Gefäßverschlüsse können tödlich enden. Forscher/innen haben nun einen Reparaturmechanismus der Zellen gegen Gefäßverkalkung entdeckt. © Jacek Dylag/Unsplash

Unsere Schlagadern transportieren im Takt des Herzens sauerstoffreiches Blut durch den Körper. Wenn sich die arteriellen Muskelschläuche verändern oder verstopfen führt das zu schwerwiegenden Komplikationen. Bekannt ist die Atherosklerose, die zu Herzinfarkt oder Schlaganfall führt. Bei Menschen mit chronischem Nierenversagen, aber auch Langzeit-Diabetikerinnen und -Diabetikern, ist die Gefäßverkalkung eine häufige Komplikation. Dabei ist nicht primär die Innenwand der Arterie betroffen, sondern die mittlere Gefäßschicht, daher der Name Mediaverkalkung. Verursacht wird sie zum einen durch den hohen Phosphat- bzw. Zuckergehalt im Blut der Erkrankten. Zum anderen spielt das Mikromilieu im Gewebe selbst eine Rolle. „In Vorarbeiten zu unserem Projekt konnten wir zeigen, dass die Körperschlagader im Bauch eher zur Gefäßverkalkung neigt, als die Körperschlagader im Brustkorb“, erklärt Philipp Eller von der Universitätsklinik für Innere Medizin in Graz. Unterstützt vom Wissenschaftsfonds FWF suchte ein Team um Eller von der Medizinischen Universität nach Treibern und Schutzmechanismen sowie therapeutischen Möglichkeiten, um der Verknöcherung von Gefäßen gegenzusteuern.

Phantastisch plastische Gefäße

Arterien bestehen aus glatten Muskelzellen, die nicht fertig ausdifferenziert sind. Die Blutgefäße können damit plastisch reagieren bei Verletzungen oder Stress, sich also funktionell anpassen. Wie sie sich verhalten können, hängt maßgeblich von ihrer Geschichte ab, weil etwa die Körperschlagadern im Brust- und Bauchraum während der Embryonalentwicklung aus unterschiedlichen Keimblättern entstehen. Die glatten Muskelzellen der Bauch-Körperschlagader haben deshalb die Möglichkeit sich wie Knochenzellen zu verhalten. Auf der Suche nach Schutzfaktoren und Treibern der Mediaverkalkung arbeitete das Team um Philipp Eller zum einen mit Mäusen als Modellorganismus, zum anderen mit Muskelzell-Kulturen, die histopathologisch und molekulargenetisch untersucht wurden. Bei den Mäusen wurde das Nierenversagen (Urämie) mit einer Hochphosphat-Diät induziert. In der Zellkultur wurde ebenfalls ein Verkalkungsmilieu nachgestellt und die Verknöcherung mittels Massenspektrometrie quantifiziert.

Computertomogramm mit einem Längsschnitt durch die Körperschlagader (A), fehlenden Verkalkungsringen in der Körperschlagader im Brustkorb (B) und einer deutlichen Mediaverkalkung im Bauchraum (C). Die Position der Körperschlagader ist durch die weißen Pfeile markiert. © Modifiziert nach Kirsch et al. 2015/ Nephrology, Dialyses, Transplantation

Gleich zwei schützende Ansätze

Beim Vergleich der Genaktivität in normal ernährten und phosphatreich ernährten Mäusen wurden zwei auffällige Muster entdeckt. Besonders aktiv waren Gene für einen zellulären Entsorgungs- und Recyclingmechanismus namens Autophagie. Zum anderen wurde beobachtet, dass die Mediaverkalkung mit einer veränderten microRNA-Produktion einherging. Das überraschendste Forschungsergebnis war für Projektleiter Eller, dass Autophagie als Schutzmechanismus gegen Gefäßverkalkung wirkt, was in vitro und in vivo gezeigt werden konnte. Autophagie ist ein Prozess, den alle Zellen beherrschen: Defekte und nicht benötigte Zellbestandteile werden eingekapselt und abgebaut, sodass die Bausteine wiederverwendet werden können. Im konkreten Fall wirkt eine medikamentös induzierte Autophagie der Verkalkung entgegen. In präklinischen Tests überlebten jene Mäuse länger, die Autophagie-induzierende Medikamente  verabreicht bekamen. Parallel dazu wurde getestet, ob die Gabe von microRNA-142-3p die Elastizität der Gefäße verbessert, also der Gefäßsteifigkeit durch Verkalkung entgegenwirkt. Um die interdisziplinäre Bandbreite der Versuchssettings und die solide Prüfung der Ergebnisse zu bewerkstelligen arbeiteten verschiedene Fachabteilungen der Medizinischen Universität Graz und der Partneruniversität in Maribor zusammen. Beide experimentellen Ansätze zeigen mögliche pharmakologische Therapiekonzepte gegen die Mediaverkalkung auf, die nun weiter untersucht werden. In einem Folgeprojekt wird versucht, den Autophagie-Mechanismus durch Wirkstoffe mit geringeren Nebenwirkungen anzukurbeln.


Zur Person Philipp Eller absolvierte seine klinische Ausbildung und habilitierte sich im Fach Innere Medizin an der Medizinischen Universität Innsbruck. Er hat einen MBA in Healthcare Management von der Donau-Universität Krems. Seit 2015 ist er Assoziierter Professor für Innere Medizin an der Medizinischen Universität Graz und Leiter der Intensivstation an der Universitätsklinik für Innere Medizin in Graz.


Publikationen

Máté Kétszeri, Andrijana Kirsch, Bianca Frauscher et al.: MicroRNA-142-3p improves vascular relaxation in uremia, in: Atherosclerosis 280, 2019
Bianca Frauscher, Alexander H. Kirsch, Corinna Schabhüttl et al.: Autophagy Protects From Uremic Vascular Media Calcification, in: Frontiers in Immunology, 2018
Alexander H. Kirsch, Andrijana Kirsch, Katharina Artinger et al.:  Heterogeneous susceptibility for uraemic media calcification and concomitant inflammation within the arterial tree, in: Nephrology, Dialyses, Transplantation 2015