Weiblicher Teenager in einer Schule mit Handy und Kaffeebecher in der Hand.
Englisch geht immer mehr in den selbstverstĂ€ndlichen Sprachgebrauch von Jugendlichen ĂŒber. © unsplash+

Sprache ist lebendig und stĂ€ndig im Wandel begriffen, denn neue Entwicklungen erfordern auch neue Bezeichnungen. In der deutschen Sprache sind das hĂ€ufig Anglizismen. Besonders deutlich wurde das in der Coronapandemie, als Lockdown, Social Distancing und Homeoffice wie von selbst Teil der Alltagssprache wurden. Gleichzeitig fĂŒhrte die soziale Isolation dazu, dass digitale Medien boomten. Es wurde gestreamt, gechattet, gezoomt, gelernt, gesungen – große Teile des Alltags spielten sich online ab. Viele dieser Inhalte wie Filme, Serien, Computerspiele, Songs oder soziale Medien sind in Englisch.

Wie sich das auf den Sprachgebrauch der Generation Z auswirkt, untersucht aktuell die Soziolinguistin Julia Davydova an der PĂ€dagogischen Hochschule Vorarlberg, gefördert durch den Wissenschaftsfonds FWF. Dazu hat die Projektleiterin 630 Jugendliche zwischen 14 und 18 Jahren umfassend zu ihrem Medienverhalten befragt. Die Forscherin interessiert, wie und in welchem Ausmaß die SchĂŒler:innen Englisch verwenden, um Serien, TikTok oder Plattformen wie Facebook und Twitter zu nutzen. DarĂŒber hinaus will sie herausfinden, welche Inhalte sie bevorzugen und wie ihr Englischgebrauch auch andere Lebensbereiche wie Schule, Freizeit oder Interaktionen mit Gleichaltrigen beeinflusst. Neuere Studien könnten uns Hinweise liefern, wie massiv die Ausbreitung des Englischen in unserem Alltag durch das Internet voranschreitet, doch bisher gebe es noch wenige Untersuchungen, die das auch quantifizieren, sagt die Projektleiterin.

Hoher Englischkonsum in der Freizeit

Nun liegen erste Auswertungen aus dem laufenden Projekt vor, die die Hypothese der Sprachwissenschaftlerin untermauern: Jugendliche sind keine klassischen Fremdsprachenlernenden mehr, wenn es um Englisch geht. Sie wachsen mit der Sprache Ă€hnlich wie mit den digitalen Medien auf und benĂŒtzen sie im Alltag als Teil des dazugehörigen linguistischen Repertoires. Vor diesem Hintergrund stellt sich die Frage, inwiefern die massive Verbreitung und zunehmende ZugĂ€nglichkeit der digitalen Medien die Kernbereiche der Sprache beeinflussen kann. Denn eines steht fest: Die Medien haben nicht nur die Gewohnheiten der Konsument:innen verĂ€ndert. Sie spielen auch eine zunehmend große Rolle bei der Gestaltung des sozialen Lebens. Diese Beobachtungen sind von besonderer soziolinguistischer Bedeutung, da man bisher angenommen hat, dass der Sprachkontakt und der einhergehende Sprachwandel vor allem ĂŒber persönliche Kontakte ablaufen.

Von den befragten 14- bis 18-JĂ€hrigen gaben knapp 57 Prozent an, Englisch tĂ€glich im Internet zu nutzen. Davon verbringen die Jugendlichen viel Zeit in sozialen Netzwerken wie TikTok (65,9 %), YouTube (51,3 %) oder Facebook und Twitter (47,5 %). Fragt man, wofĂŒr das Internet genutzt wird, fĂ€llt das Ergebnis noch eindeutiger aus. Knapp 71 Prozent geben an, es fĂŒr Unterhaltungszwecke zu nutzen, wĂ€hrend es fĂŒr Bildungsfragen lediglich 39 Prozent zu Rate ziehen.

