Weltraumaufnahme des Jupiter und seiner drei Monate, im Vordergrund die ESA-Sonde "Juice"
Die ESA-Sonde „Juice“ ist auf dem Weg zum Jupiter. Mit an Bord hat sie einen hochpräzisen Sensor aus Österreich. Dieser wird detaillierte Messungen durchführen, um den riesigen Gasplaneten und seine drei Eismonde zu untersuchen, die unterirdische Salzmeere beheimaten. © ESA/ATG medialab

Magnetfelder sind überall in unserem Sonnensystem. Sie zeichnen Strukturen in den Raum, die von jedem Medium, das sie durchqueren – Stein, Wasser, Plasma etc. – beeinflusst werden. Die Magnetfeldlinien um einen Planeten herum zeigen uns deshalb nicht nur, was außerhalb eines Himmelskörpers los ist, sondern auch, was in ihm vor sich geht: Das kann sich sowohl auf seine Zusammensetzung als auch auf Bodenschätze oder Landminen beziehen. Derzeit ist die Raumsonde „Juice“ der Europäischen Weltraumorganisation (ESA) auf dem Weg zum Jupiter – dem größten Planeten unseres Sonnensystems. Mit an Bord hat sie einen hochpräzisen Sensor, der ermitteln soll, wo sich in Jupiters Monden Wasser, und damit die Voraussetzung für Leben, befinden könnte.

Der Sensor mit dem Namen CDSM (Coupled Dark State Magnetometer), der von dem Physiker Roland Lammegger und seinem Team an der TU Graz in Zusammenarbeit mit dem Institut für Weltraumforschung (IWF) der Österreichischen Akademie der Wissenschaften entwickelt wurde, nutzt die Quantenphysik, um Magnetfelder um ein Vielfaches genauer zu messen als seine klassischen Vorgänger. Während die Vorgängermodelle zudem regelmäßig neu justiert werden mussten, kann der neue Quantensensor über Wochen hinweg Magnetfelder bestimmen. Das vom Wissenschaftsfonds FWF geförderte 1000-Ideen-Projekt „Ein optischer 3D-Quantensensor für Magnetfelder“ soll den Sensor nun erweitern.

„Bisher ist dieses Quanteninterferenzmagnetometer ein sogenanntes skalares Magnetometer. Das misst im Prinzip ‚nur‘ die Stärke des Magnetfeldes. Wir wollen daraus jetzt einen Kompass bauen, der die Richtung und die Stärke angibt“, erklärt Roland Lammegger. Eine solche innovative Technik könnte ein Arsenal von Magnetfeldsensoren in einem einzigen Gerät vereinen.

Die Raumsonde "Juice" der ESA startete im April 2023 in Richtung Jupiter los und soll dort 2031 ankommen. Der von Physiker:innen der TU Graz entwickelte Quantensensor ermöglicht eine möglichste genaue Messung von Jupiters Atmosphäre und Magnetfeld. Das Ziel ist zu ermitteln, ob sich auf den Jupitermonden Ganymed, Europa und Kallisto Hinweise finden, die Leben auf den Planeten ermöglichen könnten.

 

Aus Mustern Magnetfelder bestimmen

Das Quantenmagnetometer an Bord der Jupitersonde „Juice“ beruht auf einem Gas aus Rubidiumatomen, das mit mehreren kohärenten Lichtfeldern bestrahlt wird. Sind diese Felder genauestens eingestellt, versetzen sie die Atome kollektiv in sogenannte Dunkelzustände, welche die Transparenz des Gases ändern. Dabei hängen die Frequenzen, bei denen weniger Licht hindurchkommt, von der Stärke und dem Winkel des Magnetfeldes ab. Wird die Frequenz der Laser kontinuierlich verändert und die Absorption gemessen, ergibt sich so ein Schattenmuster, genannt Absorptionsspektrum. Aus diesem Spektrum können die Forschenden kleinste Magnetfelder ablesen.

