiert und zählt neben dem FWF-Wittgenstein-Preis zur prestigeträchtigsten und höchstdotierten wissenschaftlichen Auszeichnung Österreichs.