Trabi Festspielhaus Hellerau
Der Schrödinger-Stipendiat Emanuel Jauk unterwegs in Dresden. Dort erforscht der Psychologe die Eigenschaften des Narzissmus. © privat

Narzissmus ist ein Thema, das eng mit der menschlichen Geistesgeschichte verwoben ist und sich im aktuellen gesellschaftlichen Diskurs größter Beliebtheit erfreut: Nur allzu gerne und schnell bezeichnen wir unliebsame Zeitgenossen als „narzisstisch“ und meinen damit meist, dass sich diese zu selbstbezogen, selbstdarstellerisch oder rücksichtslos verhalten. Doch sind diese Zuschreibungen eigentlich passend? Was genau kennzeichnet Narzissmus aus psychologischer Sicht, ab wann ist er als pathologisch zu betrachten, und wie wirkt er sich auf das eigene Erleben und Verhalten sowie auf unsere zwischenmenschlichen Kontakte aus?

In dem Schrödinger-Projekt „Selbstaspekte und interpersonelle Aspekte des Narzissmus“ versuche ich, diesen Fragen im Rahmen eines Forschungsaufenthaltes an der Technischen Universität Dresden in der Arbeitsgruppe des klinischen Psychologen und Neurowissenschaftlers Philipp Kanske nachzugehen. Während ich ursprünglich aus der persönlichkeitspsychologischen Forschungstradition komme, hat der Aufenthalt in Dresden mir die Möglichkeit eröffnet, mein forschungsmethodisches Spektrum auf die hier zum Einsatz kommenden klinisch-psychologischen und neurowissenschaftlichen Verfahren zu erweitern, insbesondere im Bereich der „Social Neuroscience“.

Neue Studienergebnisse

In einer umfassend angelegten Studie haben wir, mit tatkräftiger Unterstützung eines engagierten Studienteams (siehe Foto), gezielt Studienteilnehmer/innen rekrutiert, die Erlebens- und Verhaltensweisen teilen, die für narzisstische Grandiosität und narzisstische Verletzlichkeit charakteristisch sind. Insbesondere letztere Erscheinungsform des Narzissmus weicht hierbei deutlich von dem ab, was man alltagssprachlich unter Narzissmus versteht, und beschreibt ängstlich-zurückgezogenes und selbstunsicheres Erleben und Verhalten. Unsere bisherigen Ergebnisse aus dieser Studie deuten darauf hin, dass Personen mit stark ausgeprägter narzisstischer Grandiosität mit höherer Wahrscheinlichkeit auch in Zustände narzisstischer Verletzlichkeit verfallen und dass dieses Wechselspiel von alltäglichen Geschehnissen – insbesondere auf zwischenmenschlicher Ebene – abhängig ist. Darin zeigt sich vermutlich ein Übergangsbereich zu pathologischen Formen.

Derzeit widmen wir uns verstärkt der Analyse der im Rahmen der Studie erhobenen neurowissenschaftlichen Daten, um einen näheren Einblick in potenzielle selbstregulatorische und zwischenmenschliche Fähigkeiten bei Narzissmus zu gewinnen. Neurowissenschaftliche Forschung kann helfen, Narzissmus näher zu verstehen, da die betroffenen Personen nicht immer zuverlässige Auskünfte über ihr inneres Erleben geben können.

Vertraut und doch neu

Während manche Schrödinger-Kolleginnen und -Kollegen ihrer Forschung in entfernten Ländern nachgehen, so hat mich mein Forschungsaufenthalt also in das benachbarte Deutschland geführt. Wenngleich Dresden und sein Umland viel kulturelle und landschaftliche Schönheit bieten, so kann ich an dieser Stelle dennoch nicht über völlig neuartige kulturelle Erfahrungen berichten: Allenfalls könnte ich mir erlauben, mit einem Augenzwinkern zu bemerken, dass die Freud’sche Beobachtung des „Narzissmus der kleinsten Differenz“ – der Überbetonung kleiner Unterschiede zwischen sehr ähnlichen Gruppen – wohl in beide Richtungen nicht ganz von der Hand zu weisen ist. Sehr wohl aber war und ist es für mich äußerst bereichernd, gerade auch innerhalb eines relativen homogenen Kulturkreises neue Herangehensweisen kennenzulernen, was sowohl inhaltliche und forschungsmethodische Aspekte als auch die Rahmenbedingungen universitärer Forschung betrifft.

Ich hatte und habe hier die Möglichkeit, von sehr namhaften Forscherinnen und Forschern zu lernen, mit ihnen zusammenzuarbeiten, neue Kontakte zu knüpfen und neue Perspektiven kennenzulernen. Und über all das hinaus kann ich mit großer Freude berichten, dass ich hier sozusagen von der ersten Stunde an Teil einer stetig wachsenden Arbeitsgruppe (siehe Fotos) sein darf, in der man sich in- und außerhalb des Instituts, zu Land wie auch zu Wasser, bestens aufgehoben fühlt. Manchmal liegt das Gute eben auch ganz nahe.