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Haben Sie gewusst, dass es allein in Ăsterreich 28 verschiedene Fledermausarten gibt? Und dass sie alle als gefĂ€hrdet eingestuft sind â genauso wie rund 200 einheimische Brutvogelarten? Beide Tiergruppen spielen eine wichtige Rolle im NaturgefĂŒge und damit fĂŒr uns Menschen, etwa in der SchĂ€dlingskontrolle, der Verbreitung von Samen oder der Bodenbildung.
Ihre LebensumstĂ€nde werden jedoch zunehmend prekĂ€r. Die GrĂŒnde dafĂŒr sind vielfĂ€ltig. Bodenversiegelung und intensive Landnutzung nehmen den Tieren Lebensraum und Nahrung. Auf den mit Pestiziden behandelten NutzflĂ€chen finden sie immer weniger zu fressen. Mit der abnehmenden Anzahl von BĂ€umen und StrĂ€uchern in der Landschaft gehen den Tieren auĂerdem potenzielle NistplĂ€tze verloren.
Auch der Klimawandel setzt den Tieren zu. So zeigen Studien, dass sich durch die ErderwĂ€rmung die Abflug- und Ankunftszeiten der europĂ€ischen Zugvögel verschieben. Sie bleiben immer kĂŒrzer in ihren Ăberwinterungsquartieren im SĂŒden. Mit fatalen Folgen: Kehren die Tiere nach der krĂ€ftezehrenden Reise ins heimische Brutgebiet zurĂŒck, mĂŒssen sie genug Nahrung fĂŒr sich und die bald schlĂŒpfenden Jungvögel finden. Die Ankunftszeit der Zugvögel und die VerfĂŒgbarkeit von Nahrung passen aber nicht mehr zusammen â ein PhĂ€nomen, das als âphĂ€nologische Diskrepanzâ bezeichnet wird. Wenn in Mitteleuropa bedingt durch den Klimawandel das FrĂŒhjahr immer eher beginnt, blĂŒhen Pflanzen frĂŒher. Auch die Zahl der Insekten kann frĂŒher als gewöhnlich einen Höhepunkt erreichen. Nicht ziehende Vogelarten haben dann womöglich schon Nahrungsquellen geleert oder BrutplĂ€tze belegt, wenn die Zugvögel aus Afrika eintreffen. Das kann deren Ăberlebenschancen erheblich beeinflussen.
VerschĂ€rft wird das Problem durch einen dramatischen Insektenschwund. Auch hier ist der Klimawandel eine der Ursachen. Ins öffentliche Bewusstsein drang dieser Umstand erst im Jahr 2017 mit der sogenannten Krefeld-Studie, die einen RĂŒckgang der Biomasse von Fluginsekten um 76 Prozent binnen 27 Jahren belegte. ZusĂ€tzlich alarmierend: Die Daten stammen nicht etwa von landwirtschaftlich genutzten FlĂ€chen, sondern aus 63 deutschen Naturschutzgebieten.
Bei den Vögeln sind besonders die Agrarlandarten betroffen â zu ihnen zĂ€hlen etwa Kiebitze, Rauchschwalben und Stare. âWir haben in den letzten 40 Jahren 60 Prozent der Agrarlandvögel verloren und alle Fledermausarten Europas sind bedrohtâ, sagt Bea Maas.
Genau um diese Tierarten geht es im vom FWF finanzierten und von der Biologin geleiteten Wissenschaftskommunikationsprojekt âSOUNDS WILD â Vögel und FledermĂ€use neu entdeckenâ. Ziel ist es, Kindern und Jugendlichen auf vielfĂ€ltige Weise Wissen ĂŒber 67 ausgewĂ€hlte Arten zu vermitteln und damit Bewusstsein fĂŒr deren Schutz zu schaffen. Denn was wir kennen, schĂŒtzen wir. âEin emotionaler Bezug ist wichtig, darum arbeiten wir mit unterschiedlichen ZugĂ€ngen, damit fĂŒr jeden etwas dabei istâ, sagt die BiodiversitĂ€tsforscherin der UniversitĂ€t Wien. Das Projekt bietet Workshops zu heimischen Vögeln und FledermĂ€usen mit SchĂŒler:innen aller Altersklassen â von der ersten Volksschule bis zum Maturajahr.
