Brokkoli und grĂŒnes GemĂŒse sind ein guter Schutz gegen die alkoholbedingte Fettleber. Das zeigen aktuelle Forschungen, die untersuchten, wie der Darm die Leber vor AlkoholschĂ€den schĂŒtzt. © Helena Lopes/Pexels

Die Fettleber gehört zu den Zivilisationserkrankungen. Große Bevölkerungsanteile sind davon betroffen, wobei ErnĂ€hrung und Lebensstil große Einflussgeber sind. Im Laufe der Erkrankung können zu den Fetteinlagerungen in dem Organ EntzĂŒndungen dazukommen. Der Körper reagiert und versucht die Zellen zu reparieren, was zu einer Vernarbung und VerhĂ€rtung der Leber, zu einer sogenannten Fibrose, fĂŒhren kann. Ruft diese Erkrankung schwere, chronische SchĂ€den hervor, die die Funktion des Organs beeintrĂ€chtigen, spricht man schließlich von Leberzirrhose.

Dass sich auch der ĂŒbermĂ€ĂŸige Genuss von Alkohol auf die Leber schlagen kann, ist eine Binsenweisheit. Doch gerade diese Variante wurde lange Zeit vergleichsweise wenig beforscht. „Bis vor einiger Zeit lag der Fokus vor allem auf Fettleber-Erkrankungen, die nicht durch Alkohol bedingt sind. Erst in den letzten fĂŒnf bis zehn Jahren bekommt die alkoholbedingte SchĂ€digung des Organs mehr und mehr Aufmerksamkeit“, erklĂ€rt Tim Hendrikx vom Klinischen Institut fĂŒr Labormedizin der Medizinischen UniversitĂ€t Wien. Der aus Belgien stammende Wissenschaftler hat sich einen der noch unerforschten Aspekte der Leber rund um den Einfluss des Alkohols genauer angesehen. Im Rahmen seines Erwin-Schrödinger-Aufenthalts an der University of California in San Diego konnte er zeigen, wie bestimmte Regulationsmechanismen im Verdauungstrakt Einfluss auf die alkoholbedingte SchĂ€digung der Leber nehmen – und wie man hier kĂŒnftig mit Behandlungen eingreifen könnte.

Der Darm als SchlĂŒssel fĂŒr alkoholbedingte Lebererkrankungen

NatĂŒrlich gibt es weitgehende Überschneidungen im Verlauf von alkoholbedingten und nichtalkoholischen Fettlebererkrankungen – etwa der oxidative Stress oder die chronischen EntzĂŒndungen im Organ. Gleichzeitig gibt es aber auch große strukturelle Unterschiede, stellt Hendrikx klar. „Die im Verdauungstrakt vorhandenen Mikroorganismen werden durch den Alkoholkonsum stark beeinflusst. Man weiß, dass diese Zusammensetzung des Darm-Mikrobioms einen besonders großen Einfluss auf die Entstehung der Erkrankung hat.“

Der Alkohol ist letztendlich dafĂŒr verantwortlich, dass Krankheitserreger aus dem Darm in die Blutbahn und zur Leber gelangen können, um dort Schaden anzurichten. „Der ĂŒbermĂ€ĂŸige Alkoholkonsum lockert die Epithelzellen im Verdauungstrakt, die hier eine erste Verteidigungslinie gegen Krankheitserreger bilden. Diese Epithelschicht wird also brĂŒchig, sodass die Pathogene in die Darmwand eindringen können“, erklĂ€rt Hendrikx. „Dieser Zusammenhang ist bei alkoholbedingten Lebererkrankungen viel ausgeprĂ€gter.“

Hendrikx und seine Kolleginnen und Kollegen nahmen bei ihren Forschungen einen ganz bestimmten Abwehrmechanismus im Darm in den Fokus: Es ist bekannt, dass im menschlichen Immunsystem der Botenstoff Interleukin-22 (IL-22) fĂŒr die Produktion bestimmter, fĂŒr die Abwehr relevanter Proteine zustĂ€ndig ist. Diese – sie gehören zu den sogenannten Lektinen – gehen im Darm bei Alkoholkonsum drastisch zurĂŒck.

