Im Kampf gegen Aids fokussiert die Immunologin Doris Wilflingseder auf die Anfangsphasen der HIV-Infektion. Auf Basis ihrer Arbeiten ist die Entwicklung einer Impfung denkbar. © Shutterstock

„Seit ĂŒber 30 Jahren wird das HI-Virus erforscht“, sagt Doris Wilflingseder, und seit dieser Zeit entzieht es sich einer effektiven Behandlung. „Das Virus mutiert unglaublich schnell, es spielt Katz und Maus mit uns“, fĂŒhrt die Forscherin an der Medizinischen UniversitĂ€t Innsbruck im GesprĂ€ch mit scilog aus. Als Leiterin einer Forschungsgruppe arbeitet die Immunologin im Rahmen des vom FWF geförderten Projekts „HIV-Infektion und Übertragung nahe der RealitĂ€t“ an der Beschreibung der Wechselwirkungen des Virus mit dem Immunsystem – bevor der Immundefekt Raum greift und eine Abwehr noch möglich ist oder wĂ€re.

Der Erstkontakt als Angelpunkt

HI-Viren integrieren sich, das ist bekannt und macht sie so gefĂ€hrlich, in das Erbgut der fĂŒr die Immunantwort essenziellen T-Helferzellen. Anstatt dass diese Zellen die Eindringlinge effektiv bekĂ€mpfen, werden sie von den Viren ausgenutzt und unterstĂŒtzen so die Attacken der Eindringlinge bis schlussendlich das Immunsystem zusammenbricht. „Unser Ansatz ist nun, den Erstkontakt von Immunzellen der Schleimhaut und der Pathogene als Dreh- und Angelpunkt zu begreifen“, erlĂ€utert die Wissenschafterin. Sie setzt auf das Komplementsystem, jenen Teil der angeborenen Immunabwehr, der Krankheitserreger sofort zerstören kann. „Dieses System unserer Immunabwehr wird von den meisten anderen Forscherteams nicht bedacht, dabei ist es ein SchlĂŒsselelement in der akuten Infektionsphase und kann zur erfolgreichen BekĂ€mpfung beitragen“, erklĂ€rt Wilflingseder. Im Grunde geht es nun darum, dass das Komplementsystem die eindringenden HI-Viren ummantelt und solcherart fĂŒr Immunzellen kennzeichnet. So können die Viren als Fremdkörper von den dendritischen Zellen wahrgenommen und verarbeitet werden. Diese WĂ€chterzellen der Haut und der SchleimhĂ€ute greifen alles auf, was körperfremd scheint und liefern ihre „Beute“ den T-Helferzellen und T-Killerzellen gleichsam „frei Haus“.

Komplement-umhĂŒlltes HIV (rosa) gebunden an eine dendritische Zelle (grün-blau). © Wilflingseder D./Pfaller K.

Der Teufel im Detail

„Unsere Versuche und Untersuchungen haben gezeigt, dass Komplement-ummantelte HI-Viren besser von dendritischen Zellen erkannt und in weiterer Folge durch Effektorzellen besser bekĂ€mpft werden, als solche, die nicht immunologisch gekennzeichnet wurden.“ Auf Basis dieser Arbeit, die Wilflingseder in Zellkulturen durchgefĂŒhrt hat, ist prinzipiell eine therapeutische Impfung denkbar – prinzipiell, denn der Teufel steckt im Detail; in diesem Fall in dem Umstand, dass das Zeitfenster, das zur VerfĂŒgung steht, nur zwei Wochen dauert. „Anschließend treten HIV-spezifische Antikörper auf, die das Virus zwar erkennen, aber in dieser Phase nicht neutralisieren. So wird die Immunantwort, die durch die dendritischen Zellen vermittelt wird, wieder verĂ€ndert, da andere Rezeptoren auf den Zellen stimuliert werden“, stellt Wilflingseder fest. „Ziel unserer Forschung ist es nun, ein besseres VerstĂ€ndnis des Immunsystems und dieser UmmantelungsvorgĂ€nge vor allem zu Beginn der Infektion zu erhalten und dadurch doch Wege zu finden, das Immunsystem auch in der chronischen Phase der HIV-Infektion zu stĂ€rken“, relativiert Wilflingseder vorschnelle Hoffnungen auf eine Therapie.

