In jeder Hinsicht ungewöhnlich: Das Haus Zankel nahe Genf plante Frey ab 1976 fĂŒr den damaligen CERN-Physiker Karl Zankel. © Peter Eder

„Die Architektur Konrad Freys zeichnet sich dadurch aus, dass sie ihre Form aus der Funktion heraus entwickelt“, sagt der Grazer Kunsthistoriker und Architekturtheoretiker Anselm Wagner. Die Arbeit des 1934 in Wien geborenen und spĂ€ter in Graz und London tĂ€tigen Architekten zeichnet sich durch noch mehr aus –, sie ist Sonnenhausarchitektur im besten Sinne des Wortes. Bereits 1972 hat Konrad Frey zusammen mit Florian Beigel das erste Solarhaus Österreichs entworfen. – Basierend auf seinen wissenschaftlichen Arbeiten zur Nutzung der Sonnenenergie seit Ende der 1960er-Jahre. Frey war zweifellos ein Pionier und ist dennoch weitgehend unbekannt. „Graz ist fĂŒr die Grazer Schule bekannt, wie sie Friedrich Achleitner genannt hat, und fĂŒr die Dekonstruktivisten wie GĂŒnther Domenig“, erlĂ€utert Wagner, der aktuell das vom Wissenschaftsfonds FWF geförderte Forschungsprojekt „Die SolarhĂ€user von Konrad Frey: Umweltforschung und solares Wissen im Entwurf“ an der Technischen UniversitĂ€t (TU) Graz leitet. Konrad Frey ist kein Dekonstruktivist. Er sei, betont Wagner, auch kein zeichnender Architekt, vielmehr ein Forschender.

Als Architekt ĂŒbersehen

Ein Forschender, der nur wenig gebaut hat, und das noch dazu meist am Rand, in der Provinz. Abseits der Metropolen, fern der stark befahrenen Wege. „HĂ€tte er in Wien gearbeitet, wĂ€ren seine ersten Arbeiten im Umfeld der Stadt entstanden, seine Architektur wĂ€re lĂ€ngst schon Gegenstand der Forschung“, ist Anselm Wagner ĂŒberzeugt. In den vergangenen Jahren nimmt die Debatte um Nachhaltigkeit an Fahrt auf. Doch, kritisiert Wagner, drehe sie sich in erster Linie um Ökonomie und Ökologie. Nicht aber um die Architektur. „Das hat Folgen fĂŒr die Landschaft, in Form uninspirierter Null-Energie-HĂ€user. Die Ästhetik wird vollkommen außer Acht gelassen“, kommentiert Wagner. Dabei finden wissenschaftliche Erkenntnis, Stilempfinden und ökologischer Anspruch durchaus zusammen. Das zeigen die Arbeiten Freys, der in den 1970ern am Grazer Forschungszentrum Joanneum die Energieberatung aufbaute.

Versuchsstation der Energiegewinnung

Das Haus Zankel nahe Genf und doch schon in Frankreich, in PrĂ©vessin, plante Frey ab 1976 fĂŒr den damaligen CERN-Physiker Karl Zankel. Es ist in jeder Hinsicht ungewöhnlich, ist eine ausdrucksvolle Raumskulptur, ein Solarlabor, eine Versuchsstation. Es vereint aktive und passive Gewinnung von Solarenergie und funktionelle Technikbegeisterung mit postmodernem Witz. „Frey hat, wie gesagt, aus der Funktion heraus seine Formen gefunden. Er konnte gar keine Schule begrĂŒnden. Es gibt keine Linie, kein Design, das er geprĂ€gt hat“, erklĂ€rt Wagner. Vielmehr handle es sich bei den Bauten des Energieberaters um eine absichtslose Ästhetik. Wesentlich sei indes der Begriff des ‚Environments‘, erklĂ€rt Forschungsleiter Wagner. „In dem Sinne, dass fĂŒr Frey ein Haus nicht nur eine Wohnmaschine ist, sondern den physischen und psychischen BedĂŒrfnissen seiner Bewohner ebenso entsprechen muss, wie es sich in seine Umgebung einfĂŒgt.“ Das Projekt sucht nun die Detailarbeit des Architekten festzuhalten, seine ZugĂ€nge freizulegen und die Übersetzung von Erkenntnis in Raumgestaltung nachvollziehbar zu machen. „Frey hat einen stark wissenschaftlichen Ansatz in seiner Architektur“, betont Wagner. Das unterscheide ihn von seinen Grazer Zeitgenossen und Kollegen.

Anspruchsvoll und gĂŒnstig

Was ihn wiederum mit ihnen verbindet, ist die Eigenschaft konsequenten Querdenkens. In seinem jĂŒngsten Bau, seinem Privathaus, setzte Konrad Frey ausschließlich Standardbauelemente aus dem Baumarkt ein. „Er wollte damit“, erklĂ€rt Wagner, „belegen und beweisen, dass es möglich ist, gĂŒnstig und mit gĂ€ngigen Elementen ein Solarhaus zu errichten. Ein anspruchsvolles Solarhaus.“ Basierend auf dem Vorlass Freys, der dem Archiv der TU Graz zur VerfĂŒgung steht, wird das laufende Forschungsprojekt noch bis 2019 durch die Auswertung unveröffentlichter Quellen, neuer Daten, vom Institut fĂŒr Bauphysik und Bauökologie der TU Wien durchgefĂŒhrte Messungen und Neukonzeptionen der Energieeffizienz ein Online-Werkverzeichnis und eine Monografie erstellen. Das Verzeichnis soll bereits ab Ende 2017 online gehen. Damit wird Frey auch als, wenngleich höchst eigenstĂ€ndiger Teil der Grazer Schule gewĂŒrdigt werden.


Zur Person Nach LehrauftrĂ€gen an der UniversitĂ€t fĂŒr angewandte Kunst Wien, der UniversitĂ€t Mozarteum Salzburg, der UniversitĂ€t Wien und der UniversitĂ€t Graz sowie Gastprofessuren unter anderem an der TU Wien, der TU Graz und der University of Minnesota ist Anselm Wagner seit 2010 UniversitĂ€tsprofessor und Vorstand des Instituts fĂŒr Architekturtheorie, Kunst- und Kulturwissenschaften an der TU Graz.


Publikation

Schuss, U. Pont, M. Taheri, C. Lindner, A. Mahdavi: "Simulation-assisted monitoring-based performance evaluation of a historically relevant architectural design", in: Building Simulation Applications Proceedings 3 (2017), Hg. v. M. Baratieri, V. Corrado, A. Gasparella, F. Patuzzi, ISSN: 2531-6702, Paper-Nr. 78