Der neue FWF-PrĂ€sident Klement Tockner hat sich viel vorgenommen. Seine ambitionierten PlĂ€ne fĂŒr die heimische Grundlagenforschung hat er vor Kurzem öffentlich prĂ€sentiert. © Martin Lusser/FWF

FWF: Welche erste Bilanz ziehen Sie nach hundert Tagen im Amt als PrĂ€sident des Wissenschaftsfonds FWF? Klement Tockner: In diesen ersten Monaten sind drei wesentliche Dinge passiert. Erstens wurden dem FWF mehr als 50 Prozent an zusĂ€tzlichen Mitteln bis 2021 in Aussicht gestellt. DafĂŒr haben sich sehr viele seit Langem eingesetzt. Seitens des FWF konnten wir zugleich eine Vertrauensbasis schaffen, auf der wir weiter aufbauen werden. Wir haben zweitens ein ambitioniertes Strategiepapier entwickelt und der Öffentlichkeit vorgestellt. Und drittens haben wir eine QualitĂ€tsoffensive gestartet, was Begutachtungs- und Auswahlverfahren betrifft. Jetzt gilt es, all das zĂŒgig umzusetzen. FWF: Die Themen des Strategiepapiers fĂŒr die Jahre 2017 bis 2020 reichen von Forschungsallianzen ĂŒber Zukunftsprofessuren bis hin zu Internationalisierung. Welches Projekt ist Ihnen am wichtigsten? Tockner: Das Ziel, dass mehr Mittel in den kompetitiven Bereich gehen, ist und bleibt vorrangig; davon hĂ€ngt das Innovationspotenzial Österreichs mit ab. HierfĂŒr braucht es dringend eine StĂ€rkung des FWF. Um dies zu rechtfertigen, ist wiederum eine stete QualitĂ€tsentwicklung zentral, denn als TreuhĂ€nder der Grundlagenforschung muss der FWF Vorbild bleiben. DarĂŒber hinaus wollen wir Vorreiter sein, indem wir auch neue Wege der Forschungsförderung beschreiten, um damit letztlich die notwendige Grundlage fĂŒr wirtschaftliche und gesellschaftliche Entwicklungen schaffen zu können.

„Als TreuhĂ€nder der Grundlagenforschung mĂŒssen wir Vorbild sein. “ Klement Tockner

FWF: Die in Aussicht gestellte Budgetaufstockung des FWF betrĂ€gt 281 Millionen Euro fĂŒr 2018 bis 2021. Das reicht nicht, um alle geplanten Projekte umzusetzen. Wo liegen die PrioritĂ€ten, und wie wollen Sie die restlichen Initiativen finanzieren? Tockner: Die Anhebung des Budgets soll zum einen dazu genĂŒtzt werden, die risikoreiche Forschung zu stĂ€rken. Dazu haben wir etwa das 1.000-Ideen-Programm entwickelt, das neue Forschungsideen und -ansĂ€tze fördert, die von hoher wissenschaftlicher und gesellschaftlicher Relevanz sind. Ein weiterer wichtiger Aspekt sind die projektgebundenen Overheadkosten, um dadurch die ForschungsstĂ€tten in ihrer Schwerpunktsetzung zusĂ€tzlich zu stĂ€rken. Wir hoffen, dass wir zumindest einen Teil ĂŒber die zusĂ€tzlichen Mittel abdecken können. Ein weiterer Teil kann möglicherweise aus den Strukturmitteln kommen, die den UniversitĂ€ten zur VerfĂŒgung gestellt werden. Höchste PrioritĂ€t hat jedoch die Förderung jener Wissenschafterinnen und Wissenschafter, deren AntrĂ€ge exzellent begutachtet wurden, diese aber bis dato aus budgetĂ€ren GrĂŒnden abgelehnt werden mussten. Das ermöglicht die Anstellung von zusĂ€tzlich bis zu 1.400 in der Wissenschaft tĂ€tigen Personen pro Jahr in diesen Projekten.

„PrioritĂ€t hat die Förderung jener exzellenten Personen, deren AntrĂ€ge bis dato aus budgetĂ€ren GrĂŒnden abgelehnt werden mussten. “ Klement Tockner

