Martim Kaps
Veterinärmediziner und Schrödinger-Stipendiat Martim Kaps zog es nach Nebraska, um tief in die Wissenschaft der Reproduktionsmedizin einzutauchen. © privat

Meist waren es Verwunderung und Unglaube auf den Gesichtern meiner Freunde und Kolleg:innen, als ich das erste Mal davon berichtete, für ein Jahr nach Nebraska zu gehen. Im Allgemeinen ist der Bundesstaat im Herzen der USA wenig populär und, wenn überhaupt, bei Europäer:innen meines Alters lediglich als Heimatstaat von Penny aus „The Big Bang Theory“ bekannt.

Nur wenige wissen, dass im Herzen Nebraskas ein Hotspot für Nutztierwissenschaften zu finden ist, das USDA Meat Animal Research Center (USMARC). Auf einer Fläche von 14.000 Hektar werden hier etwa 30.000 Tiere, davon neben Schafen und Schweinen etwa 6.200 Rinder, gehalten. Hier wird an vielen Aspekten der Tierhaltung geforscht, unter anderem in der Reproduktionsphysiologie.

Aufs Rind umgesattelt

Im Rahmen meines Doktorats an der Veterinärmedizinischen Universität Wien habe ich mich mit der Funktion des Eierstocks beim Pferd beschäftigt. Eine Kernfrage war, wie die Beeinflussung der Eierstockfunktion das Verhalten der Stute ändert. Neben vielen weiteren spannenden Themen, die die Reproduktionsmedizin bei Tieren zu bieten hat, hat sich der Eierstock mit seinen vielen tausend Follikeln und Eizellen zum Zentrum meines Forschungsinteresses entwickelt.

Dieses habe ich mit meinen derzeitigen Kolleg:innen gemeinsam. Inwiefern die Anzahl der Follikel auf dem Eierstock (der sogenannte Antral Follicle Count) mit Fruchtbarkeitsparametern korreliert, ist schon länger eine zentrale Frage, der am USMARC nachgegangen wird. Und tatsächlich besteht ein direkter Zusammenhang. Zum Beispiel sind Rinder mit höherem AFC über einen längeren Zeitraum fruchtbar als jene mit niedrigem AFC. Nachdem meine Doktoratsbetreuerin in Wien mich mit der Gruppe am USMARC in Kontakt gebracht und ich mich mit deren Publikationen vertraut gemacht hatte, war relativ schnell klar: Dort will ich hin – auch wenn es Nebraska ist.

Neue Methoden, neue Maßstäbe

Das Erwin-Schrödinger-Stipendium des FWF hat dies möglich gemacht. Im Rahmen unseres Projektes untersuchen wir, ob sich durch einen Futtermittelzusatz (auf Basis getrockneter Hefe) die Fruchtbarkeit bei Rindern mit niedriger Follikelanzahl verbessert. Um die Einflüsse des Futtermittels auf die Fruchtbarkeit zu untersuchen, nutzen wir ein breites Methodenspektrum wie Genexpression, Hormonanalysen und künstliche Befruchtung von Eizellen im Labor. Die Entwicklung der resultierenden Embryonen wird mithilfe von Zeitrafferanalysen genauestens studiert.

Mit dem Beginn meiner Arbeit am USMARC hat sich vor allem eines geändert: der Maßstab. Vom Projektrahmen über Tierzahl bis Probenumfang – alles ist im Vergleich zu vorherigen Projekten etwas größer geworden. Damit steigt neben der Verantwortung vor allem auch die Zahl der Möglichkeiten und Perspektiven, um die Kernfragen des Projektes zu betrachten und zu beantworten.

Schluss mit Wiener Schmäh

Natürlich hatte ich vor meinem Umzug über den Atlantik einige Sorgen, aber genauso aufgeregt war ich über die Möglichkeit, am USMARC forschen zu dürfen. Am Ende war der Prozess, ein Visum zu bekommen, die einzige administrative Hürde, die etwas mehr Zeit beanspruchte. Abseits der Arbeit ist das Leben in Nebraska ungefähr so, wie man es sich vorstellt: Es gibt viel Mais, viele Rinder, beeindruckende Sonnenaufgänge und Sonnenuntergänge und ganz viel Nichts. Ideale Bedingungen, um sich auf die Wissenschaft zu konzentrieren. Auch die Unterschiede in der Mentalität sind deutlicher spürbar als gedacht. Intensiver Smalltalk und ein hohes Maß an Freundlichkeit gehören zur Etikette. Das kann schon eine Herausforderung sein, wenn man zuvor fünf Jahre Wiener Direktheit genossen hat.

Mit dem Wechsel von der Uni in Wien an eine reine Forschungseinrichtung fiel auch die intensive Interaktion mit Studierenden und die klinische Arbeit als Tierarzt weg. Beides fehlt mir, wird aber durch die Begeisterung für das wissenschaftliche Arbeiten und die vielseitigen Möglichkeiten am USMARC gut kompensiert. Im Rahmen des Schrödinger-Stipendiums kann ich meinen wissenschaftlichen „Werkzeug- und Ideenkoffer“ weiter füllen. Dass ich mir eine Zukunft ohne wissenschaftliches Arbeiten einmal nicht mehr würde vorstellen können, ist eine Wendung, die ich nach meinem Veterinärstudium für unmöglich gehalten hätte. Aber Pläne ändern sich – zum Glück!

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