Christiana Staudinger unterwegs im Labor und in Perth, Australien. © Privat

Nach Perth führte mich meine Faszination für das unterirdische Leben der Pflanzen. Nach meinem Doktoratsstudium an der Universität Wien arbeitete ich zwei Jahre im Unternehmen meiner Familie mit. In dieser Zeit boten sich mir viele Möglichkeiten, Neues zu lernen, und ich erlebte schöne Momente mit Angestellten, Klientinnen und Klienten. Dennoch blieb im Hintergrund immer der Wunsch präsent, einen Beitrag zum Verständnis für die Prozesse zu liefern, mit denen Pflanzen auf den sie umgebenden Boden einwirken und dafür, wie verschiedene Spezies unterirdisch in Interaktion treten. So bewarb ich mich für ein Schrödinger-Stipendium des FWF, um in den Forschungsgruppen der führenden Pflanzenforscher Hans Lambers und Harvey Millar an der University of Western Australia mitzuarbeiten.

Leben unter Extrembedingungen

Das Leben in Perth, der Hauptstadt von Westaustralien, ist in vielerlei Hinsicht einzigartig. Perth ist die abgelegenste Großstadt der Welt – die nächstgelegene Stadt mit mehr als einer Million Einwohnern liegt 2.100 km weiter östlich. In welche Richtung man auch fährt, sobald man die Vororte der Stadt verlässt, wird die leere Weite des australischen Kontinents spürbar. Man ist umgeben von uralten Landschaften, deren Böden zu den unfruchtbarsten der Welt zählen. Doch überraschenderweise ist diese Region voller Leben und gilt aufgrund ihrer vielfältigen und artenreichen Flora als einer der 25 Biodiversitäts-Hotspots der Erde. Die Pflanzen haben sich an die speziellen Umweltbedingungen, die hier herrschen, durch besondere ökomorphologische Entwicklungen angepasst. Eine solche Anpassung sind dicht gedrängt wachsende Wurzelstrukturen, sogenannte Proteoidwurzeln, die im Zentrum meines Forschungsinteresses stehen.

Interaktion mit wertvollen Nachbarn

Viele Mitglieder der artenreichsten Pflanzenfamilien Westaustraliens bilden Proteoidwurzeln aus. Diese Wurzelbüschel können Phosphor, der im Boden in schwer aufnehmbaren Formen vorhanden ist, besonders effektiv mobilisieren und für die Pflanze verfügbar machen. Während der Regenzeit bilden sich dichte Matten von Proteoidwurzeln über einige Zentimeter Tiefe in der obersten Bodenschicht. Zum ersten Mal in meinem Leben ein solches australisches Wurzelgeflecht in meinen Händen zu halten, war für mich einer der denkwürdigsten Augenblicke meines Lebens.

Meine Forschungsarbeit beschäftigt sich damit, wie Pflanzen, die selbst keine Proteoidwurzeln ausbilden, auf die Aktivität benachbarter Proteoidwurzelsysteme reagieren und ob es zu positiven Interaktionen zwischen verschiedenen Spezies kommt. Derartige Interaktionen, die bei in Australien einheimischen Pflanzen zu beobachten sind, könnten in der Landwirtschaft für die Nutzung von proteoidwurzelbildenden Pflanzen von Bedeutung sein, wie etwa bei Mischkulturen von Weizen und Lupinen. In diesem Zusammenhang untersuche ich aktuell die Rolle extrazellulärer Proteine in den Wurzelsystemen. Perth ist nicht nur im Hinblick auf Biodiversität ein Hotspot, sondern auch, was die Interaktion in Forscherkreisen angeht. Ich vermute, dass gerade die geografische Isolation der Stadt das Bewusstsein dafür schärft, wie kostbar Kontakte mit Kolleginnen und Kollegen sind. Hier kennt man einander. Von den hiesigen Forschenden werden häufig Symposien und Konferenzen organisiert, internationale Gastvorträge sind immer gut besucht, und Beiträge in dieser Richtung werden sehr geschätzt. Während meines Aufenthaltes hier hat sich mein Forschungsnetzwerk stark erweitert. Der Gedankenaustausch mit Kolleginnen und Kollegen macht Freude, und die Mitarbeit bei der Betreuung internationaler Doktorandinnen und Doktoranden bringt Tag für Tag Inspirationen für meine eigene Arbeit.

Zuhören und verstehen

Was ich als junge Forscherin im Ausland erlebte, hat mir unerwartete Einsichten gebracht – Dinge, die in Projektanträgen und wissenschaftlichen Publikationen meist nicht zu lesen sind. Längere Zeit in einem unbekannten Ökosystem zu verbringen, ist aus der Perspektive einer Biologin von unschätzbarem Wert, weil das Denken dadurch offener wird und man zur Entwicklung neuer Hypothesen angeregt wird. Auf einem anderen Kontinent zu leben und Freundschaften zu schließen, fördert die Fähigkeiten zur Zusammenarbeit in interkulturellen Teams. Eine unvergessliche Erfahrung machte ich an einem Ort, der Mitgliedern der lokalen Aboriginie-Gemeinschaft als heilige Stätte gilt. Auf einer Informationstafel war die mythische Erzählung der Aboriginal People über diesen Ort zu lesen. Dort stand auch, dass sich diese "Dreamtime"-Erzählung nicht dadurch erschließt, dass man den heiligen Ort besteigt, sondern, so las man: „Was zählt, ist zuhören. Zuhören und alles verstehen.” Als Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler sind wir in der privilegierten Lage, tief schürfen zu können, mit dem Ziel die Prozesse des Lebens zu verstehen und unsere Einsichten anderen in Form überprüfbarer Erzählungen vermitteln zu können. Aus diesen Erzählungen ergeben sich Entscheidungen darüber, wie wir zusammenleben und mit unserer Umwelt interagieren wollen. Ich finde diese Perspektive spannend, und sie erfüllt mich mit Dankbarkeit und Demut.