Das neue Forschungsfeld der Quanten-Thermodynamik überträgt die Grundprinzipien thermischer Maschinen auf Quantensysteme. Die Kühlung und weitere Miniaturisierung von elektronischen Bauteilen sind u.a. mögliche Anwendungen. © Science Photo Library / picturedesk.com

In einer Dampfmaschine wird Wärme genutzt, um Wasser in seine gasförmige Erscheinungsform zu verwandeln. Der Dampf beansprucht ein viel größeres Volumen und der so entstehende Druck, der sich in dem abgeschlossenen Behältnis bildet, kann in mechanische Arbeit umgewandelt werden – beispielsweise, um eine Lokomotive anzutreiben. Der zunehmende Einsatz der Dampfmaschine im 19. Jahrhundert ließ Forschende damals auch über die zugrunde liegenden allgemeinen Prinzipien nachgrübeln. Es entstand die Theorie der Thermodynamik, die Beziehungen zwischen Wärme, Druck und Volumen und die damit verbundene Energieumwandlung beschreiben kann und auf der viele weitere technischen Anwendungen basieren.

Die Thermodynamik ist allerdings eine Theorie der makroskopischen Welt. Größen wie die Temperatur werden in Systemen gemessen, die – wie der Dampf in einem Kessel – aus sehr vielen Teilchen bestehen. Doch was passiert, wenn man die Fragen, die die Thermodynamik für makroskopische Systeme beantwortet, nun in Hinblick auf ganz kleine Systeme zu stellen versucht? Welche Herausforderungen ergeben sich, wenn man eine „Thermodynamik der Quantenwelt“ betrachten will? Kann man vielleicht, analog zum Dampfkessel, besonders leistungsfähige Quantenmaschinen bauen? Mit diesen Fragen setzen sich Forschende im internationalen Projekt „Thermische Maschinen in der Quantenwelt“ auseinander, das vom Wissenschaftsfonds FWF und der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) unterstützt wird.

Wissenschaftler:innen um Jörg Schmiedmayer und Marcus Huber vom Atominstitut der TU Wien vertiefen darin gemeinsam mit Partnerinstituten in Deutschland das erst wenige Jahre alte Forschungsgebiet der Quantenthhermodynamik. „In der mikroskopischen Welt gibt es Quantenfluktuationen, verschränkte Teilchen und andere Effekte, die der makroskopischen Physik zu widersprechen scheinen. Auf der anderen Seite werden bei der Untersuchung makroskopischer Prozesse – etwa wenn Wärme- in Bewegungsenergie umgewandelt wird – die Vorgänge auf Ebene der einzelnen Teilchen vollständig ignoriert“, beschreibt Schmiedmayer. Im Rahmen des Projekts möchte er mit seinem Team diese Quantenebene im Hinblick auf ihr thermisches Verhalten untersuchen und den Boden für künftige technische Anwendungen bereiten. Dazu müssen von Schmiedmayer und Kolleg:innen völlig neue Experimente erdacht und – in der Gruppe von Marcus Huber – neue theoretische Ansätze entwickelt werden.

Jenseits von Ludwig Boltzmanns statistischer Mechanik

Bisher wurde der Zusammenhang zwischen der Physik der „großen“ und der „kleinen“ Welt vor allem in den Theorien der statistischen Mechanik beschrieben. Ludwig Boltzmann, einer der Begründer dieses Ansatzes, konnte die Vorgänge der makroskopischen Welt auf jene der mikroskopischen zurückführen, weil er auf eine Beschreibung in Wahrscheinlichkeiten auswich. Nicht der tatsächliche Ort, Impuls oder quantenmechanische Zustand einzelner Teilchen ist relevant, sondern die Wahrscheinlichkeit, diese Eigenschaften anzutreffen.

