Die Art der Bodenbewirtschaftung im Weinanbau wirkt sich auf Fruchtbarkeit, Artenvielfalt und Erosionsanfälligkeit aus. © Silvia Winter/BOKU

Ob Weinfest, Tage der offenen Kellertür oder Ab-Hof-Verkauf: Durch den unmittelbaren Kontakt mit Konsumentinnen und Konsumenten vor Ort ist eine schöne Landschaft für Winzerinnen und Winzer heute ein nicht zu unterschätzender Image- und Erfolgsfaktor. „Auf die Frage, welche Vorteile für sie vom Ökosystem Weingarten am wichtigsten sind, haben viele Weinbauern die Landschaftsästhetik an dritter Stelle genannt. Was die Folgen des Klimawandels betrifft, etwa häufigere Starkregenereignisse, zählen noch die Verhinderung von Bodenerosion und der Erhalt der Bodenfruchtbarkeit zu den Top-Nennungen“, berichtet Silvia Winter, Agrarökologin am Department für Nutzpflanzenwissenschaften der Universität für Bodenkultur Wien. Im Rahmen eines von ihr geleiteten und vom Wissenschaftsfonds FWF geförderten, länderübergreifenden Forschungsprojekts haben Winter und und eine beteiligte Masterstudentin allein in der österreichischen Weinbauregion „Neusiedlersee-Hügelland“ rund 700 Einheimische, Touristinnen und Touristen sowie Winzerinnen und Winzer befragt.

Von West bis Ost

Diese Befragungen zur Landschaftsästhetik, vor allem aber die Erfassung und Analyse von Biodiversität in Weingärten sollte aufzeigen, wie sich unterschiedliche Bodenbewirtschaftungsarten in den Fahrgassen – sprich zwischen den Rebzeilen – auf Artenvielfalt und Erosionsanfälligkeit des Weingartens auswirken. Um zudem das Zusammenwirken unter verschiedenen klimatischen Bedingungen und Bodentypen zu erfassen, haben die Forschenden je rund16 Weingärten mit konträrer Bodenbearbeitung in Spanien, Frankreich, Österreich und Rumänien untersucht. Die Unterschiede betreffen vorrangig die Intensität, die von häufigem Bodenumbruch bzw. „offenem Boden“ über alternierend begrünt (nur jede zweite Fahrgasse) bis zu Dauerbegrünung reicht. Nicht in jedem Land waren jedoch alle Intensitätsstufen vertreten. In der spanischen Weinbauregion „Montilla Moriles“ und im rumänischen „Târnava“ waren offene Böden, also eine intensive Bewirtschaftung, häufig anzutreffen. In den österreichischen Regionen „Carnuntum“ und „Neusiedlersee-Hügelland“ dominierten hingegen Dauer- und alternierende Begrünung, was vor allem ein Ergebnis langjähriger agrar- und umweltpolitischer Förderungsmaßnahmen ist. Und einzig im französischen „Val de Loire“ kamen in den intensiv bewirtschafteten Weingärten in den Fahrgassen zusätzlich Herbizide zum Einsatz.

