Zimmerpflanzen auf einem Tisch zum Umtopfen
Zimmerpflanzen sind nĂŒtzliche Mitbewohner, da sie zu mikrobieller Vielfalt beitragen. Das tut dem Raumklima und den Menschen gut. © Brina Blum/unsplash

Die Bedeutung der RegenwĂ€lder als Lunge und Apotheke des Planeten, der Waldspaziergang als wirksame Entspannungsmaßnahme, die stetige Lieferung von Sauerstoff, Lebensmitteln, Heiz- und Werkstoffen – auf den Nutzen der Pflanzenwelt fĂŒr uns Menschen gibt es viele Loblieder zu singen. Gerade kristallisiert sich im Forschungsverbund BioTechMed-Graz eine weitere Strophe heraus. In einer Serie von Studien hat Gabriele Berg an der Technischen UniversitĂ€t Graz gemeinsam mit den Postdocs Wisnu Wicaksono und Alexander Mahnert die Wirkungen von Zimmerpflanzen auf InnenrĂ€ume unter die Lupe genommen. Die Umweltbiotechnologin untersucht das Mikrobiom, also die vielfĂ€ltige Gemeinschaft von Mikroorganismen, die auf und in Lebewesen lebt. Aus dem vertieften VerstĂ€ndnis der Beziehungen zwischen Mikroben, ihren „Wirten“ und den umgebenden RĂ€umen könnten auch neue AnsĂ€tze fĂŒr die BekĂ€mpfung von multiresistenten Keimen hervorgehen.

Erste Bestandsaufnahme im Glashaus

FĂŒr das Forschungsprojekt „Pflanzenassoziierte Mikroorganismen in InnenrĂ€umen“, gefördert vom Wissenschaftsfonds FWF, begann das Team zunĂ€chst mit der Beschreibung und der Bestandsaufnahme der Mikrobiome auf Zimmerpflanzen. DafĂŒr wurden im Botanischen Garten in Graz Proben genommen, wo unter kontrollierten Bedingungen rund 15 gĂ€ngige Zimmerpflanzen wie zum Beispiel GrĂŒnlilien, Bananenstauden und DrachenbĂ€ume wachsen: „Das Mikrobiom von Zimmerpflanzen ist sehr lebendig. Jede Art beherbergt eigene Mikroorganismen, und zwar unabhĂ€ngig von den Umweltfaktoren. Wir haben rund eine Million Bakterien und 1.000 Pilze pro Quadratzentimeter BlattflĂ€che gefunden. Sie wirken sich auf die Pflanzengesundheit aus, auf ein gesundes mikrobielles Raumklima und schĂŒtzen die Pflanze selbst vor Krankheiten“, erlĂ€utert Gabriele Berg. Im nĂ€chsten Schritt haben die Forscherinnen und Forscher einzelne Pflanzen in SterilbĂ€nke „eingesperrt“, um zu beobachten, wie das Mikrobiom umliegende OberflĂ€chen beeinflusst. Unscheinbare und genĂŒgsame Zimmerpflanzen erwiesen sich dabei als „positive mikrobielle Superspreader“.

Das Mikrobiom richtig pflegen

Manche RĂ€ume, zum Beispiel Intensivstationen, sollen möglichst keimfrei sein. Dennoch kosten multiresistente Keime, die ihr Arsenal an Antibiotikaresistenzen untereinander aufgerĂŒstet haben, ebendort regelmĂ€ĂŸig Menschen das Leben: „Aus dem Vergleich unterschiedlich naturnaher beziehungsweise gereinigter InnenrĂ€ume erkennen wir, dass wir Mikrobiome momentan in die falsche Richtung managen“, erklĂ€rt Gabriele Berg. Die gezielte Pflege einer mikrobiellen Gemeinschaft könnte ein Ansatz sein, um die Luft in heiklen Raumumgebungen gesĂŒnder zu gestalten.

GegenĂŒberstellung der EinflĂŒsse auf die mikrobiellen Gemeinschaften von natĂŒrlichen InnenrĂ€umen und einer Krankenhausumgebung.
GegenĂŒberstellung der EinflĂŒsse auf die mikrobiellen Gemeinschaften von natĂŒrlichen InnenrĂ€umen und einer Krankenhausumgebung. © TU Graz

Wie und warum kippen mikrobielle Gemeinschaften von einer vielfĂ€ltigen, wohltuenden und nĂŒtzlichen Zusammensetzung zu einer schĂ€dlichen und antibiotikaresistenten Struktur? Um Antworten zu finden, hat die Grazer Forschungsgruppe InnenrĂ€ume entlang eines Gradienten von „hoher Exposition zu Pflanzen“ bis zu „möglichst steril“ beprobt. „Die Methoden dafĂŒr hat die NASA entwickelt, um mit den Fahrzeugen fĂŒr Raummissionen keine Keime von der Erde auf andere Planeten zu tragen. Nichts wird so gut geputzt wie ein Mars-Rover“, berichtet Berg ĂŒber ihre Werkzeuge und Methoden.

