Einmaliger Einblick in zentrale Muskelfunktionen

Muskeln bewegen so einiges â zunĂ€chst aber sich selbst. StrĂ€nge spezieller Proteine verschieben sich gegeneinander, damit der Muskel Kraft ausĂŒben kann. Dies gelingt nur, wenn es im Muskel einen Fixpunkt gibt, der diesen StrĂ€ngen Halt bietet. Diese Stellen werden als Z-Scheiben bezeichnet â und bestehen zu einem groĂen Teil aus dem Protein α-Actinin. Letzteres hat sich ein internationales Team um Kristina Djinovic-Carugo von den Max F. Perutz Laboratories der UniversitĂ€t Wien und der Medizinischen UniversitĂ€t Wien nun nĂ€her angesehen.
Funktion folgt Form
"Nicht nur konnten wir erstmals die genaue Struktur des Proteins aufklĂ€ren", erklĂ€rt Djinovic-Carugo, "sondern auch die Regulierung seiner Funktion â und damit eine lang gehegte Vermutung bestĂ€tigen." TatsĂ€chlich zeigte sich, dass α-Actinin als ein Dimer vorlag, das heiĂt als ein Komplex aus zwei identischen MolekĂŒlen. Dieses zylindrisch geformte Dimer hat eine LĂ€nge von 360 Ă (1Ă = 10-10 Metern) und eine Breite von 60Ă . Jedes einzelne MolekĂŒl des Dimers besitzt eine kopf- und eine halsĂ€hnliche Struktur, die in eine vierteilige stĂ€bchenförmige Fortsetzung ĂŒbergeht. Als besonders interessant stellten sich zwei Proteinbereiche heraus, die am Ende der stĂ€bchenförmigen Fortsetzung L-förmig herausragten: "Diese L-förmigen Bereiche binden an den Hals des jeweils anderen MolekĂŒls. So erhĂ€lt das Dimer seinen Zusammenhalt", sagt Djinovic-Carugo. "Doch unsere wirklich spannende Entdeckung bezĂŒglich dieser DomĂ€ne kam, als wir das FettsĂ€uremolekĂŒl PIP2 zufĂŒgten." TatsĂ€chlich gab es schon seit Jahren die Hypothese, dass PIP2 einen maĂgeblichen Einfluss auf die Funktion des α-Actininâs im Muskel hat. Doch erst die Arbeit von Djinovic-Carugo und ihren internationalen Kolleginnen und Kollegen in Deutschland, GroĂbritannien, Norwegen, Russland, der Schweiz und Slowenien bestĂ€tigen nun die Hypothese durch folgende Beobachtung: Solange kein PIP2 vorhanden ist, bleibt die L-förmige DomĂ€ne an den Hals des zweiten α-Actinin gebunden. Ist PIP2 vorhanden, öffnet sich diese Bindung und die DomĂ€ne fixiert sich an einem anderen Muskelprotein, dem Titin. Dieses macht nach einer Kontraktion den Muskel wieder aktionsbereit. Doch dazu muss es sowohl an die kontraktilen Filamente als auch an die â aus α-Actinin bestehende â Z-Scheibe binden. Der Clou bei der Sache ist â das zeigen die Strukturdaten aus diesem FWF-Projekt â, dass die Halsregion des α-Actinin strukturell dem Titin Ă€hnelt. Die Anwesenheit von PIP2 reicht dann aus, um die Bindungsparameter so zu verĂ€ndern, dass das eine dem anderen vorgezogen wird.
Röntgenblick in die Kristallkugel
Zur Methodik meint Djinovic-Carugo: "Um die Funktionsweise eines Proteins aus der Struktur abzulesen, muss man Milliardstelmeter erkennen können. Das schafft eigentlich nur die Röntgenstrukturanalyse, bei der Röntgenstrahlen sich an den feinen Strukturen eines als Kristall vorliegenden Proteins brechen." Doch mit der Wahl dieser Technik begann auch eine Geduldsprobe: Die Herstellung ausreichender Mengen von α-Actinin zur ZĂŒchtung von Protein-Kristallen dauerte Jahre. Um aufzuklĂ€ren, wie α-Actinin durch PIP2 reguliert wird, bedurfte es weiterer komplizierter Analysemethoden, bei denen die Expertise der internationalen Kolleginnen und Kollegen essenziell war. Dass sich der gemeinsame und kontinuierliche Einsatz gelohnt hat, zeigen die umfassenden Ergebnisse, die vor Kurzem mit einer Publikation in Cell anerkannt wurden.
Die Bedeutung der Ergebnisse geht dabei weit ĂŒber die grundlegende Erkenntnis hinaus. TatsĂ€chlich ist α-Actinin an den Ursachen lebensbedrohlicher Muskelerkrankungen wie Dystrophien und Kardiomyopathien beteiligt. Die neuen Erkenntnisse ĂŒber Struktur und Funktion dieses Proteins könnten nun auch neue BehandlungsansĂ€tze ermöglichen.
Zur Person
Prof. Kristina Djinovic-Carugo gilt als internationale Expertin fĂŒr Röntgenstrukturanalysen von Proteinen. Sie ist Leiterin des Department of Structural and Computational Biology der Max F. Perutz Laboratoriesan der UniversitĂ€t Wien und steht dem Laura Bassi Center for Optimized Structural Studies vor.
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