Die Idee hinter dem Sensor kann mit einem gläsernen, segmentierten Teller verglichen werden, auf dem eine Handvoll schwarzer Murmeln verteilt wird. Wird der Teller gekippt, so verteilen sich die Murmeln abhängig von Richtung und Stärke der Neigung in den Segmenten. Wer mit einer Taschenlampe an der richtigen Stelle von oben hindurchleuchtet, kann die Stärke der Neigung vom Schattenmuster darunter ableiten. Je nach Richtung der Neigung muss dafür das Muster an der richtigen Ecke des Tellers analysiert werden. Natürlich ist der Vorgang im Rubidiumgas um einiges komplexer. Im Experiment wird zum Test das Magnetfeld gedreht: „Wenn wir einen bestimmten Winkel erreicht haben, dann werden manche Absorptionslinien kleiner, dafür die anderen größer und dann schalten wir elektronisch auf die anderen Absorptionslinien um“, sagt Christoph Amtmann, der an dem Experiment mitarbeitet.

Der Quantensensor wird deshalb über fünf Kontrollkreise gesteuert und muss darüber hinaus so geschützt verbaut werden, dass er auch unter den harschen Bedingungen des Weltraums funktioniert. Die Belastungstests hierfür wurden am Conrad Observatorium von GeoSphere Austria ausgeführt.

3D-Modell eines Testsensors zur Messung von Magnetfeldern
3D-Modell des Testsensors zur Messung des Magnetfelds B. Mit diesem Setup kann sowohl die Magnetfeldstärke als auch die Richtung des Magnetfelds relativ zu den beiden Laserlichtstrahlen bestimmt werden (β1 und β2). Dort, wo sich die Lichtstrahlen kreuzen, befindet sich das Herz des Magnetfeldsensors: das Rubidiumgas. © TU Graz

Vom Magnetfeldsensor zum Quantenkompass

Während der Sensor aus Österreich also auf dem Weg zum Jupiter ist – er soll 2031 ankommen –, arbeitet die Gruppe daran, die Messtechnik zu erweitern. Momentan wird der gescannte Frequenzbereich an den Winkel des Magnetfeldes angepasst, um die Feldstärke zu extrahieren. Nun möchten die Forschenden im Rahmen des 1000-Ideen-Projekts neben der Stärke auch die Ausrichtung des Feldes bestimmen. Das Problem dabei ist, dass manche Winkel zu den gleichen Mustern führen. Lammegger und sein Team analysieren daher, wie die Geometrie der Lichtfelder ausgenutzt werden kann, um den Sensor zu erweitern: „Wie viele Lichtstrahlen braucht man und wie müssen die Lichtstrahlen zueinander orientiert sein, damit man die Winkelinsensitivitäten ausgleichen kann?“, fragt sich Christoph Amtmann.

Die Winkelmessungen sind außerdem anfälliger für äußere Störfaktoren wie Temperaturschwankungen. Um diese zu umgehen, testen die Forschenden verschiedene Kombinationen von Einstellungen: „Wir ändern die Sensortemperatur, die Lichtleistung und noch andere Parameter des Instruments, um herauszufinden, ob es Parameter gibt, bei denen sich das Muster nur durch eine Änderung des Winkels des Magnetfelds verändert. Das ist ein ziemlich kritischer Punkt für uns“, sagt Amtmann.

Ein Durchbruch könnte es ermöglichen, andere Systeme an Bord von Weltraummissionen zu ersetzen, denn im Moment wird der Quantensensor zum Abgleich für zusätzliche Messgeräte verwendet. Roland Lammegger erklärt, wie er sich den zukünftigen Einsatz erhofft: „Wenn wir das Skalarmagnetometer ohnedies schon haben, dann nutzen wir es auch als winkelsensitives Messgerät. So spart man sich die anderen Magnetometer und hat nur mehr eines, das Winkel- und Skalarwert so präzise misst wie eine Atomuhr.“

Die Forschenden sind nun dabei, verschiedenste Tests durchzuführen, um diese neue Technologie und somit künftig noch klarere Bilder aus dem Inneren unserer Planeten zu ermöglichen.

Zu den Personen

Roland Lammegger leitet den Forschungsbereich „Magnetometrie“ an der TU Graz. Christoph Amtmann ist dort und an der Österreichischen Akademie der Wissenschaften (ÖAW) als Postdoc-Forscher tätig. Zu den Schwerpunkten der Forschenden gehört die Entwicklung eines Magnetfeldsensors basierend auf gekoppelten Dunkelzuständen. Das 1000-Ideen-Projekt „Ein optischer 3D-Quantensensor für Magnetfelder“ (2022–2024) wird vom Wissenschaftsfonds FWF mit 151.436 Euro gefördert.

Publikation

Ellmeier M., Betzler A., Amtmann Ch. et al.: Lower magnetic field measurement limit of the coupled dark state magnetometer, in: Measurement Science and Technology 2024