Genetisch verÀnderte Bakterien, die die Abwehr verbessern

In einem ersten Schritt konnte der Wissenschaftler anhand eines Mausmodells fĂŒr alkoholinduzierte Lebererkrankungen – die Tiere bekommen dabei einen tĂ€glichen „Cocktail“ serviert, der eine bestimmte Menge Alkohol enthĂ€lt – bestĂ€tigen, dass auch die PrĂ€senz des Botenstoffs IL-22 im Darm bei Alkoholkonsum zurĂŒckgeht. Der nĂ€chste Schritt hatte einen besonders innovativen Charakter: „Ein Bakterium wurde genetisch so verĂ€ndert, dass es IL-22 ausbilden konnte. Wenn wir die MĂ€use damit fĂŒtterten, war am nĂ€chsten Tag mehr IL-22 in ihrem Darm vorhanden“, so Hendrikx. „Wir waren eine der ersten Forschergruppen, die diesen Ansatz im Mausmodell gewĂ€hlt haben.“

Das Experiment gelang: Untersuchungen zeigten, dass durch die Absonderung der Bakterien auch die Abwehrmechanismen besser wurden. Weniger Pathogene gelangten vom Verdauungstrakt in die Leber, dort traten weniger alkoholbedingte Erkrankungen auf. Doch Hendrikx und sein Team gingen noch einen Schritt weiter. Die Forschenden nahmen noch ein bestimmtes Stoffwechselprodukt mit der Bezeichnung Indol-3-EssigsÀure (IAA) unter die Lupe, von dem bekannt ist, dass es die Produktion von IL-22 stimuliert.

Brokkoli und grĂŒnes GemĂŒse liefern schĂŒtzende Stoffe

IAA ist ein Abbauprodukt sogenannter Indole, die dem Körper beispielsweise mit Brokkoli und anderem grĂŒnen GemĂŒse zugefĂŒhrt werden können. Auch hier zeigte sich das bekannte Bild: Durch Alkoholkonsum sank das Vorkommen dieser Stoffwechselprodukte im Körper. „Wir konnten letztendlich also eine vollstĂ€ndige Kette an Mechanismen offenlegen, die zum Entstehen von alkoholbedingten Fettlebererkrankungen beitrugen – von den Indolen ĂŒber IAA und IL-22 zu den Lektinen, die verhindern, dass Pathogene die Leber erreichen“, resĂŒmiert der Wissenschaftler.

Hendrikx sieht zwei Möglichkeiten, wie die Erkenntnisse der Forschungen zu neuen Behandlungsmethoden fĂŒhren könnten, die vor alkoholbedingten Lebererkrankungen schĂŒtzen können. Ein Ansatz könnte sein, das Stoffwechselprodukt IAA zu isolieren und kĂŒnstlich herzustellen, um es als Medikament zu verabreichen. Der zweite Ansatz wĂ€re dagegen nur in einer sehr langfristigen Perspektive denkbar. „Im Prinzip haben wir bewiesen, dass man kĂŒnstlich ein Bakterium schaffen kann, um eine Krankheit zu heilen“, sagt der Forscher. „Man könnte versuchen, diese Bakterien nun etwa in Form eines prĂ€- oder probiotischen Drinks in den Menschen zu transferieren.“ Doch bis die Medizinforschung so weit ist, alle Bedenken zum Einsatz genetisch modifizierter Bakterien im menschlichen Körper auszurĂ€umen, wird sicher noch viel Zeit vergehen.   


Zur Person

Tim Hendrikx studierte Biomedizin an der UniversitĂ€t Hasselt in Belgien. Bereits bei seinem Doktorat, das er 2015 an der UniversitĂ€t Maastricht abschloss, beschĂ€ftigte er sich mit Lebererkrankungen. FĂŒr seinen Postdoc wechselte er an die Medizinische UniversitĂ€t Wien, ein mit 175.000 Euro dotiertes Erwin-Schrödinger-Fellowship des FWF ermöglichte schließlich eine zweite Postdoc-Phase an der University of California in San Diego, wo er die Arbeit an alkoholbedingten Lebererkrankungen vertiefte. Seit seiner RĂŒckkehr nach Wien im Jahr 2019 leitet Hendrikx eine Forschungsgruppe am Klinischen Institut fĂŒr Labormedizin an der Medizinischen UniversitĂ€t Wien.


Publikationen

Hendrikx T., Binder CJ: Oxidation-specific epitopes in non-alcoholic fatty liver disease, in: Frontiers in Endocrinology, 2020

Hendrikx T., Schnabl B.: Antimicrobial proteins: intestinal guards to protect against liver disease, in: Journal of Gastroenterology 2019

Hendrikx T., Schnabl B.: Indoles: metabolites produced by intestinal bacteria capable of controlling liver disease, in: Journal of Internal Medicine 2019

Hendrikx T., Duan Y., Wang Y., Oh JH, Alexander LM et al.: Bacteria engineered to produce IL-22 in intestine induce expression of REG3G to reduce ethanol-induced liver disease in mice, in: Gut 2019