„Alles ist letztlich eine Frage der Landnutzung.“ Ein Forschungsprojekt unterstützt Stakeholder dabei, nachhaltige Modelle für die Zukunft zu entwickeln. Bild: Mostviertel © Bwag/Wikimedia

„You can’t have your cake and eat it“, ist das englische Sprichwort für eine Situation, in der man sich entscheiden muss. Wenn beides auf einmal nicht geht, spricht man in der Ökonomie von einem „Trade-off“, also einem Zielkonflikt. „Alles was wir essen, auch saubere Luft und Wasser, eine vorteilhafte CO2-Bilanz, Energieproduktion, Erosionsschutz, Schadstoffablagerungen, Freizeit- und Tourismuswirtschaft, Naturschutz, Arbeitsplätze oder das Dach über unserem Kopf sind letztlich eine Landnutzungsfrage“, erklärt Martin Schönhart vom Institut für Nachhaltige Wirtschaftsentwicklung an der Universität für Bodenkultur. Es gibt hier – um im Bild zu bleiben – keinen „free lunch“, stellt der Landnutzungsexperte klar. Wenn auf einem Feld hohe Erträge mit intensiver Bewirtschaftung erzielt werden, werden auf derselben Fläche meist weniger Ökosystem-Dienstleistungen wie etwa Bodenschutz, Wasseraufbereitung, Kühlung, Bestäubung etc. erbracht und weniger Artenvielfalt beheimatet. Für das europäische Projekt „Towards multifunctional agricultural landscapes in Europe“, kurz TALE, wurden am Institut für Nachhaltige Wirtschaftsentwicklung realistische, aber durchaus extreme Szenarien zur Abwägung von Trade-offs entwickelt. Zum anderen wurden methodische Protokolle zur Abwicklung der Diskussion über Landnutzungsszenarien aufgesetzt. In fünf Modellregionen haben Fachleute aus Landwirtschaft, Naturschutz, Regionalentwicklung, Tourismus und Zivilgesellschaft in moderierten Stakeholder-Prozessen beraten, ob, wie und welche Flächen künftig genutzt werden und wie sich das auswirken könnte.

Nutzen oder schonen – das ist hier die Frage

Das Team an der Universität für Bodenkultur (neben Martin Schönhart auch Katrin Karner und Erwin Schmid) beteiligte sich, unterstützt vom Wissenschaftsfonds FWF, an einem ERA-NET Verbundprojekt, koordiniert vom Umweltforschungszentrum Leipzig-Halle, mit weiteren Partnern in Spanien, Deutschland, den Niederlanden und der Schweiz. „Manche qualifizieren solche Diskussionsprozesse mit Stakeholdern als unwissenschaftlich. Tatsächlich haben wir aber keine andere Möglichkeit über die Zukunft zu sprechen als über Szenarien, die auf begründeten Parametern, Landnutzungsdaten und akzeptierten Indikatoren aufbauen“, nimmt Martin Schönhart möglicher Kritik den Wind aus den Segeln. Konkret wurden die zwei Szenarien „land sparing“ und „land sharing“ aufbereitet. „Land sparing“ setzt auf Schutzgebiete und Brachflächen, die intensiv genutzte Lagen kompensieren sollen. Das Konzept ist vor allem im flächenverwöhnten Australien, Nord- oder Südamerika verbreitet. Als eher europäischer Ansatz gilt die geteilte Nutzung derselben Fläche mit einem entsprechenden Management der Trade-offs zwischen „Produktivität“ und „Natürlichkeit“. Für beide wurde heruntergebrochen, wie sich das auf die Förderlandschaft auswirkt, wo Nutzung, Urbanisierung oder Infrastruktur (un)möglich wäre, wie attraktiv so eine Landschaft ist und was sie leistet.

Mögliche Nutzungskonflikte im Mostviertel

Martin Schönhart arbeitet bereits seit seiner Dissertation in der Region Mostviertel, die im Norden intensiv ackerbaulich genutzt wird. Im Süden hingegen dominieren Grünland- und Rinderwirtschaft. Die extensiv genutzten Streuobstwiesen und vielfältige Landschaftselemente findet man eher dort. Sie werden als touristischer Anziehungspunkt vermarktet: „Wir bringen erstmals Biodiversität und Landschaftsattraktivität als Werte für die Landnutzung ein und schaffen so ein greifbares Bild möglicher Konflikte. Zunächst beurteilten die Stakeholder die aktuelle Situation der Region und diskutierten anschließend, welche künftige Landnutzung plausibel ist.“ Danach erfolgte die konkrete Quantifizierung und Zuordnung: Wie und welche Flächen würden genutzt oder nicht mehr. Darauf basierend wurden künftige Landschaften in anschaulichen Karten modelliert und erneut besprochen.

Trends und notwendige Veränderungen

Die Stakeholder kamen überein, dass eine hinsichtlich Ökosystemleistungen ausbalancierte Landschaft Richtung „land sharing“ eher ihren Bedürfnissen entspricht. Sie beobachten gegenwärtig, dass einerseits eine extensive Grünlandbewirtschaftung aufgegeben wird, wodurch Flächen verwalden.  Andererseits wird intensiviert, wo dies agronomisch möglich ist. Das würde eher der Idee von „land sparing“ entsprechen. TALE analysierte innovative Agrarpolitiken, etwa Kooperativen zum agrarischen Umweltschutz, die Möglichkeiten böten, den Trends entgegenzuwirken. Den Stakeholdern war aber bewusst, dass es auch andere Veränderungen, etwa im Konsumverhalten der Menschen bräuchte, um bestimmte Landnutzungen zu erhalten oder zu erreichen. In Österreich sind rund zwei Drittel der Staatsfläche von Gebirge bedeckt. Für das übrige Flächendrittel machen erschreckende Zahlen zum Bodenverlust die Runde. Die Ergebnisse des Projekts kommen also gerade rechtzeitig, um zukunftsgerechte Agrar-, Klima-, und Naturschutzpolitik zu gestalten.


Zur Person Martin Schönhart ist Absolvent der Universität für Bodenkultur Wien. Er arbeitet als wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Nachhaltige Wirtschaftsentwicklung mit den Forschungsschwerpunkten Integrative Landnutzungsmodellierung, Klimawandel und Ökosystemdienstleistungen.


Mehr Informationen zum Projekt https://www.ufz.de/tale/


Publikationen

Karner, K., Cord, A.F., Hagemann, N. et al.: Developing stakeholder-driven scenarios on land sharing and land sparing – Insights from five European case studies. Journal of Environmental Management 241, 488–500, 2019
Hagemann, N., van der Zanden, E.H., Willaarts, B.A. et al.: Bringing the sharing-sparing debate down to the ground – Lessons learnt for participatory scenario development. Land Use Policy (in Druck)