FWF: Alle anderen Vorhaben, wie etwa die Zukunftsprofessuren, wĂ€ren dann auf der Wartebank? Tockner: Unser Ziel ist es, im Rahmen eines Exzellenzprogramms 200 zusĂ€tzliche Professuren in den kommenden acht Jahren zu schaffen. Damit sollen dem international herausragenden wissenschaftlichen Nachwuchs Karriereperspektiven eröffnet werden, die jetzt weitgehend fehlen. Es wĂ€re ein immens wichtiges Signal, da dadurch die Wissenschaftslandschaft in Österreich nachhaltig gestĂ€rkt und international noch deutlicher positioniert werden kann. Wir haben diesen Vorschlag eingebracht, deren Umsetzung jetzt gemeinsam mit der wissenschaftlichen Gemeinschaft diskutiert wird. Vorstellbar ist, dass wir 2017 oder 2018 eine erste thematische Ausschreibung im Bereich der Bildungsforschung umsetzen können, etwa unterstĂŒtzt ĂŒber die neu gegrĂŒndete Innovationsstiftung fĂŒr Bildung. FWF: Der FWF verfolgte bis jetzt das Prinzip des Bottom-up in der Forschungsförderung. Das wird jetzt anders? Tockner: Es muss beides möglich sein. Wir werden teils Themenbereiche definieren und dann Bottom-up den freien Wettbewerb befördern. Das passiert beispielsweise schon jetzt bei den transnationalen europĂ€ischen Förderungsprogrammen. Nichtsdestotrotz wird es eine Herausforderung sein, wie wir mit der Kombination aus Bottom-up- und Top-down-AnsĂ€tzen umgehen werden. Ein transparenter Wettbewerb mit externer QualitĂ€tssicherung bleibt dabei wesentlicher Standard. Das heißt auch, dass die Mittel noch stĂ€rker kompetitiv vergeben werden. Wir wollen diesen Wettbewerb in Kooperation mit den Forschungsinstitutionen, teils auch mit anderen Förderungsorganisationen, inhaltlich und strategisch gestalten, um einerseits die QualitĂ€t zu erhöhen und andererseits den Forschungsstandort als solchen noch attraktiver zu machen.

„Transparenter Wettbewerb und externe QualitĂ€tssicherung sind wesentliche Standards.“ Klement Tockner

FWF: Wettbewerb und Kooperation: Wie passt das zusammen? Tockner: Nehmen wir als Beispiel das Exzellenzprogramm, in dessen Rahmen die Zukunftsprofessuren geplant sind: Dieses Programm ist stark auf die UniversitĂ€ten und Forschungseinrichtungen zugeschnitten. Um einen fairen Wettbewerb zu garantieren, muss dieses Programm jedoch unbedingt an einer zentralen, unabhĂ€ngigen Förderungsorganisation wie dem FWF angesiedelt und von diesem umgesetzt werden. Inhaltlich ist es zudem notwendig, strategische und fachliche Akzente zu setzen. Zugleich wĂ€re es fĂŒr ein Land wie Österreich alles andere als hilfreich, wenn jeder Themenbereich einen eigenen Topf zur VerfĂŒgung hat oder haben möchte. FWF: Der FWF unterstĂŒtzt gezielt Wissenschafterinnen und Wissenschafter auf unterschiedlichen Karrierestufen. Noch stehen wir jedoch vor dem Dilemma, dass es zu wenig attraktive Stellen und Forschungsumfelder in Österreich gibt. TrĂ€gt der FWF damit zur Abwanderung hoch qualifizierter Personen ins Ausland bei? Tockner: Damit habe ich grundsĂ€tzlich kein Problem. Wissenschafterinnen und Wissenschafter mĂŒssen mobil sein, sie stehen im globalen Wettbewerb. Wir wollen, wie alle anderen auch, die Besten gewinnen, unabhĂ€ngig davon, woher sie kommen. Im Gegenteil, Forschung ist vielfĂ€ltig und das heißt zumeist auch, je internationaler, desto erfolg- und ertragreicher. Ich persönlich hĂ€tte mir als Arbeitsort genauso gut Zagreb oder Madrid vorstellen können. Es geht um das inhaltliche Gestalten! Daher mĂŒssen wir Bedingungen schaffen, die so attraktiv sind, dass wir mit anderen Orten konkurrieren können. Übrigens haben 50 Prozent der Schrödinger-Stipendiaten (ein MobilitĂ€tsprogramm des FWF, Anm.) in den ersten zehn Jahren eine Professur inne, weltweit. Das ist ein absoluter Erfolg.

Klement Tockner will Österreich als fĂŒhrenden Wissenschaftsstandort weiterentwickeln und dafĂŒr auch neue Wege in der Forschungsförderung gehen. © Martin Lusser/FWF