Das Potenzial neuer Modelle

Manifeste Erfolge und Fortschritte sieht sie auf einem anderen Gebiet. Doris Wilflingseder hat ihre Forschungsarbeit mit Hilfe von Zellkulturen begonnen und verfeinert. „Zellkulturen sind oft sehr einfach. Komplexere Strukturen, wie wir sie in unterschiedlichen Geweben vorfinden, fehlen ihnen“, fasst sie zusammen. Dieser Nachteil wurde lange Zeit durch Tierversuche umgangen. „Jetzt erarbeiten wir aber wirklich gute 3D-Modelle. Durch gezĂŒchtete 3D-Strukturen und Organoide Ă€ndern sich die Voraussetzungen zusĂ€tzlich.“ Tierversuche, ist die Forscherin ĂŒberzeugt, sind nicht nur fraglich, sie sind oftmals ersetzbar. „Ich arbeite eng mit Physiologen und Bio-Informatikern an der Entwicklung von 3D-Kulturen zusammen.“ Sie bringt dabei ihr Wissen und ihr GespĂŒr fĂŒr Zellkulturen ein. „Das GespĂŒr fĂŒr den Moment, in dem man die Medien wechselt, wann man Proben nimmt, ist wichtig.“ Diese Zeitpunkte, betont die Forscherin, folgen hĂ€ufig keinem fixen Schema. Dazu braucht es Erfahrung und KreativitĂ€t, „wie beim Kochen, denn es fĂ€llt auf, dass Personen, die kochen können und backen, auch ein GespĂŒr fĂŒr Zellkulturen haben“. Mit Hilfe der neuen Modelle lassen sich dann Krebserkrankungen ebenso wie HIV-Infektionen besser und vor allem im menschlichen System untersuchen – und schließlich auch behandeln.

Zur Person

Doris Wilflingseder ist promovierte Biologin und nach diversen Stationen u.a. als Visiting Scientist am University College London nun als Assoziierte Professorin in der immunologischen Grundlagenforschung an der Medizinischen UniversitĂ€t Innsbruck tĂ€tig. Seit 2012 ist Doris Wilflingseder stellvertretende Direktorin der Sektion fĂŒr Hygiene und Medizinische Mikrobiologie.

Publikationen

Chandorkar P, Posch W, Zaderer V, Blatzer M, Steger M, Ammann CG, Binder U, Hermann M, Hörtnagl P, Lass-Flörl C, Wilflingseder D: Fast-track development of an in vitro 3D lung/immune cell model to study Aspergillus infections, in: Scientific Reports 2017, http://doi.org/gbx4sx

Posch W, Steger M, Knackmuss U, Blatzer M, Baldauf HM, Doppler W, White TE, Hörtnagl P, Diaz-Griffero F, Lass-Flörl C, Hackl H, Moris A, Keppler OT, Wilflingseder D: (2015). Complement-Opsonized HIV-1 Overcomes Restriction in Dendritic Cells, in: PLoS Pathogens 2015, http://doi.org/f3sv6z

Wilflingseder D, Schroll A, Hackl H, Gallasch R, Frampton D, Lass-Flörl C, Pancino G, Saez-Cirion A, Lambotte O, Weiss L, Kellam P, Trajanoski Z, Geijtenbeek T, Weiss G, Posch W: Immediate T-Helper 17 Polarization Upon Triggering CD11b/c on HIV-Exposed Dendritic Cells, in: Journal of Infectious Diseases 2015, http://doi.org/f3ss89