Die Schrödinger-Stipendiatin Verena Kohler hat in Stockholm ihr perfektes Gastlabor gefunden. © Privat

Schon zu Beginn meiner Doktorarbeit war mir klar, dass ich eine wissenschaftliche Karriere anstreben möchte, mit dem großen Ziel, in der Zukunft meine eigene Gruppe zu leiten. Auslandserfahrung in Kombination mit einem eigenen durch Drittmittel finanzierten Forschungsprojekt ist dabei ein großer Vorteil für spätere Konkurrenzfähigkeit. Deshalb habe ich im vorletzten Jahr meiner Dissertation damit begonnen, mich intensiv mit verschiedenen Möglichkeiten für Postdoc-Stipendien im Ausland auseinanderzusetzen, und bin sehr schnell auf das Erwin-Schrödinger-Stipendium des FWF gestoßen.

Die größte Herausforderung war für mich, einen Forschungsschwerpunkt und ein dazu passendes Gastlabor zu finden. Ich wollte zwar mein bisheriges methodisches Repertoire einsetzen können, vor allem aber neue wissenschaftliche Kompetenzen und eine andere Perspektive erwerben. Ein Thema, das mich immer interessiert hat, war Proteinhomöostase. Mich fasziniert die Fähigkeit von Zellen, die Produktion, Instandhaltung und den Abbau von Proteinen exakt über Organellgrenzen zu koordinieren. Aus dieser Idee entstand dann ein erster Entwurf meines Projektplans, der große Zustimmung von meinem Gastprofessor Claes Andréasson an der Universität Stockholm gefunden hat. Ein Hauptkriterium, warum ich Professor Andréasson für dieses Projekt gewinnen wollte, war neben seinem umfassenden Fachwissen die interdisziplinäre Arbeitsweise seiner Gruppe. Ein weiterer essenzieller Punkt war und ist für mich die zwischenmenschliche Ebene. Besonders in anspruchsvollen Zeiten ist es unglaublich wichtig, einen Mentor zu haben, der motiviert und bestärkt, ohne auf konstruktive Kritik zu verzichten.

Über den Tellerrand blicken

Im Zuge meines Projekts versuche ich mit Hilfe von Hefe als Modellorganismus Proteinhomöostase und interorganellare Kommunikation in Zusammenhang mit Zellalterung zu verstehen. Neben Besprechungen in der Arbeitsgruppe helfen regelmäßige Gruppentreffen und Meetings, die über den Forschungsschwerpunkt hinausgehen, mein Projekt immer wieder neu auszurichten und bestehende Hypothesen zu evaluieren. Die Möglichkeit, vom Wissen führender Expertinnen und Experten zu profitieren, hat nicht nur mein Projekt vorangetrieben, sondern mich darüber hinaus inspiriert, stärker über den Tellerrand hinauszublicken.

Ein unendlich wichtiger Bestandteil, um mich in Schweden zuhause zu fühlen war, dass mein langjähriger Partner, ebenfalls Biochemiker, mit mir nach Stockholm umgezogen ist. Daher hat sich vor allem mein Privatleben während dieser Auslandsphase kaum von meinem bisherigen in Österreich unterschieden. Als Ausgleich zur fordernden Laborarbeit unternehme ich sehr gerne ausgedehnte Wandertouren, im Sommer auch mit Schwimmpausen in den unzähligen Seen um Stockholms Län.

Ein Virus und die Krise

Ein großer Einschnitt in mein soziales und berufliches Leben war und ist die Coronakrise. Nicht nur die soziale Distanz zu Arbeitskollegen und Freunden, sondern auch das Wegfallen aller wissenschaftlichen Konferenzen und die massiven Einschränkungen im Labor dämpften meine ursprüngliche Euphorie. Die Möglichkeit, meine Auslandsphase coronabedingt um 3 Monate zu verlängern, hat daher eine große Last von meinen Schultern genommen.

Alles in allem bin ich sehr froh, diese einmalige Chance in Schweden ergriffen zu haben, und der Abschied von meinen Arbeitskolleginnen und -kollegen hier wird mir wahrscheinlich ähnlich schwerfallen wie vor etwas mehr als zwei Jahren in Österreich.