Markus Möst ist START-Preisträger 2021. Der Ökologe untersucht die Auswirkungen des globalen Wandels anhand von Wasserflöhen. © Andreas Friedle/FWF

Was hat Sie in die Forschung gebracht?

Markus Möst: Mein Vater war Biologielehrer am Gymnasium. Ich bin in einem kleinen Dorf in Osttirol inmitten der Natur aufgewachsen. Durch beides war ich schon als Kind naturbegeistert. Seit der Schule wollte ich Biologie studieren und eigentlich erst angewandt arbeiten. Als Laborassistent in Schweden in Uppsala bin ich auf den Geschmack gekommen, doch in die Wissenschaft zu gehen. Der START-Preis ermöglicht mir, mich als Wissenschaftler weiter zu etablieren und meinen Forschungsideen nachzugehen.

Wohin führt dieser Weg?

Möst: Ich arbeite nun wie schon für mein Doktorat mit Wasserflöhen und dem Thema Hybridisierung, also was passiert, wenn sich getrennte Arten kreuzen und Hybride bilden. Im START-Projekt werde ich die Interaktion dieses evolutionären Wandels mit ökologischen Veränderungen untersuchen. Das sind ökoevolutionäre Dynamiken, die uns helfen, den globalen Wandel zu verstehen und vorherzusagen.

Was kommt beim globalen Wandel noch zum Klimawandel hinzu?

Möst: Vieles – etwa die Übernutzung von Ressourcen wie Fischbeständen, Verschmutzung und die Zerstörung von Habitaten. Ich konzentriere mich auf zwei Stressoren: Erstens die Überdüngung der Gewässer, besonders in der Mitte des 20. Jahrhunderts. Da wurden Abwässer ungeklärt eingeleitet und Waschmittel enthielten noch Phosphate, was das System komplett aus dem Gleichgewicht gebracht hat. Zweitens beschäftige ich mich mit den immer stärker werdenden Hitzewellen, die auch Seen zu schaffen machen. Beide Faktoren interagieren.

Zur Person

Der Gewässerökologe Markus Möst beschäftigt sich am Institut für Ökologie der Universität Innsbruck mit Evolutionsökologie. Er untersucht, wie sich Populationen von tropischen Heliconius-Schmetterlingen und Wasserflöhen evolutionär verändern. Möst hat am Wasserforschungsinstitut der ETH Zürich promoviert und mit einem Erwin-Schrödinger-Stipendium des Wissenschaftsfonds FWF in der Butterfly Genetics Group in Cambridge geforscht.

„Über den Punkt, dass es Ökosysteme in ihrer vollen Natürlichkeit gibt, sind wir hinaus.“ Markus Möst

Diese Wechselwirkungen zwischen dem evolutionären und dem ökologischen Wandel erforscht unser Projekt. Beispielsweise hat die Überdüngung in den Voralpenseen dazu geführt, dass andere Wasserfloharten invasiv geworden sind und sich mit den ansässigen Populationen gekreuzt haben. Ich schaue mir an: Wie verändern diese gemischten Populationen das Ökosystem und wie verändert sich dadurch die Reaktion auf Hitzewellen?

Warum ausgerechnet Wasserflöhe?

Möst: Die sogenannten Daphnien sind Schlüsselorganismen. Sie haben einen überdurchschnittlichen Einfluss auf das Ökosystem und stehen in der Mitte des Nahrungsnetzes vieler Seen. Einfach gesagt: Wenn sie weg sind, hat der Fisch nix zu fressen und das Algenwachstum wird nicht kontrolliert. Ein Vorteil für die Forschung ist, dass man sie als klonale Linien halten kann, das bedeutet, die Tiere klonen sich unter guten Bedingungen selbst. Das wiederum ermöglicht uns, denselben Genotyp unter unterschiedlichen Stressorbedingungen und in verschiedenen Experimenten zu testen. Außerdem legen sie Dauereier, die zum Seegrund sinken und von Sediment überlagert werden. Diese unterschiedlich alten Eier können wir sequenzieren und so evolutionären Wandel, wie etwa Hybridisierung, über die Zeit rekonstruieren. Wir werden zurückgehen bis zur Zeit vor der Überdüngung und sehen, wie sich die Tiere seitdem verändert haben.

An welchen Seen werden Sie arbeiten?

Möst:
An zwölf verschiedenen Voralpenseen wie zum Beispiel Mondsee, Gardasee, Lago Maggiore und Bodensee. Die Forschung an diesen Wasserfloharten war traditionell etwas mehr auf Deutschland und die Schweiz fokussiert. Jetzt soll auch der Ostalpenraum und damit Österreich genauer untersucht werden, zum Beispiel einige Seen in Kärnten. Geplant sind vier in der Schweiz, vier in Italien, vier in Kärnten, vier im Salzkammergut und in Deutschland.

„Unsere Ökosysteme verändern sich immer schneller. Wenn wir eingreifen müssen, dann in einer informierten und überlegten Art und Weise.“ Markus Möst

Was ist Ihr persönliches Projektziel?

Möst: Ich möchte dazu beitragen, dass wir den globalen Wandel besser vorhersagen und damit besser kontrollieren und abschwächen können. Über den Punkt, dass es Ökosysteme in ihrer vollen Natürlichkeit gibt, sind wir – zumindest in Europa – nämlich schon hinaus. Jeder Voralpensee ist besiedelt und verunreinigt. Wir haben den gesamten Planeten schon sehr stark beeinflusst. Immer mehr Ökosysteme müssen aktiv gemanagt werden, damit sie ihre auch für den Menschen essenziell wichtigen Funktionen erhalten. Dazu muss man es zuerst verstehen und wissen, wie sie auf Stressoren reagieren.

Ich wünsche mir, dass die Erkenntnisse aus dem START-Projekt für die Praxis hilfreich sein werden. Unsere Ökosysteme verändern sich immer schneller, und wenn wir eingreifen müssen, dann in einer informierten und überlegten Art und Weise.

Haben Sie Vorbilder?

Evolutionsbiologen tendieren dazu, Darwin als Vorbild zu nennen, aber auch er hatte wie jeder seine Schattenseiten. Ich lasse mich von verschiedenen Personen, die bestimmte Dinge besonders gut können, inspirieren und versuche von ihnen zu lernen.

Zum Projekt

Die Wechselwirkungen zwischen dem evolutionären und dem ökologischen Wandel lassen sich anhand von Wasserflöhen besonders gut untersuchen. Das Ziel des Projekts „Ökoevolutionäre Dynamiken – Genfluss und globaler Wandel“ ist es, die Auswirkungen globaler Veränderungen auf Gewässerökosysteme zu verstehen und damit zu einem verbesserten Seen- und Ökosystemmanagement beizutragen. Geforscht wird an zwölf Seen in Österreich, Italien, der Schweiz und in Deutschland.

Der START-Preis

START-Programm des Wissenschaftsfonds FWF richtet sich an junge Spitzenforschende, denen die Möglichkeit gegeben wird, auf längere Sicht und finanziell weitgehend abgesichert ihre Forschungen zu planen. Das Förderungsprogramm ist mit bis zu 1,2 Millionen Euro dotiert und zählt neben dem Wittgenstein-Preis zur prestigeträchtigsten und höchstdotierten wissenschaftlichen Auszeichnung Österreichs.