Mehrfach ungesättigte Fettsäuren könnten Darmentzündungen auslösen, wenn genetische Faktoren oder Umwelteinflüsse im Spiel sind und in die Wartungsmechanismen des Darms eingreifen. © Christian Dorn/Pixabay

Das einschichtige Epithel bildet nicht nur eine Barriere, die uns von Millionen von Mikroorganismen in unserem Darm trennt, sondern soll gleichzeitig Nährstoffe aus der Nahrung aufnehmen. Dazu hat das Darmepithel eine Reihe immunologischer Funktionen entwickelt, wie zum Beispiel die Produktion von bakteriziden Substanzen und eine schützenden Schleimschicht. Dass so ein Gewebe regelmäßig Wartung braucht, scheint nicht verwunderlich und ist gut untersucht. Doch welche Umweltfaktoren in unserer Nahrung Darmepithelzellen unter Stress setzen und welche Mechanismen ihn bewältigen, ist weitgehend ungeklärt. Timon Adolph, angehender Gastroenterologe an der Innsbrucker Universitätsklinik, will nun herausfinden wie Nahrungsbestandteile das Gleichgewicht an der Schleimhautoberfläche stören. Und ob das einen Einfluss auf die Entstehung oder den Verlauf von chronisch entzündlichen Darmerkrankungen hat. Morbus Crohn oder Colitis ulcerosa betreffen in Österreich rund 50.000 Menschen. Wie Puzzlesteine kombiniert der Mediziner mögliche Auslöser in einer westlichen Diät, um dem Entzündungsmechanismus auf die Spur zu kommen. Erste Ergebnisse deuten darauf hin, dass eine fettreiche Ernährung, und insbesondere mehrfach ungesättigte Fettsäuren, eine Entzündungsreaktion auslösen können, wenn Schutzmechanismen defekt sind.

Entsorgungsprogramm und Oxidationsschutz

Unterstützt vom Wissenschaftsfonds FWF untersucht Timon Adolph wie sich der Verlust von zwei Schutzmechanismen, wie er an Morbus Crohn Erkrankten beobachtet wurde, auf die Darmgesundheit auswirkt. Im speziellen untersucht der Mediziner den Verlust des anti-oxidativen Enzyms GPX4 sowie der Fähigkeit zur Autophagie. Autophagie bedeutet aus dem Griechischen übersetzt, „sich selbst verzehren“: „Was nach Kannibalismus klingt ist ein Schutzprogramm der Zelle, das Proteine, kaputte Zellorganellen und anderen Müll abbauen und verwerten kann“, erläutert der Projektleiter. Das Enzym GPX4 schützt wiederum Fettsäuren in den Zellwänden vor oxidativem Schaden. Weil GPX4 evolutionär stark konserviert ist, kann das Team um Timon Adolph mit Mäusen als Modellorganismus arbeiten. So konnte bereits gezeigt werden, dass Morbus-Crohn-Patientinnen und -Patienten im entzündeten Darmepithel eine verringerte Aktivität des Enzyms GPX4 aufweisen. Im Forschungsprojekt wird nun die Rolle von Autophagie als Reinigungsmechanismus von oxidierten Fettsäuren untersucht. Die Hypothese: Der Verlust von Autophagie löst ein Alarmsignal aus, das zu einer unkontrollierten Immunantwort im Darm beiträgt.

Wenig Schutzenzym, viel PUFA

Für erste Versuchsreihen wurden Mäuse gezüchtet, die in ihren Darmepithelzellen durch genetische Modifikation 50 Prozent weniger Aktivität von GPX4 aufweisen, wie es bei Morbus Crohn beobachtet wird. Wenn diese Mäuse mit einer westlichen Diät gefüttert wurden, die insbesondere mehrfach ungesättigte Fettsäuren (PUFA) enthielten, entwickelten die Tiere Morbus-Crohn-ähnliche Entzündungen im Darm. Dies wurde mit biochemischen und mikroskopischen Analysen von Blut und Darmgewebe gezeigt und kürzlich veröffentlicht. Das Team will nun den Einfluss von Autophagie in diesem Entzündungsmodell entschlüsseln, um chronisch entzündliche Darmerkrankungen besser zu verstehen und neue Therapiekonzepte zu entwickeln.

Defekte Autophagie und Entzündung

„Mit den Mausversuchen ist ein erster Beweis gelungen, dass langkettige Fettsäuren in unserer Ernährung, die an sich nicht toxisch sind, den Darm krank machen können. Nun müssen wir klären, ob ein geschädigter Reinigungsmechanismus im Darmepithel an Entzündungsprozessen beteiligt ist“, erklärt der Forscher. Dies wird in Zellkultur und Mausmodellen erfolgen und ist zentraler Bestandteil des geförderten FWF-Projekts. Erste Experimente weisen darauf hin, dass Autophagiedefekte wesentlich an der Entzündungsreaktion, die durch PUFA ausgelöst werden, beteiligt sind. Dabei scheint oxidativer Stress eine wichtige Rolle zu spielen, was auch unabhängig von der Menge des Schutzenzyms GPX4 relevant sein könnte. An der Uniklinik Innsbruck war Timon Adolph in den vergangenen Wochen gemeinsam mit Kolleginnen und Kollegen auch an der Untersuchung von Covid-19-Patientinnen und -Patienten beteiligt. Bei einigen wurde ein Entzündungsmarker im Stuhl nachgewiesen, wie eine soeben veröffentlichte Studie zeigt. Das könnte laut den Forschenden ein Hinweis darauf sein, dass sich das Coronavirus bei manchen Menschen auch im Darm reproduziert, und macht eine Ansteckung über den Gastrointestinaltrakt denkbar.


Zur Person Timon Adolph hat an der Medizinischen Universität Innsbruck Medizin studiert, einen PhD an der Universität von Cambridge 2014 absolviert und leitet nun während seiner klinischen Ausbildung zum Gastroenterologen in Innsbruck eine Forschungsgruppe, die Krankheitsmechanismen von entzündlichen Darm- und Lebererkrankungen untersucht. Sein Team verwendet Zellkultur- und Mausmodelle sowie Stammzellkulturen von Menschen, um zu erklären, wie Nahrungsmittelbestandteile metabole Entzündung auslösen.


Publikationen

Mayr L., Grabherr F., Schwärzler J. et al.: Dietary lipids fuel GPX4-restricted enteritis resembling Crohn's disease, in: Nature Communications 11, 1775, 2020
Effenberger M., Grabherr F., Mayr L. et al.: Faecal calprotectin indicates intestinal inflammation in COVID-19, in: Gut 2020
Adolph, T.E. et al.: Paneth cells as a site of origin for intestinal inflammation, in: Nature 503, 272-6, 2013