Verbesserte Ernährung für sehr leichte Frühchen
Komplikationen sind gleichsam täglich Brot in der Neonatologie. Wenn ein Baby viel zu früh auf die Welt kommt, sind seine Organe nicht ausgereift, seine Gesundheit und Körperfunktionen entsprechend fragil. Lungenschwäche, Gehirnblutung, Leber- und Darmprobleme sowie bakterielle Infektionen gehören zu den typischen Krankheitsbildern. Entsprechend alert, nervenstark und einfühlsam muss das medizinische Personal im Dienst sein. Dennoch überstehen heute Frühchen geboren ab der 23. Schwangerschaftswoche die schwierigen Wochen im Brutkasten meist ohne bleibende Schäden. In der Frühgeborenen-Station des Wiener Allgemeinen Krankenhauses (AKH) haben Kinderarzt Andreas Repa und sein Team, unterstützt vom Wissenschaftsfonds FWF, die bisher größte klinische Ernährungsstudie nach den strengsten Methoden (randomisiert und verblindet) mit Frühgeborenen unter einem Kilo Geburtsgewicht durchgeführt. Verglichen wurden zwei zugelassene Fettlösungen für die Ernährung über eine Venensonde in Hinblick auf eine typische Komplikation im Zusammenspiel von Galle und Leber (Cholestase) der Frühgeborenen.
Von der Nährlösung zur Muttermilch
Im Brutkasten muss die Ernährung mit Muttermilch schrittweise etabliert werden. Um die früh geborenen Babys zunächst mit lebenswichtigen Fetten, Eiweiß, Zucker und Elektrolyten zu versorgen, wird neben einer Magensonde auch ein Venenzugang für die Ernährung gelegt. Zunächst läuft der Großteil der Ernährung über die Infusion. „Im Verlauf von Wochen sollten die Frühchen soweit aufgebaut sein, dass diese entfernt werden kann und die Kinder ausschließlich Muttermilch über die Magensonde bekommen. Wenn die Kinder aufgrund von Komplikationen lange über die Infusionen ernährt werden, steigt das Risiko für eine Cholestase, einen Gallerückstau in der Leber“, erklärt Andreas Repa im Gespräch mit scilog. Muss die Nährlösung lange verabreicht werden, könnte die Art der verabreichten Fette einen Unterschied machen, so die These des Forscherteams im AKH. In einer Studie verglich das Team um Andreas Repa daher das seit Jahren verwendete Präparat auf Basis von Sojaöl mit einem Präparat aus Sojaöl, Kokosöl, Olivenöl und Fischöl. Es galt herauszufinden, ob ein Umstieg sich positiv auf die Komplikationsrate von Cholestasen auswirken könnte.
Studie ohne zusätzliche Blutabnahmen
„Wir haben die Babys nicht einmal mehr gestochen als vorgesehen“, berichtet der Kinderarzt. Studienrelevante Werte wurden nur im Rahmen routinemäßiger Blutabnahmen und EEG-Messungen erhoben. Das Team um Andreas Repa überzeugte zwischen 2012 und 2015 mehr als 200 Eltern ihre Frühgeborenen mit unter einem Kilo Körpergewicht an der Studie teilnehmen zu lassen: 100 Babys bekamen das Sojapräparat, 100 Babys das gemischte Ölpräparat, wobei weder das medizinische Personal noch die Eltern wussten, wer was bekommt und negative Effekte ausgeschlossen waren, denn beide Präparate sind für Frühgeborene zugelassen. Die Menge der Fette über die Venensonde wurde nicht verändert, nur deren Zusammensetzung, um eventuell unbekannte positive Zusatzeffekte aufzudecken.
Signifikante Effekte in Gehirn statt Galle
Für die alternative Nährlösung konnte keine signifikante Verbesserung in Hinblick auf Gallenkomplikationen gezeigt werden. Eine Überraschung zeigte sich aber im EEG: „Babys, die das gemischte Präparat bekommen hatten, zeigten rascher reifere Gehirnströme. Wir führen das auf den höheren Gehalt an DHA zurück. Diese Omega-3-Fettsäure wird im Mutterleib massiv in Netzhaut und Gehirn der Embryos geleitet und hilft beim Ausreifen dieser Organe“, erklärt der Projektleiter. Basierend auf Erfahrungswerten der Abteilung für Neonatologie wurde angenommen, dass ein Viertel der frühen Frühgeborenen eine Cholestase bekommt. „Weil in der Kontrollgruppe mit der Sojalösung die Komplikationsrate im Verlauf der Studie abgenommen hat, waren unsere hohen Fallzahlen dennoch zu klein für ein statistisch eindeutiges Ergebnis. Die Cholestase trat in der Kontrollgruppe bei 16 Prozent der Frühchen auf, in der Gruppe mit dem neuen Produkt waren es 10 Prozent“, erklärt Andreas Repa. Das Ergebnis der begleitenden EEG-Untersuchungen war hingegen statistisch signifikant. In der Neonatologie des AKH ist man deshalb bereits auf das neue Präparat, das auch Fischöl enthält, umgestiegen. In einer Folgestudie würde sich Andreas Repa gerne etwaige positive Effekte der Fettsäure-Zusammensetzung genauer ansehen und sucht dafür bereits Kooperationspartner.
Zur Person Andreas Repa ist Kinderarzt spezialisiert auf Neonatologie in der Klinischen Abteilung für Neonatologie, Pädiatrische Intensivmedizin und Neuropädiatrie der Universitätsklinik für Kinder- und Jugendheilkunde (AKH) in Wien. Im Rahmen des Doktoratsprogramms „Endokrinologie“ der Medizinischen Universität Wien führt er klinische und präklinische Studien zur parenteralen Ernährung von Neugeborenen und (sehr leichten) Frühgeborenen durch.
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