Neue Algorithmen, die die Privatsphäre besser schützen
Welche Antworten hoffen Sie in den nächsten Jahren durch Ihre Forschungen geben zu können?
Monika Henzinger: Ich setze meinen Forschungsfokus gerade neu. Bisher habe ich vor allem an Algorithmen zur Bearbeitung großer Datenmengen gearbeitet, die möglichst schnell sein sollten. Jetzt möchte ich Algorithmen finden, die zwar noch immer schnell sein sollen, gleichzeitig aber den Schutz der Privatsphäre garantieren. Anfragen zur Auswertung großer Datenmengen sollen die Zusatzbedingung erfüllen, keinesfalls Informationen über einzelne Personen preiszugeben. Ich versuche also Programme zu entwickeln, bei denen man beweisen kann, dass die Privatsphäre jedes Einzelnen geschützt ist.
Haben Sie ein Beispiel?
Henzinger: Es gibt etwa einen bekannten Fall von William Weld, der in den 1990ern als Gouverneur des US-Bundesstaates Massachusetts eine Datenbank propagierte, die anonymisierte Krankenhausdaten von Angestellten des öffentlichen Dienstes zugänglich machte. Eine Studentin konnte zeigen, dass sie trotz der Anonymisierung die Krankengeschichte konkreter Personen – sie nahm den Gouverneur selbst als Beispiel – recherchieren konnte, einfach indem sie die Informationen mit anderen frei zugänglichen Daten verknüpfte.
Wie kann man die Daten maskieren, sodass die Privatsphäre sicher geschützt ist?
„Mit Informatik kann man die Welt verändern.“
Henzinger: Der neuartige Algorithmus, der eine Anfrage durchführt, verändert und verfälscht die Daten ganz leicht. Statistisch gesehen sind diese Änderungen irrelevant, die Antworten, die aus großen Datenmengen über Gruppen von Menschen gezogen werden, sind noch immer sehr aussagekräftig. Die Verfälschung versteckt aber die Informationen zu einzelnen Personen so gut, dass sie garantiert geschützt sind – auch wenn man verschiedene Quellen clever kombiniert. Man nennt dieses Konzept „Differential Privacy“.
Wie sehen Ihre ersten Schritte nach Erhalt des Wittgenstein-Preises aus?
Henzinger: Ich werde erst einmal meine Forschungsgruppe erweitern. Zudem möchte ich verstärkt Expertinnen und Experten hier nach Wien einladen, Workshops veranstalten, Kontakte zu Forschenden an anderen Universitäten suchen, alles mit dem Ziel, dass wir voneinander lernen können. Das führt zu schnellerem Fortschritt in meiner Forschung. Ich möchte mich auch dafür einsetzen, neue Laufbahnstellen zu schaffen. Auf diese Art kann man qualifiziertere und erfahrenere Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler anziehen als allein durch befristete Stellen. Im Rahmen des „Distinguished Visiting Austrian Chair Professorship“ werde ich zudem die kommenden sechs Monate an die Stanford University gehen – unter anderem, um mich mit der Forschung und Wirtschaft dort zum Thema Differential Privacy austauschen.
Was bedeutet der Wittgenstein-Preis für Ihre Forschungstätigkeit?
„Der Wittgenstein-Preis gibt meiner Forschung großen Aufschwung.“
Henzinger: Er gibt meiner Forschung und der Informatik in Österreich allgemein einen großen Aufschwung und mehr Sichtbarkeit. Das ist sehr wertvoll, denn wir benötigen dringend mehr begabte Studierende, die verstehen, dass man mit Informatik die Welt verändern kann – und die das auch tun wollen. Außerdem zeigt der Preis, dass auch Frauen in der Informatik erfolgreich sein können, und hoffentlich ermutigt das mehr junge Frauen, Informatik zu studieren.
Woraus beziehen Sie die Motivation für Ihre Forschung?
Henzinger: Die Wissenschaft ist eine Leidenschaft. Ich habe meine Begeisterung dafür entdeckt, als ich in der Schulzeit ein populärwissenschaftliches Magazin in die Hände bekommen habe. Seitdem hat sie mich nicht mehr losgelassen. Es gibt zwar immer auch Durststrecken, wo man nur Dinge entdeckt, die nicht funktionieren. Aber auch dabei lernt man dazu. Für mich ist es spannend – so als würde man ständig ein Sudoku lösen. Es ist wirklich ein innerer Drang: Wenn Sie mir die Wahl an einem verregneten Sonntagnachmittag geben, einen Film anzusehen oder einen wissenschaftlichen Artikel zu lesen, dann lese ich lieber den Artikel. Ich finde das spannender.
Monika Henzinger ist seit 2009 Professorin an der Universität Wien. Nach dem Informatik-Studium in ihrem Herkunftsland Deutschland promovierte sie an der Princeton University in den USA und hielt eine Assistenzprofessur an der Cornell University. Ein zwischenzeitlicher Wechsel in die Privatwirtschaft gipfelte in Henzingers Position als Forschungsdirektorin beim Digitalkonzern Google. Zurück im akademischen Bereich war sie Professorin an der EPF Lausanne in der Schweiz, von wo sie schließlich nach Wien wechselte.
Sie ist Verfasserin von über 200 wissenschaftlichen Arbeiten und hält über 80 Patente. Zu ihren zahlreichen wissenschaftlichen Auszeichnungen gehören zwei Advanced Grants des Europäischen Forschungsrats, die sie 2014 und 2021 erhielt. Aktuell leitet Henzinger auch das FWF-Projekt „Fast Algorithms for a Reactive Network Layer“, das mit einem netidee SCIENCE-Preis der Internet Foundation Austria ausgezeichnet wurde.
Zum Projekt
In ihrer Forschungsgruppe „Theorie und Anwendungen von Algorithmen“ an der Universität Wien ist Monika Henzinger auf die Entwicklung und Analyse von Algorithmen, unter anderem im Bereich der Analyse großer Datenmengen, spezialisiert. Zu ihren Forschungsbereichen gehören Algorithmen für kombinatorische Probleme, besonders in Graphen, verteiltes und paralleles Rechnen, computergestützte Verifizierung sowie algorithmische Spieltheorie. Einen neuen Schwerpunkt legt sie auf „Differential Privacy“, wodurch personenbezogene Informationen innerhalb großer Datenmengen beweisbar geschützt sind.
Der Wittgenstein-Preis
Der Wittgenstein-Preis ist Österreichs höchstdotierter Wissenschaftspreis und richtet sich an exzellente Forscherinnen und Forscher aller Fachdisziplinen. Die mit 1,5 Millionen Euro dotierte Auszeichnung unterstützt die Forschung der Preisträgerin bzw. des Preisträgers und garantiert Freiheit und Flexibilität bei der Durchführung. Forschende können so ihre Forschungstätigkeit auf international höchstem Niveau vertiefen.