âWir haben in 4 Jahrzehnten 60 Prozent der Agrarlandvögel verloren.â
Abgehalten werden die kostenlosen Workshops von der jungen Biologin und KĂŒnstlerin Rym Nouioua, die laut Projektleiterin nicht nur eine ausgewiesene Fledermaus-Expertin ist, sondern sich auch hervorragend mit Fledermaus-Detektoren auskennt. Diese speziellen Rekorder ermöglichen es, die UltraschallgerĂ€usche, mit denen sich die Tiere verstĂ€ndigen und orientieren, aufzuzeichnen und wiederzugeben. HandelsĂŒbliche GerĂ€te sind laut Maas sehr teuer, ihre Kollegin habe es aber geschafft, mithilfe einer Platine, eines Mikrofons und eines Lautsprechers eine einfache und kostengĂŒnstige Variante zu entwickeln, die sie im Rahmen der Workshops mit den SchĂŒler:innen baut.
AuĂerdem gibt es Spiele, Geschichten, ein altersgerechtes Naturquiz und ĂŒber die Sommerferien einen Kreativwettbewerb mit attraktiven Preisen. Dabei können Bilder, Lieder, TheaterstĂŒcke, Skulpturen oder Ă€hnliche Kunstwerke eingereicht werden. Einzige Voraussetzung: Es muss darin thematisch um FledermĂ€use oder Vögel gehen.
Die jungen Menschen lernen viel ĂŒber Naturschutz, Nachhaltigkeit, Technik und Kunst. Sie erfahren dabei, warum das Schicksal dieser bedrohten Tiere unmittelbar mit unserem eigenen verbunden ist. âDen Jungen soll damit der Wert der Natur nĂ€hergebracht werdenâ, nennt Maas das Ziel. Die Reaktionen sowohl der SchĂŒler:innen als auch der Biologielehrer:innen sind Ă€uĂerst positiv und das Interesse so groĂ, dass das Zweipersonen-Projektteam an seine KapazitĂ€tsgrenzen stöĂt. âIn manchen BundeslĂ€ndern können wir die Nachfrage nicht ansatzweise bedienenâ, sagt die Projektleiterin.
Wie wichtig Inspiration und Anregung fĂŒr junge Menschen sein kann, zeigt auch Maasâ eigener Berufsweg, denn es war ein inspirierender Unterricht an einem Wiener Gymnasium, der sie zur Biologie brachte. In der Wahl zwischen Biologie, Physik und Kunst entschied sie sich fĂŒr Ersteres, âweil ich gerne in der Natur bin und damals dachte, dass in den Naturwissenschaften immer die Fakten gewinnenâ. Die Sache mit den Fakten sieht die Wissenschaftlerin heute allerdings anders. âIn der RealitĂ€t gewinnen manchmal starke Meinungen ĂŒber Faktenâ, stellt sie ernĂŒchtert fest.
âWir wollen den Jungen den Wert der Natur nĂ€herbringen. â
Das Kommunikationsprojekt fĂŒr SchĂŒler:innen fuĂt auf Bea Maasâ langjĂ€hriger Arbeit als Agrarökologin. Diese begann vor 17 Jahren in Indonesien, wo sie gemeinsam mit ortsansĂ€ssigen BĂ€uer:innen Konzepte fĂŒr nachhaltigen Kakaoanbau entwickelte. Bereits damals war ihr Ansatz, Fragen zu stellen und damit immer auch die Kompetenz des GegenĂŒbers einzubeziehen. Dieser Herangehensweise bestehend aus Dialog und Austausch folgt sie auch in ihren beiden aktuellen vom FWF finanzierten Forschungsprojekten âECO-CACAOâ zu Kakaoanbau in Peru bzw. âECO-OLIVESâ zu Olivenanbau in der Toskana.
Seit ein paar Jahren haben OlivenbĂ€uer:innen im Mittelmeerraum mit empfindlichen ErnteausfĂ€llen zu kĂ€mpfen. Hauptursache sind Hitze und Trockenheit, dazu kommen regional auch Unwetter und landwirtschaftliche SchĂ€dlinge. Eine Entwicklung, die durch den Klimawandel und den Anbau in Monokulturen verstĂ€rkt wird. Die schlechte Olivenernte fĂŒhrte in den letzten Jahren zu einer Preisexplosion bei Olivenöl. Schon rein aus wirtschaftlichen GrĂŒnden steigt in der Landwirtschaft der Druck, mehr auf Nachhaltigkeit zu setzen.
