Eine Drohne sammelt biologische Eiskeime in der Atmosphäre. © Julia Burkart, Uni Wien

Zirruswolken beeinflussen den Strahlungshaushalt – und somit auch das Klima – auf der Erde. Die hohen Eiswolken wirken je nach räumlicher und zeitlicher Verteilung wärmend oder kühlend für die Erdoberfläche. Umso wichtiger ist es genau zu verstehen, wie Wassertropfen in Wolken zu Eiskristallen werden. So hat etwa der internationale Klima-Wissenschaftsrat IPCC (Intergovernmental Panel on Climate Change) die Wechselwirkung von Schwebepartikeln und Wolkenbildung als ein Feld definiert, in dem es zu wenig wissenschaftliche Erkenntnisse gibt. Dem Prozess der „Eisnukleation“ wie er in Wolken abläuft, widmet sich ein Team von Forscherinnen und Forschern unter Leitung des Atmosphärenchemikers Hinrich Grothe an der Technischen Universität Wien in Kooperation mit Regina Hitzenberger (Universität Wien) und Thomas Lörting (Universität Innsbruck). Unterstützt vom Wissenschaftsfonds FWF wurde die Beschaffenheit kohlenstoffhaltiger Partikel bis auf Ebene ihrer Bausteine untersucht und das Zusammenspiel von physikalischer Struktur und chemischer Beschaffenheit ihrer Oberflächen als Grundlage für wirksame Eisbildung beleuchtet.

Katalysatoren bei der Eisbildung

Eiswolken bilden sich in der mittleren und oberen Troposphäre, rund acht Kilometer über der Erdoberfläche. Der Übergang von Wassertropfen zu Eiskristallen passiert bei reinem Wasser erst bei sehr niedrigen Temperaturen (um die minus 38 Grad Celsius). Kleine Partikel, sogenannte Eiskeime, die von der Erdoberfläche bis in die oberen Atmosphärenschichten verfrachtet oder direkt von Flugzeugtriebwerken ausgestoßen werden, können als „Katalysatoren der Eisbildung“ wirken. An oder um die Eiskeime findet der Phasenwechsel von flüssigem Wasser zu Eis dann schon bei höheren Temperaturen statt. Als Eiskeime kommen in der Troposphäre Mineralstaub und biologisches Material (Pollen, Pilzsporen, Makromoleküle) ebenso infrage wie Rußpartikel aus Verbrennungsprozessen.

Aufnahmen von Rußpartikel: a) Original b) nach Reaktion mit Stickstoffdioxid c) nach Reaktion mit Schwefeldioxid. © Thomas Häusler, TU Wien

„Wir fragen uns, was einen Eiskeim zu einem besonders guten ‚Katalysator‘ macht. Da Ruß in der Troposphäre reichlich vorhanden ist, haben wir verschiedene Arten von Rußpartikeln mit anderen potenten Eiskeimen verglichen und ihre mögliche Wechselwirkung mit Wasser bis zum molekularen Aufbau heruntergebrochen“, erklärt Projektleiter Hinrich Grothe von der TU Wien. Die Antwort nach der Frage, ob Struktur oder Oberfläche, also die Physik oder die Chemie der Eiskeime eine größere Bedeutung für die potente Eisbildung haben, fällt als Ergebnis der Analysen salomonisch aus: Beides ist wichtig. Im Falle von Ruß ändert sich seine Fähigkeit, als Eisnukleator zu wirken sogar mit der Zeit, da er an seiner Oberfläche in unserer Atmosphäre immer mehr oxidiert.

Ruß plus: Je länger, desto lieber

Wer schon einmal versucht hat, Ruß mit reinem Wasser von einer Oberfläche abzuwaschen weiß, dass sich die beiden nicht gerne verbinden. Biologisches Material oder auch Rußpartikel verändern sich jedoch im Lauf der wochenlangen Verweildauer in der Atmosphäre. In den Versuchsreihen konnte gezeigt werden, dass sich chemische Verbindungen anlagern oder auswaschen und die Oberflächenstruktur der Partikel modifizieren. So können sie als Eiskeime stärker werden oder aber auch schwächer. Zudem ist Ruß nicht gleich Ruß, selbst wenn er aus demselben Verbrennungsmotor stammt. Im Labor wurden verschiedene Rußpartikel gezielt hergestellt, modifiziert und parallel ihre eisbildende Potenz geprüft und charakterisiert. Als vereinfachtes Modell wurde auch Graphen getestet, das schichtweise zusammengesteckt Rußpartikel aufbaut. Verglichen wurden die Rußpartikel mit biologischen Materialien aus Borke und Blättern von Birken, das sind natürliche Frostschutzspezialisten, und Pseudomonas syringae, einem Bakterium, das bei der künstlichen Beschneiung zum Einsatz kommt. Dabei zeigte sich, dass Rußpartikel keine Super-Eiskeime sind. Ihre weite Verbreitung, Verweildauer und Veränderbarkeit durch chemische Reaktionen machen sie dennoch zu wichtigen „Katalysatoren“ für die klimarelevante Eiswolkenbildung. Damit werden sie zu einer relevanten Größe für die Berechnung von Strahlungsbilanzen und für die räumliche und zeitliche Verteilung von Eiswolken.


Zur Person Hinrich Grothe vom Institut für Materialchemie der Technischen Universität Wien hat sich in Physikalischer Chemie habilitiert. Er hat in Dresden und Hannover studiert und in Tieftemperatur-Spektroskopie promoviert. Grothe beschäftigt sich seit vielen Jahren mit der Entstehung von Eiswolken und leitet die Sektion Atmosphärenchemie & Aerosole der European Geosciences Union (EGU).


Publikationen

Theresa Haller, Christian Rentenberger, Jannik C. Meyer, Laura Felgitsch, Hinrich Grothe, Regina Hitzenberger: Structural changes of CAST soot during a thermal-optical measurement protocol, in: Atmospheric Measurement Techniques, Vol. 12, 7, 2019
Thomas Häusler, Paul Gebhardt, Daniel Iglesias, Christoph Rameshan, Silvia Marchesan, Dominik Eder, Hinrich Grothe: Ice Nucleation Activity of Graphene and Graphene Oxides, in: Journal of Physical Chemistry C, Vol. 122, 15, 2018
Laura Felgitsch, Philipp Baloh, Julia Burkart, Maximilian Mayr, Mohammad E. Momken, Teresa M. Seifried, Philipp Winkler, David G. Schmale III, Hinrich Grothe: Birch Leaves and branches as a source of ice-nucleating macromolecules, in: Atmospheric Chemistry and Physics, Vol. 18, 21, 2018