FWF: Kritische Stimmen sagen, es wird zu viel Mainstream-Forschung gefördert. Investiert das österreichische Förderungssystem in die richtigen Themen und Bereiche? Tockner: Wir sind sicher oft nicht mutig genug, die wirklich innovativen Projekte zu fördern. Deswegen haben wir auch das 1.000-Ideen-Programm entwickelt. Zugleich muss Forschung verstĂ€rkt disziplinen- und institutionenĂŒbergreifend stattfinden. Etwa, indem wir die Geistes- und Sozialwissenschaften stĂ€rker mit dem naturwissenschaftlichen Bereich verknĂŒpfen. Auch die Zusammenarbeit zwischen den Ingenieur- und Naturwissenschaften ist noch ein weitgehend brachliegendes Feld. Zudem ist die Grenze zwischen Grundlagen- und anwendungsorientierter Forschung eine offene. Die Frage ist daher, wie wir eine Kultur weiterentwickeln und pflegen, die Offenheit und DurchlĂ€ssigkeit befördert. FWF: Vor Kurzem wurde die österreichweit erste Professur fĂŒr Wissenschaftskommunikation eingerichtet. Wo sehen Sie die Wissenschaftsvermittlung in Österreich? Tockner: Den viel zitierten Elfenbeinturm gibt es natĂŒrlich noch immer, nur sind da jetzt mehr Leute drinnen. So wie wir es gerade in den politischen Debatten erleben, gibt es auch in der Wissenschaft eine Diskussion zwischen der „Elite“ und der Gesellschaft. Hier gilt es achtzugeben und einer möglichen Polarisierung entgegenzuwirken. Der Dialog muss im Vordergrund stehen. Reines Wissenschaftsmarketing reicht dafĂŒr sicherlich nicht. Zentral ist zudem die Einbeziehung der BĂŒrgerinnen und BĂŒrger, wie etwa am Beispiel Citizen Science; wenngleich der Erkenntnisgewinn unbedingt im Vordergrund stehen muss. GrundsĂ€tzlich gilt es, den Wissenstransfer noch stĂ€rker im System zu verankern. In Amerika etwa werden Wissenschafterinnen und Wissenschafter trainiert, sich aktiv in die gesellschaftliche Debatte einzubringen.

„Die ureigenste Aufgabe des Wissenschafters ist es, ein 'honest broker' zu sein. “ Klement Tockner

FWF: Welche Rolle hat der Wissenschafter in der Gesellschaft? Tockner: Die ureigenste Aufgabe des Wissenschafters ist es, ein honest broker zu sein, welcher evidenzbasiertes Wissen zur VerfĂŒgung stellt. So bin ich Ökologe, kein NaturschĂŒtzer oder Mitglied einer NGO; und es steht mir als Wissenschafter nicht zu, etwas als „gut“ oder „schlecht“ zu klassifizieren. Das bleibt Entscheidung der Gesellschaft. Der Wissenschafter muss jedoch auf mögliche Konsequenzen hinweisen und Optionen anbieten. Ich kann mir jedoch eine spannende Form der Zusammenarbeit mit investigativen Journalisten vorstellen. Auch der Wissenschafter arbeitet in gewisser Weise investigativ. Ähnlich wie Wissenschafter könnte man Journalisten ein halbes Jahr unterstĂŒtzen, damit sie sich voll und ganz einem Thema widmen können. – Das wĂ€re doch eine mögliche, sehr reizvolle Idee. Wichtig ist bei alldem, ein langfristiges Ziel vor Augen zu haben, statt irgendwelchen Trends hinterherzulaufen. FWF: Sie sind GewĂ€sserökologe. Wann und wodurch haben Sie die Lust an der Wissenschaft entdeckt? Tockner: Das kann ich so nicht sagen. Vielleicht bin ich einfach manchem entkommen, das mir die Neugierde und das Spielerische ausgetrieben hĂ€tte, wie es in der Erziehung und Schule leider ĂŒblicherweise passiert. Denn von Geburt an sind wir alle Wissenschafter und Entdecker. Um diesen Entdeckergeist aber zuzulassen, braucht es FreirĂ€ume, denn Neugierde und Enthusiasmus kann man spĂ€ter kaum mehr erlernen. Wir sollten daher vermeiden, dass dieser Forschungsdrang den jungen Menschen genommen wird. FWF: Was hat Sie bewegt, eine Position als Topforscher aufzugeben und sich ganz dem Wissenschaftssystem zu widmen? Tockner: Das wurde ich oft gefragt, denn ich war in einer privilegierten Situation als Beamter und Leiter eines erfolgreichen Instituts in Berlin. Aber es reicht keinesfalls, satt und zufrieden zu sein. In der Wissenschaft gilt das Gegenteil: Wie kann man sich selber und seine Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in einem positiven Sinne hungrig halten? Es bedeutet auch, sich neuen Herausforderung zu stellen und auch einer gewissen Unsicherheit auszusetzen. Eine „Vollkasko-MentalitĂ€t“, die doch weit verbreitet ist, wird uns nicht weiterbringen. Letztlich geht es um das Gestalten und insbesondere darum, Verantwortung fĂŒr die Gesellschaft zu ĂŒbernehmen.


Klement Tockner studierte Zoologie und Botanik an der UniversitĂ€t Wien. Am schweizerischen Wasserforschungsinstitut Eawag der ETH ZĂŒrich leitete er zehn Jahre lang eine Forschungsgruppe, bevor er nach Deutschland ging. Dort fĂŒhrte Tockner ab 2007 das Leibniz-Institut fĂŒr GewĂ€sserökologie und Binnenfischerei IGB in Berlin und ist bis dato Professor fĂŒr Aquatische Ökologie an der Freien UniversitĂ€t Berlin. Seit September 2016 ist er PrĂ€sident des Wissenschaftsfonds FWF.


Mehr zum Thema

> Grundlagenforschung stÀrken, Standort nach vorne bringen
> Strategische Vorhaben 2017-2020, (pdf)