Englische Serien vermitteln Alltagssprache

Netflix und Amazon werden am hĂ€ufigsten genutzt. Knapp 54 Prozent aller Befragten geben an, mindestens zwei- bis dreimal pro Woche englischsprachige Filme und Serien zu sehen. Dabei tauchen verblĂŒffenderweise auch alte Bekannte auf: „Friends“, „Peaky Blinders“ und „Grey’s Anatomy“ fĂŒhren die Liste der beliebtesten Serien an. Die Soziolinguistin geht hier auch der Frage nach, wie stark sich Medien- und Alltagssprache ĂŒberlappen. Das lĂ€sst sich zum Beispiel ĂŒber emotionale Sprache identifizieren. Hinweise dafĂŒr liefern Modaladverbien, im Englischen als intensifiers bekannt, in den Serien, um die QualitĂ€t der Aussagen zu steigern. Begriffe wie really, very, pretty, totally oder Doppelungen wie so very nice sind beliebte emotionale VerstĂ€rker in den ErzĂ€hlungen – Alltagssprache, die berĂŒhrt und die Protagonist:innen authentisch wirken lĂ€sst. ZusĂ€tzlich zum schulischen Unterricht, der nach wie vor eine wichtige Quelle des Fremdsprachenerwerbs darstellt, liefert das Internet muttersprachliches Know-how in die Wohnzimmer der Jugendlichen.

Die aktuelle Studie zeigt besonders deutlich, wie weit das Englische bereits in die Lebenswelt der Jugendlichen vorgedrungen ist. Mehr als die HÀlfte der Befragten gibt an, auch in privaten GesprÀchen Englisch unter anderen Sprachen zu verwenden. Davon verwendet knapp ein Viertel Englisch tÀglich, um sich mit Freunden in der Schule zu unterhalten. In etwa gleich viele (19,5 Prozent) tun das auch im Kontakt mit engen Freunden und Verwandten.

Englisch als Zweitsprache der Generation Z

„Diese Ergebnisse sind insofern aufschlussreich, als sie einen Beitrag zu den bestehenden empirischen Arbeiten leisten, die darauf hindeuten, dass zumindest in einigen westeuropĂ€ischen LĂ€ndern das Englische systematisch in die traditionellen Bereiche der Muttersprache wie zum Beispiel PrivatgesprĂ€che eingedrungen ist“, betont Davydova. Die Wissenschaftlerin bezieht sich unter anderem auf eine identische Umfrage, die sie im Jahr 2020 an der UniversitĂ€t Mannheim mit 172 Student:innen durchfĂŒhrte. Nur 10 Prozent der Mannheimer Befragten gaben an, Englisch im informellen Gebrauch tĂ€glich zu verwenden, im Vergleich zu 22,5 Prozent in der aktuellen Studie.

Interessant am Vergleich ist, dass die Mannheimer Kohorte, obwohl sie der gleichen Generation wie die Vorarlberger Jugendlichen angehört, im Durchschnitt zehn Jahre Ă€lter ist. „Das bedeutet, dass wir eine sichtbare Zunahme der Verwendung des Englischen in der tĂ€glichen Sprachpraxis innerhalb kurzer Zeit und unter einem Teil der JĂŒngeren der gleichen Generation feststellen können“, sagt Davydova.

Soziolinguistischer Wandel

Wenn das Englische zunehmend in die intimen Bereiche des sozialen Lebens eindringt, kommt ihm nicht mehr die Rolle einer Fremdsprache, sondern einer Zweitsprache zu, lautet das Fazit der Forschenden. Es wird zur psycholinguistischen RealitĂ€t einer nicht zu unterschĂ€tzenden Menge der Digital Natives. „StĂ€ndiges Online-Streaming ermöglicht es jungen Menschen, die dazu bereit sind, das Englische so weit zu verinnerlichen, dass sie in der Lage sind, es zusĂ€tzlich zu den germanischen VarietĂ€ten relativ frei und als Reaktion auf ihre unmittelbaren soziolinguistischen BedĂŒrfnisse zu handhaben, wie zum Beispiel im GesprĂ€ch mit ihren Freunden“, stellt Davydova fest. Oder anders gesagt: Englisch wird zusehends zu einem selbstverstĂ€ndlichen Kommunikationsmittel fĂŒr immer mehr Jugendliche und ist Teil ihres tĂ€glichen Medienkonsums – totally, really!

Zur Person

Julia Davydova ist Soziolinguistin an der PĂ€dagogischen Hochschule Vorarlberg. Sie hat sich an der UniversitĂ€t Mannheim in Englischer Linguistik habilitiert und ist ihre Professur in diesem Fach 2018 in Vorarlberg angetreten. Das Projekt „Sprachliche Variation in englischsprachigen Massenmedien“ lĂ€uft noch bis 2025 und wird vom Wissenschaftsfonds FWF mit 118.000 Euro gefördert. In KĂŒrze erscheint die erste Publikation aus dem Grundlagenprojekt.