Berücksichtigt man nun aber tatsächliche quantenmechanische Prozesse in Systemen, die eine Leistung erbringen, könnte diese Leistungsextraktion viel effizienter ausfallen, vermutet Huber. Ein Beispiel ist die Frage, wie viel Prozent der Ausgangsenergie in einer Maschine in gerichtete Energie umgewandelt werden kann. „Der Wirkungsgrad eines Verbrennungsmotors ist extrem schlecht. Ein Großteil der Energie verpufft als Wärme. Könnte man eine quantenmechanische Betrachtungsweise in die Funktionsweise einbringen, könnte man das vielleicht ändern“, veranschaulicht Schmiedmayer. Motoren, Dampfkessel, Kühlschränke und viele andere Maschinen, die auf den Gesetzen der Thermodynamik aufbauen, nutzen Treibstoff, Dampf oder Kühlmittel als Arbeitsmedium für ihre Energie-Umwandlungsprozesse. „Auch hier kann man sich die Frage stellen, ob man diese thermodynamische Wirkweise quantenmechanisch nachbauen kann. Kann etwa ein Quantenfeld an die Stelle des Arbeitsmediums treten?“, überlegt Schmiedmayer. „Über Quantensysteme stehen zudem im Allgemeinen viel mehr Informationen zur Verfügung, als die klassischen thermodynamischen Messgrößen erlauben. Ein sehr großes Potenzial liegt deshalb in einer Verbindung der Quantenthermodynamik mit den Theorien der Quanteninformation. Dieser Ansatz könnte ganz neue Betrachtungsweisen hervorbringen und neuartige Möglichkeiten erschließen“, erklärt Huber.

Grundlagenforschung mit vielen offenen Fragen

Erkenntnisse in diesem Forschungsbereich hätten Implikationen für viele weitere Forschungsgebiete. Beispielsweise müssen die immer kleineren Strukturen auf Computerchips zunehmend quantenmechanische Dynamiken berücksichtigen. Eine Theorie der Quantenthermodynamik könnte vielleicht bei der weiteren Miniaturisierung und Kühlung von elektronischen Bauteilen behilflich sein. Auch der Bau von Quantencomputern könnte durch das neue Grundlagenwissen erleichtert werden. Im Moment überwiegen in dem noch sehr jungen Grundlagenforschungsbereich allerdings viele und womöglich wegweisende Fragen: Lassen sich etwa die gewohnten Begriffe der Thermodynamik wie Arbeit oder Entropie überhaupt im Quantenbereich anwenden oder muss man neue Ansätze finden? Was bedeutet es, eine Temperatur lokal in einem Quantensystem zu messen? Wie tauschen Quantensysteme, die man zusammenbringt, thermische Energie aus? „Die Konzepte aus der klassischen Thermodynamik sind hier nur bedingt gültig“, resümiert Schmiedmayer. „Sie müssen für den Quantenbereich erst neu erarbeitet werden.“


Zu den Personen

Marcus Huber ist Professor für Quanteninformation und Quantenthermodynamik sowie Leiter der gleichnamigen Forschungsgruppe am Atominstitut der Technischen Universität Wien. Stationen seiner Karriere waren die Universität Bristol, die Universität Barcelona und die Universität Genf. Seit 2016 leitet er eine Forschungsgruppe am IQOQI, dem Institut für Quantenoptik und Quanteninformation der Österreichischen Akademie der Wissenschaften (ÖAW) in Wien. 2015 wurde Huber ein START-Preis des Wissenschaftsfonds FWF zugesprochen, 2021 ein Consolidator Grant des Europäischen Forschungsrates (ERC).

Jörg Schmiedmayer ist Professor für Atom- und Quantenphysik und Leiter der Atomchip-Gruppe am Atominstitut der Technischen Universität Wien. Frühere Stationen seiner Karriere waren unter anderem die Universität Harvard, das MIT in Cambridge, die Universität Innsbruck und die Universität Heidelberg. 2006 erhielt er den Wittgenstein-Preis des Wissenschaftsfonds FWF, 2012 und 2023 jeweils einen ERC Advanced Grant. Die TU Wien ist mit Schmiedmayer als leitendem Mitglied auch in dem Exzellenzcluster „Quantum Science Austria“ vertreten. Insgesamt konnten im März 2023 fünf Cluster im Rahmen der neuen Exzellenzinitiative für Österreich an den Start gehen. Das von 2022 bis 2025 laufende Projekt „Thermische Maschinen in der Quantenwelt“ wird vom Wissenschaftsfonds FWF mit einem Betrag von 577.000 Euro gefördert.


Publikationen

Taranto P., Bakhshinezhad F., Bluhm A., Silva R., Friis N. et al.: Landauer Versus Nernst: What is the True Cost of Cooling a Quantum System?, in: PRX Quantum 4, 2023

Tajik M., Kukuljan I., Sotiriadis S., Rauer B., Schweigler T. et al.: Verification of the area law of mutual information in a quantum field simulator, in: Nature Physics 2023

Schwarzhans E., Lock M. P.E., Erker P., Friis N., Huber M.: Autonomous Temporal Probability Concentration: Clockworks and the Second Law of Thermodynamics, in: Physical Review X 11, 011046, 2021

Gluza M., Sabino J., Ng N. H. Y., Vitagliano G. et al.: Quantum Field Thermal Machines, in: PRX Quantum 030310, 2021