Aus BruchstĂŒcken Bösewichte zusammenbauen

Dementsprechend beprobte das Team, Raumfahrerinnen und Raumfahrern Ă€hnelnd, in SchutzausrĂŒstung Bauernstuben, ReinrĂ€ume und Intensivstationen. Auf sterilen FlĂ€chen, wie man sie im Krankenhaus vorfindet, gibt es nur wenig DNA, die dennoch eine FĂŒlle von Informationen enthĂ€lt. Die Gruppe um Berg hat aus Proben von Intensivstationen das „Metagenom“ vollstĂ€ndig sequenziert, die gefundenen Sequenzen mit Datenbanken verglichen und durch neue bioinformatische Algorithmen wieder ganze Mikroorganismen-Arten aus den DNA-StĂŒcken zusammengesetzt. Der Bioinformatiker Thomas Rattei von der UniversitĂ€t Wien unterstĂŒtzte das Datenmanagement. Gefunden wurde etwa das gefĂŒrchtete Acinetobacter baumannii, das im klinischen Ambiente Resistenzgene mit anderen Keimen austauschen konnte.

Die Ergebnisse dieser Pionierstudie zu NaturnĂ€he, DiversitĂ€t und der Ansammlung von Antibiotikaresistenzen in RĂ€umen wurde 2019 im Fachmagazin Nature Communications publiziert. Gabriele Berg fasst sie so zusammen: „Wo eine hohe bakterielle Vielfalt vorherrscht, gibt es wenig Multiresistenz-Gene.“ Viele Mikroorganismen halten sich sozusagen gegenseitig in Schach oder anders gesagt: Je stĂ€rker ein Raum gereinigt wird, desto einseitiger wird seine mikrobielle Gemeinschaft und Resistenzen können sich anhĂ€ufen.

Auf dem Weg zum gesundheitsfördernden Mikrobiom

Ungesunde klinische Mikrobiome entstehen aus dem Zusammenwirken vieler erkrankter Menschen, dem sorglosen Antibiotikagebrauch und erprobten Reinigungsregimes. Die gute Nachricht ist, „dass wir unser Tun nun bewerten können“, sagt die Grundlagenforscherin. Mit Hilfe der wohltuenden pflanzlichen Mikrobiome aus dem GewĂ€chshaus will das Team in Folgestudien der Lösung des Problems nĂ€herkommen: „Im Labor wollen wir die Wirkung verschiedener Reinigungsregimes und Mittel anhand einer Modellgemeinschaft aus dem Glashaus gezielt nachvollziehen.“ So sollen letztlich verbesserte Prozesse und der geeignete Einsatz von Putzmitteln modelliert und entwickelt werden.


Zur Person

Gabriele Berg studierte Biologie, Ökologie und Biotechnologie an den UniversitĂ€ten in Rostock und Greifswald. 2005 trat sie ihre Professur in Umweltbiotechnologie an der Technischen UniversitĂ€t Graz an. Sie forscht zu Mikrobiomen auf Wirten und der Übersetzung von Ergebnissen in neue biotechnologische Konzepte fĂŒr die Umwelt und die „Holobionten-Gesundheit“, also das gute Zusammenspiel von Mikroorganismen mit höheren Pflanzen und Tieren. Das Projekt „Pflanzenassoziierte Mikroorganismen in InnenrĂ€umen“ (2016–2020) wurde vom Wissenschaftsfonds FWF mit 350.000 Euro gefördert.


Mahnert, A., Moissl-Eichinger, C., Zojer, M. et al.: Man-made microbial resistances in built environments, in: Nature Communications 10, 968, 2019

Mahnert, A., Haratani, M., Schmuck, M., & Berg, G.: Enriching beneficial microbial diversity of indoor plants and their surrounding built environment with biostimulants, in: Frontiers in Microbiology, 9, 2985, Dec. 2018

Mahnert, A., Ortega, R. A., Berg, C., Grube, M., & Berg, G.: Leaves of indoor ornamentals are biodiversity and functional hotspots for fungi, in: Frontiers in Microbiology, 9, 2343, Oct. 2018