Markante Unterschiede bei Biodiversität

Um das Zusammenwirken von Bodenbearbeitung, Klima und Landschaftsstruktur und die daraus resultierenden Folgen für Biodiversität und Erosionsanfälligkeit zu verstehen, haben die Forschenden in den Fahrgassen der untersuchten Weingärten umfassende Daten zu Vegetation, Bodenlebewesen, Wildbienen und Böden erhoben. Konkret untersuchte Winter gemeinsam mit Kolleginnen und Kollegen vom Department für Integrative Biologie und Biodiversitätsforschung etwa, welche Pflanzen in den Weingärten wachsen, wie hoch der Vegetationsbedeckungsgrad ist oder welche und wie viele Wildbienen, Regenwürmer und Springschwänze dort leben. Die Bodenuntersuchungen, etwa dessen Aggregatstabilität, wurden von Peter Strauss, Leiter des Instituts für Kulturtechnik und Bodenwasserhaushalt des Bundesamts für Wasserwirtschaft durchgeführt. „Stabilere und größere Bodenaggregate tragen zur Reduktion der Bodenerosion bei und verbessern die Wasserinfiltration, was vor allem bei einem starken Regenguss entscheidend ist“, erklärt die Expertin. Deshalb ist der Boden für die Ermittlung der Erosionsanfälligkeit auch so bedeutsam. Was die Biodiversität angeht, brachte der europaweite Vergleich deutliche Unterschiede zutage, speziell bei Wildbienen und Regenwürmern. In der intensiv bewirtschafteten und heiß-trockenen spanischen Weinbauregion war es auffällig artenarm, so die Ergebnisse der Untersuchung. Dort wurden wenig Wildbienen und fast keine Regenwürmer gezählt. „Die hohe Zahl der Nullproben pro Bodenprobe war schon erschütternd“, so die Forscherin. Im Gegensatz dazu wirkte sich das feuchte atlantische Klima zusammen mit einer selteneren Bodenbearbeitung in den französischen Weingärten besonders positiv auf die Regenwurmpopulation aus, wo zwanzig und mehr Individuen pro Probe gezählt wurden.

Erosionsanfälligkeit neu berechnen

Basierend auf Bewirtschaftungs-, Boden- und Klimadaten wird mit einem Modell das Erosionsrisiko für ein Gebiet berechnet. Dabei ist der „Bedeckungs- und Bodenbearbeitungsfaktor C“, kurz C-Faktor, eine zentrale Größe, weil er die erosionsmindernde Wirkung von Vegetation bestimmt. Dieser standardisierte Wert ist von der Bodennutzung abhängig und europaweit gültig. „Laut unserer Forschungsergebnisse ist die Erosionsanfälligkeit stark davon abhängig, wie oft der Boden bearbeitet wird. Deshalb muss der C-Faktor für den Weinbau differenziert betrachtet werden“, regt Peter Strauss vom Bundesamt für Wasserwirtschaft an. In Österreich, wo Dauerbegrünung und alternierende Begrünung dominieren, könne die Erosionsanfälligkeit nach unten korrigiert werden. Im Ländervergleich des Projekts ist zudem zwar die heimische Praxis, die Fahrgassen mit Saatgutmischungen zu begrünen, ein Unikum – um die Artenvielfalt zu erhalten, müsse laut Winter aber „das Blütenangebot erhöht werden, statt nur auf einen hohen Bedeckungsgrad zu achten.“ Dieses lockt nicht nur Wildbienen an, sondern stellt für diese extrem artenreiche Tiergruppe eine wichtige Überlebensressource in der monotonen Agrarlandschaft dar. Im Vergleich haben sich die österreichischen Weinbaulandschaften aber als sehr struktur- und abwechslungsreich herausgestellt. Werden Fahrgassen schonend bearbeitet und ihr Potenzial als Lebensraum für Pflanzen wie Tiere aktiv gefördert, leistet dies somit einen wesentlichen Beitrag, um Ökosystemdienstleistungen wie etwa Erosionsschutz zu ermöglichen.


Zur Person Silvia Winter hat Agrarwissenschaften und Bioinformatik studiert. Sie ist Agrarökologin und forscht an der Universität für Bodenkultur Wien. Mit Anfang 2019 startete Winter ein weiteres, internationales FWF-Projekt: „Szenarien für die Bereitstellung multipler Ökosystemdienstleistungen und Biodiversität in Weinbaulandschaften.“


Publikationen

Kratschmer, S; Pachinger, B; Schwantzer, M et al.: Response of wild bee diversity, abundance, and functional traits to vineyard inter-row management intensity and landscape diversity across Europe, in: Ecology and Evolution 2019
Winter, S; Bauer, T; Strauss, P et al.: Effects of vegetation management intensity on biodiversity and ecosystem services in vineyards: A meta-analysis, in: Journal of Applied Ecology 2018
Buchholz, J; Querner, P; Paredes, D; et al.: Soil biota in vineyards are more influenced by plants and soil quality than by tillage intensity or the surrounding landscape, in: Scientific Reports 2017