Junge Forscherin sitzt am Schreibtisch auf dem Comics liegen und ein selbstgebasteltes lila Protein mit roten Fühlern zur Veranschaulichung für Kinder
Die Biochemikerin Ariane Pessentheiner taucht mit Kindern und Comics in die Welt der Biomembranen ein. © Ariane Pessentheiner

Die Zelle, vom lateinischen „cellula“, welches so viel wie „kleine Kammer“ bedeutet, ist die kleinste lebende Einheit aller Lebewesen. Ein Erwachsener besteht aus rund 100 Billionen dieser biologischen Grundeinheiten. Jede Zelle wiederum besitzt einen Zellkern mit DNA mit der Anleitung zur Produktion aller im Körper benötigten Proteine, die die Maschinerie der Zelle am Laufen halten. Die dafür notwendige Energie und die erforderlichen Bausteine wandelt die Zelle aus Nahrung, Wasser und Luft um. Ein wichtiger Teil dieser Stoffwechselprozesse findet in den Biomembranen statt – das sind flexible Trennschichten, die sowohl einzelne Räume innerhalb der Zellen als auch einzelne Zellen voneinander trennen.

Tatsächlich werden alle Körperfunktionen direkt oder indirekt durch die in den Membranen enthaltenen Proteine gesteuert. Sie sorgen für Kommunikation zwischen den Zellen und können externe Reize weiterleiten und auf sie reagieren. So wird beispielsweise bei einer Verletzung das Schmerzsignal an die Gehirnzellen übermittelt und die Immunantwort in Gang gesetzt.

Comics als Werkzeug der Wissenschaftskommunikation

In dem vom Wissenschaftsfonds FWF geförderten Projekt „BioPhyCom – Mit Comics in die Welt der Biomembranen tauchen“ bringt die Biochemikerin Ariane Pessentheiner eine kreative Seite in die Wissenschaftsvermittlung. Im Rahmen von spielerischen Workshops wird Schüler:innen im Alter von 8 bis 14 Jahren durch Comic-Kunst Zugang zum Bereich der Membranbiophysik verschafft. Es ist bereits das zweite Wissenschaftskommunikationsprojekt, das Pessentheiner leitet. Gestartet hat es im März 2023 mit einer offiziellen Laufzeit von zwei Jahren. Seit Projektbeginn wurden 16 Workshops mit einer Teilnehmerzahl von knapp 300 Schüler:innen durchgeführt. Das Projekt soll, so Pessentheiner, das Interesse an den Naturwissenschaften wecken und Vorurteile gegenüber Forschung abbauen.

Junge Forscherin in Schulklasse mit drei Kindern an der Tafel und vielen aufgeklebten Begriffen
Die neu gelernten Inhalte werden in Comics zu unterschiedlichen Themen umgesetzt. © Ella Breitfuß

Die Forschungswelt ist eine Scheibe

Die Idee des Projekts basiert auf dem Forschungsfeld der Laborgruppe um Sandro Keller an der Universität Graz, an der Pessentheiner zurzeit als Senior Postdoc tätig ist: Biomembranen und wie man sie am besten untersuchen kann. Das Forschungspotenzial hinter Membranproteinen ist enorm. Diese medizinischen Schlüsselproteine sind allerdings wasserunlöslich und daher mit herkömmlichen wässrigen Analysemethoden schwer zu untersuchen. Eines der Werkzeuge zur Erleichterung der Forschung in der Membranbiophysik sind die sogenannten „Nanodiscs“. Diese Hilfsmittel ermöglichen die Isolierung und Analyse von Membranproteinen in ihrer natürlichen Umgebung und werden in der Forschungsgruppe weiterentwickelt.

„Eine Nanodisc sieht aus wie ein Maki-Sushi: das Membranprotein in der Mitte, die Lipidschicht der Biomembran wie der Reis rundherum, und wie die Maki-Algenschicht haben wir ganz außen das Polymer, das Nanodiscs bildet und zusammenhält“, erklärt Ariane Pessentheiner. „Dabei werden wie bei Keksausstechern die Membranproteine mitsamt ihrer Lipidschicht aus der Biomembran herausgelöst, ohne die Lipidschicht zu zerstören.“ Die bildhafte Sprache erleichtert der Forscherin die Vermittlung komplexer Inhalte und liefert eine gute Vorlage für deren künstlerische Ausdrucksweise.