Eines der wichtigsten Ziele nachhaltigen Wirtschaftens ist laut Maas die RĂŒckkehr zu einem hohen Artenreichtum, der Agrarkulturen widerstandsfĂ€higer macht. âJe komplexer ein System, desto höher ist seine Resilienz, das heiĂt, umso besser kann es mit Stress umgehen und sich an VerĂ€nderungen anpassenâ, sagt Maas. Als Hauptstressfaktoren fĂŒr die Agrarkulturen nennt sie den Klimawandel und LandschaftsverĂ€nderungen. âDavon betroffen sind alle drei groĂen SĂ€ulen â Umwelt, Gesellschaft und Wirtschaft. Die Lösung können wir nur finden, indem alle drei sie gemeinsam entwickeln und umsetzenâ, erlĂ€utert sie ihren Forschungsansatz.
âJe komplexer ein System, desto höher ist seine Resilienz.â
Welche Wege es gibt, gezielt mehr BiodiversitĂ€t zu erreichen, und wie der Olivenanbau davon profitieren kann, untersucht die Agrarökologin in ihrem FWF-finanzierten Projekt âECO-OLIVESâ in der Toskana. âGemeinsam mit lokalen und internationalen Partner:innen entwickeln wir Konzepte, die es OlivenbĂ€uer:innen ermöglichen, eine nachhaltige Nutzung ihrer Betriebe auf wissenschaftlicher Basis voranzutreibenâ, sagt Bea Maas. âIn klein strukturierten Landwirtschaften, in denen die Verbindungen zwischen verschiedenen LebensrĂ€umen aufrecht sind, bleiben auch die damit zusammenhĂ€ngenden Ăkosystemleistungen wie eine natĂŒrliche SchĂ€dlingskontrolle viel besser erhalten als in den groĂflĂ€chigen Monokulturen.â Da ein Landnutzungskonzept aber auch praktisch umsetzbar sein muss, werden die MaĂnahmen deshalb gemeinsam mit Landwirt:innen vor Ort entwickelt. Vor Ort zu sein, ist Bea Maas enorm wichtig, denn sie weiĂ: âVerĂ€nderung beginnt im Kleinen.â
Die Agrarökonomin und ihr Team untersuchen den Anbau auf insgesamt zwölf ausgewĂ€hlten Olivenhainen, die ĂŒber eine FlĂ€che von 30 Quadratkilometer verteilt sind. Diese zwölf EinzelflĂ€chen unterscheiden sich durch ihr jeweiliges Umfeld, in dem angrenzende seminatĂŒrliche Habitate â wie BrachflĂ€chen, Hecken, GewĂ€sser oder WĂ€lder â in unterschiedlichem AusmaĂ vorhanden sind. In der laufenden Analyse der jeweiligen BiodiversitĂ€t konzentrieren sich die Forschenden auf Vögel, FledermĂ€use, Spinnen und Insekten, die besonders empfindlich auf VerĂ€nderungen in der Landnutzung reagieren. Sie beobachten, wie sich das Vorhandensein verschiedener Spezies im Jahresverlauf auf das Gedeihen und die Ausbeute der StudienbĂ€ume niederschlĂ€gt.
âEin wichtiger Fokus liegt auf saisonalen Effekten, also ob unterschiedliche Tiergruppen etwa im FrĂŒhling oder Herbst vorhanden sind, und wie sie sich auswirkenâ, erklĂ€rt Maas. Hier spielen etwa auch verĂ€nderte Abflug- und Ankunftszeiten der Zugvögel eine Rolle. Um im Vergleich eine Abwesenheit von FledermĂ€usen und Vögeln zu simulieren, werden einzelne BĂ€ume mit Netzen verhĂŒllt. âDas ist enorm viel Kleinarbeitâ, erzĂ€hlt Maas, die vor Ort auf ein Team von zwölf Personen zurĂŒckgreift.
