Neue TherapieansĂ€tze fĂŒr schwere Hauterkrankung
Ichthyose, benannt nach dem griechischen Wort fĂŒr Fisch, ist eine seltene genetische Krankheit, bei der die Haut Feuchtigkeit verliert und stark verhornt, sodass sich groĂe Schuppen bilden. Es gibt leichte Formen, die ein normales Leben ermöglichen, aber auch schwere Formen, die zum Tod fĂŒhren. Eine Heilung ist nicht möglich, die Symptome können mittels BĂ€dern und Salben gelindert werden. Der Grazer Forscher Franz Radner konnte nun erstmals genauer untersuchen, wie der Gendefekt zur Krankheit fĂŒhrt.
Schutzschicht aus abgestorbenen Hautzellen
âDie Haut bildet die Abgrenzung des Körpers nach auĂen, als Schutz gegenĂŒber UmwelteinflĂŒssen und verhindert, dass das im Körper vorhandene Wasser unkontrolliert nach auĂen dringen kann, damit wir nicht austrocknenâ, erklĂ€rt Radner. Jedes Landlebewesen besitzt so eine Barriere. Diese Wasserbarriere befindet sich ganz auĂen, in der sogenannten Hornschicht: âDiese besteht nicht aus lebenden Zellen, sondern aus abgestorbenen Hautzellen, die von einer Matrix aus Lipiden zusammengehalten werden.â Lipide sind wasserabweisende Stoffe im Körper. Zu ihnen werden etwa auch die Fette gezĂ€hlt. âMan kann sich diese Hautbarriere wie eine Ziegelmauer vorstellenâ, erlĂ€utert der Forscher weiter, âdie abgestorbenen Hautzellen sind die Ziegel, die Lipide bilden den Mörtel.â Diese Schicht sei wasserabweisend und verhindere das Vertrocknen. Bei Menschen mit Ichthyose ist diese Schicht beschĂ€digt.
Mörtel fĂŒr die Schutzmauer der Haut
Im Rahmen eines vom Wissenschaftsfonds FWF finanzierten Projekts hat Radner nun untersucht, wie bestimmte Genmutationen mit Ichthyose zusammenhĂ€ngen. âWir haben uns das sogenannte PNPLA1-Gen angesehen, von dem bekannt ist, dass eine Mutation sowohl bei Menschen, als auch bei Hunden zu Ichthyose fĂŒhrtâ, erklĂ€rt Radner. PNPLA1 ist ein EiweiĂ in der Haut, dessen Funktion bislang nicht genau bekannt war. Ist das genannte Gen beschĂ€digt, wird PNPLA1 nicht produziert. âDass eine BeschĂ€digung des Gens zu Ichthyose fĂŒhrt, konnten wir in frĂŒheren Arbeiten zeigenâ, so Radner. Um den Effekt jedoch genauer zu untersuchen, verĂ€nderte er nun das Erbgut von MĂ€usen und schaltete das PNPLA1-Gen aus. âWir haben uns dann die Lipide in der Haut genauer angesehen und konnten feststellen, dass das Lipid Acylceramid fehlt. Die Vorstufen des Lipids, sogenannte Omega-Hydroxyceramide, traten aber stark gehĂ€uft aufâ, sagt Franz Radner. Letztere sollten eigentlich mit LinolsĂ€ure zu Acylceramid reagieren, einem wichtigen Bestandteil des erwĂ€hnten âHautmörtelsâ. Doch dieser Schritt schien nicht funktioniert zu haben, und die Haut entwickelte die fĂŒr Ichthyose typischen Schuppen. âDaraus konnten wir schlussfolgern, dass fĂŒr diesen Schritt das PNPLA1-Gen notwendig ist.â
Damit ist es dem Mikrobiologen der UniversitĂ€t Graz gelungen, eine LĂŒcke im VerstĂ€ndnis der Ausbildung der Hautbarriere in gesunder Haut zu schlieĂen. âDer letzte Schritt in der Produktion von Acylceramid war lange nicht bekannt, vor allem, welches Protein die Reaktion der Hydroxyceramide mit LinolsĂ€ure ermöglicht. Wir konnten zeigen, dass PNPLA1 hier eine entscheidende Rolle spielt.â
Neue Behandlungsmöglichkeit
Ichthyose ist als genetische Krankheit nicht heilbar, aber das genauere VerstĂ€ndnis des Defekts bringt neue AnsĂ€tze fĂŒr eine bessere Behandlung, wie Radner betont. âWir haben gezeigt, dass an Ichthyose erkrankte MĂ€use mit Lipiden aus der Haut von gesunden MĂ€usen effektiv behandelt werden können.â Diese Behandlung setze, im Gegensatz zu den bisherigen Symptombehandlungen, direkt bei dem Gendefekt an. In Zukunft wĂ€ren etwa Hautcremen mit synthetischem Acylceramid denkbar. âDamit wĂ€re erstmals eine evidenzbasierte Behandlung möglichâ, so Radner.
Auch fĂŒr alternde Haut
Ob die neuen Erkenntnisse in die Entwicklung eines Medikaments flieĂen, sei derzeit nicht klar, sagt Radner. Ichthyose ist selten, die Wahrscheinlichkeit zu erkranken liegt nur bei etwa eins zu einer Million. Radner erinnert allerdings daran, dass auch bei alten Menschen die FĂ€higkeit, Acylceramid zu produzieren, reduziert ist, wodurch die Haut trocken und rissig wird. âAuch hier könnte man mit einer Behandlung durch Lipide entgegenwirkenâ, sagt der Forscher. Radner kam ĂŒber Arbeiten zum Fettstoffwechsel zur Forschung an den Haut-Lipiden. Er untersuchte im Rahmen seiner Dissertation ein Gen namens ABHD5, das eine entscheidende Rolle im Fettstoffwechsel spielt. Dessen Mutation fĂŒhrt nicht nur zu fehlerhafter Fettspeicherung, sondern wie das PNPLA1-Gen auch zu Ichthyose. Im Laufe dieses Projekts konnte Radner zeigen, dass ABHD5 und PNPLA1 miteinander interagieren. In einem Folgeprojekt will er das Zusammenspiel nun genauer untersuchen.
Zur Person Franz Radner studierte Mikrobiologie an der Karl-Franzens-UniversitĂ€t Graz. Nach seiner Dissertation forschte er als Postdoc in Deutschland am UniversitĂ€tsklinikum Freiburg an seltenen genetischen Hauterkrankungen. Seit 2013 ist Radner unabhĂ€ngiger Forschungsgruppenleiter am Institut fĂŒr Molekulare Biowissenschaften der UniversitĂ€t Graz. Er interessiert sich fĂŒr Zellbiologie, insbesondere fĂŒr den Lipidstoffwechsel der Haut.
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