Kinder und Jugendliche als Wissenschaftskommunikatoren

Denn Ziel des Wissenschaftskommunikationsprojektes ist, die neu gelernten Inhalte in Wissenschaftscomics umzusetzen. Dabei können die Schüler:innen unterschiedliche Themen aufgreifen: von Liebesgeschichten zwischen Proteinen, die durch eine Zellmembran getrennt werden, bis hin zu Proteinen als Fußballspieler oder als Charaktere in Lieblingscomputerspielen. Die Comics bleiben mithilfe der Unterstützung von Pessentheiner wissenschaftlich korrekt. Gleichzeitig finden die Jugendlichen Wege, die komplexen Wissenschaftsthematiken mit ihren eigenen Lebenswelten zu verbinden und so ihren Stellenwert deutlich zu machen. Später werden die illustrierten Geschichten eingescannt, als Comic-Heft produziert und an alle Teilnehmer:innen als Workshop-Souvenir ausgeteilt.

Comiczeichnung mit Proteinen
Eine Liebesgeschichte zwischen Proteinen. © Giulia Paar, MS St. Johann

Hauptsache, die Kinder an der Stange halten

Das Workshopkonstrukt sei nicht starr, man passe sich den Bedürfnissen der jeweiligen Klasse an, so Ariane Pessentheiner. „Kein Workshop gleicht dem anderen“, betont die Projektleiterin. „Wenn man mit Kindern und Jugendlichen arbeitet, ist maximale Flexibilität notwendig.“ Zum Beispiel, so erzählt die Wissenschaftlerin von ihren Erfahrungen, habe sie sich in einer müden und unmotivierten Klasse spontan ein neues Spiel ausgedacht. Sie nannte es „Signalweiterleitung“, ein Geschwindigkeitsspiel in Form der „Stillen Post“, das eine möglichst schnelle Weiterleitung eines Wortes unter einem besonderen Regelwerk zum Ziel hat. So wurde das Konzept der zellulären Signalweiterleitung übermittelt und das Engagement der Schüler:innen erfolgreich geweckt. Weil es so erfolgreich war, setzt Pessentheiner das Spiel nun in allen Workshops ein.

Forschung wird greifbar gemacht

„BioPhyCom – Mit Comics in die Welt der Biomembranen tauchen“ stößt offensichtlich auf Begeisterung, denn seit Längerem wird die bei Österreichs Agentur für Bildung und Internationalisierung (OeAD) gelistete Wissenschaftsbotschafterin direkt von den Schulen nach dem Workshopangebot angefragt. Die Workshops werden entweder als ein- oder zweitägige Events in Schulen der interessierten Klassen angeboten oder als einwöchige „Sommer-Kinderuni“ in den Räumlichkeiten der Universität Graz. Dort bekommen die Schüler:innen Laborführungen und haben die Möglichkeit, Forscher:innen kennenzulernen und ihnen jegliche Fragen zu stellen. Dies erlaubt ihnen einen Einblick in den typischen Laboralltag und öffnet die Tür für einen potenziellen späteren Berufsweg in dieser Branche. Abschließend soll das Projekt kommenden Februar bei einem Art & Science Day an der Universität Graz präsentiert werden, ein ebenfalls von Ariane Pessentheiner organisiertes öffentliches Event.

Zur Person

Ariane Pessentheiner studierte Biochemie und Molekulare Biomedizin an der Universität Graz. Im Rahmen ihrer Dissertation und Postdoc-Stellen, unter anderem in San Diego, Kalifornien, befasste sie sich mit Stoffwechselkrankheiten. 2021 leitete sie ihr erstes vom Wissenschaftsfonds FWF gefördertes Wissenschaftskommunikationsprojekt zum Thema Herz-Kreislauf-Erkrankungen an der Medizinischen Universität Graz. Zurzeit ist sie an der Universität Graz als Projektmanagerin und Wissenschaftskommunikatorin sowie freiberuflich als Kommunikationstrainerin tätig. Ihr aktuelles Projekt zur Einführung von Schüler:innen in die Membranbiophysik über Comicworkshops läuft noch bis Ende Februar 2025.