Gleichzeitig experimentieren Maas und ihr Team im Bereich des landwirtschaftlichen Managements. Denn wie sich durch die Analyse zeige, können schon kleine VerĂ€nderungen gĂ€ngiger Praktiken zum BiodiversitĂ€tsschutz beitragen. Ein wichtiges Beispiel ist der Baumschnitt, der oft traditionellen, nichtsystematischen Praktiken folgt. Ziel ist es, Zeitpunkt und Technik des Schnitts auf wissenschaftlicher Basis zu optimieren. âDamit soll nicht nur die Olivenproduktion maximiert, sondern auch deren Resilienz verbessert werden â etwa indem die ZugĂ€nglichkeit fĂŒr Vögel und FledermĂ€use fĂŒr den SchĂ€dlingsfraĂ verbessert wirdâ, erlĂ€utert die Ăkologin. Die neu entwickelten Standards werden anschlieĂend in lokalen und internationalen Farmer-Communitys kommuniziert.
âVerĂ€nderung beginnt im Kleinen.â
Erste Projektergebnisse zeigen die Bedeutung von nahegelegenen, seminatĂŒrlichen Habitaten fĂŒr Ertrag und BiodiversitĂ€t. âJe vielfĂ€ltiger ein nahes Umfeld strukturiert ist, desto besser sind die Voraussetzungen fĂŒr eine nachhaltige Olivenproduktion. BĂ€ume, Hecken und BrachflĂ€chen in der NĂ€he von Olivenhainen wirken sich positiv auf die Vielfalt von Spezies und deren Ăkosystemleistungen ausâ, erklĂ€rt die Ăkologin. âNicht nur die Zahl der Arten steigt, sondern auch die Anzahl von Individuen pro Art.â Denn fĂŒr die Ăkosystemleistungen sind gerade jene Spezies, die in hoher Zahl auftreten, besonders relevant.
Im Zuge des Projekts soll eine Anwendung entwickelt werden, die Landwirt:innen hilft, das ökologische Potenzial eines Standorts einzuschĂ€tzen. âDie App analysiert Satellitenaufnahmen auf vorteilhafte Habitate im Umkreis des Olivenbaumbestands, also etwa auf das Vorhandensein von Hecken oder anderen Baumartenâ, erklĂ€rt Maas. Die Nutzer:innen erhalten VorschlĂ€ge, wie sie die Situation verbessern oder zumindest eine Verschlechterung verhindern können.
Im internationalen Vergleich fĂ€llt der Ăkologin auf, dass die Kooperation im zentraleuropĂ€ischen Raum manchmal schwieriger sei als etwa in Indonesien oder SĂŒdamerika. Die Ursache dafĂŒr ortet sie in der stĂ€rkeren Institutionalisierung der wirtschaftlich stĂ€rker entwickelten LĂ€nder. âWir haben in Zentraleuropa eine Förderung fĂŒr fast alles, dadurch auch eine Schublade fĂŒr jedes. Hier kommt es zu Interessenkonflikten, die zu Abgrenzungen fĂŒhrenâ, sagt die Ăkologin und nennt als Beispiel den Schutz eines Waldgebietes: âDa haben Sie JĂ€ger:innen, Naturschutzbiolog:innen, Ranger:innen, Landwirtschaftsmanager:innen, Landschaftsgestalter:innen, den politischen Apparat usw. Sie haben zum Teil sehr unterschiedliche Interessen und Sichtweisen, die Kooperation behindern.â
Das findet die leidenschaftliche Kommunikatorin schade. Denn diese Konstellation sich konkurrierender Stakeholder widerspricht ganz grundsĂ€tzlich ihrem Ansatz von Austausch und Dialog mit dem Ziel, gemeinsame Lösungen zu finden. Ein Bewusstsein dafĂŒr möchte sie mit ihrer Wissenschaftsvermittlung schon bei Schulkindern schaffen.
Zur Person
Bea Maas engagiert sich als Agrarökologin und Naturschutzforscherin fĂŒr BiodiversitĂ€t und nachhaltige Entwicklung in der Landnutzung. Die Biologin der UniversitĂ€t Wien koordiniert internationale Projekte zur Etablierung innovativer Managementstrategien fĂŒr Agrarlandschaften. Maas leitet aktuell zwei vom FWF geförderte Projekte (âECO-OLIVESâ und âECO-CACAOâ) sowie das Wissenschaftskommunikationsprojekt âSOUNDS WILD â Vögel und FledermĂ€use neu entdeckenâ, das Workshops fĂŒr SchĂŒler:innen aller Altersgruppen anbietet.