Junger Mann mit Mütze sitzt in einem Kaffehaus vor dem Laptop und arbeitet.
Wer zu negativen Gedanken neigt, bewältigt steigende Arbeitsanforderungen schlechter, wie akutelle Forschungsergebnisse zeigen. Das kann ins Burnout führen. © Hanna Wei/unsplash

Das Arbeits- und Privatleben in Einklang zu bringen, war schon vor der Pandemie nicht immer einfach. Denn die digitalen Technologien ermöglichen es schon lange, an fast jedem Ort zu arbeiten und erreichbar zu sein. Dabei ist es für die psychische und physische Gesundheit enorm wichtig, auch einmal komplett abschalten zu können. Seit einem Jahr hat nun die Corona-Krise die Grenzziehung zwischen Beruflichem und Privatem zusätzlich erschwert. Laut einer aktuellen EU-Studie geben 30 Prozent der Befragten in Österreich an, dass ihr Arbeitsvolumen während der Pandemie gestiegen sei. EU-weit sagen 27 Prozent der arbeitenden Menschen, dass sie die Arbeit auch in ihrer Freizeit beschäftige. Welche Faktoren führen dazu, dass die beruflichen Anforderungen in die Freizeit mitgenommen werden? Dieser Frage gehen Forschungsteams aus Slowenien und Österreich aktuell in einem Grundlagenprojekt nach. Dabei interessiert die Forschenden einerseits, welches individuelle Verhalten dazu beiträgt, dass flexibles Arbeiten zu Stress und schlimmstenfalls zu Burnout führt. „Eine andere zentrale Fragestellung im Projekt lautet, ob hohe berufliche Anforderungen und damit einhergehend unerledigte Aufgaben dazu führen, Arbeit auch in der Freizeit fortzusetzen und ob dies umso eher der Fall ist, je stärker die Personen zu negativen Gedankenmustern neigen“, berichtet die Psychologin und Projektleiterin Bettina Kubicek von der Universität Graz.

Negatives Denken befördert Burnout

„Bisher gab es nur Untersuchungen, die die Tendenz zu negativen Gefühlen generell erfasst haben. Wir haben nun neue Instrumente entwickelt und das auf die Arbeitssituation bezogen“, erläutert Kubicek den Forschungsansatz. Erste Ergebnisse bei Befragungen in Unternehmen und unter deutschen Beschäftigten bestätigen, was die Forschenden vermutet hatten: Negative Gedankenmuster stehen in Zusammenhang mit Burnout. So kann negatives Denken in Bezug auf die eigene Arbeit etwa dazu führen, dass die eigene Leistung als gering eingeschätzt wird, dass man sich als unflexibel empfindet, sich mit anderen vergleicht und kleine Fehler überbewertet. Wer negative Gedanken hat, fühlt sich zudem emotional erschöpfter und wird zuweilen zynisch – zwei zentrale Aspekte von Burnout –, und zwar dann, wenn der Sinn des eigenen Wirkens und der Arbeit hinterfragt wird. Positive Gedanken hingegen befördern das Wohlbefinden und Arbeitsengagement – auch das zeigen die Studien. Weitere Erkenntnisse liefert eine ebenfalls in dem Projekt durchgeführte Tagebuchstudie, die derzeit noch läuft. Dazu werden Erwerbspersonen gebeten, eine Arbeitswoche hindurch am Beginn und am Ende eines Arbeitstages zu notieren, welche emotionalen und kognitiven Stressfaktoren es in der Arbeit gab und wie gut sie von der Arbeit abschalten konnten. Von den insgesamt 200 Personen liegen bis dato 50 Prozent der Tagebucheintragungen vor. Wie erwartet zeigt sich, dass Zeitdruck und unerledigte Aufgaben mit negativen Gedanken an die Arbeit in der Freizeit in Zusammenhang stehen. „Das spricht einerseits für die Arbeitsbedingungen als Ursache, aber negative Gedankenmuster können das verstärken“, erklärt die Psychologin. Trifft das zu, befindet man sich in einem klassischen Teufelskreis: Wer zu negativen Gedanken neigt, bewältigt steigende Arbeitsanforderungen schlechter, was wiederum zu negativen Emotionen – auch in der arbeitsfreien Zeit – führt und im Burnout enden kann.

Stress durch gute Planung entgegenwirken

Um eine totale Erschöpfung und Arbeitsunfähigkeit zu vermeiden, ist es wichtig, rechtzeitig gegenzusteuern. Auch das zeigt das Forschungsprojekt auf. Therapeutinnen und Therapeuten führen mit Betroffenen Interventionen wie Achtsamkeitstrainings oder Entspannungstechniken durch. Bettina Kubicek betont, dass es im Umgang mit Stress besonders wichtig ist, Grenzen zu setzen, gerade im Homeoffice. Wer zu Hause arbeitet, sollte sich einen fixen Arbeitsplatz einrichten und an geregelte Zeiten halten. Ein gutes Zeit- und Planmanagement hilft, einzelne Aufgaben abzuarbeiten. Dazu zählt auch, Familienmitgliedern und Vorgesetzten bewusst zu machen, wo die Grenzen liegen. Wer denkt, im Homeoffice ständig erreichbar sein zu müssen, kann auch irren. „Oft wird das von Führungskräften gar nicht erwartet“, sagt Kubicek. Umso wichtiger ist es, Zeitregelungen und Erwartungshaltungen im eigenen Umfeld zu klären.


Zur Person Bettina Kubicek ist Professorin für Arbeits- und Organisationspsychologie an der Universität Graz. Sie hat Psychologie und Soziologie in Wien und Berlin studiert und war als Gastwissenschaftlerin an der University of Wisconsin–Madison und an der Universität Maribor tätig. Zu ihren Forschungsschwerpunkten zählen die Auswirkungen von Arbeitsintensivierung und flexiblem Arbeiten. Das vom Wissenschaftsfonds FWF geförderte bilaterale Projekt „Grenzziehung zwischen Arbeit, Privatleben und Burnout“ läuft noch bis Ende 2021.


Publikationen

Kinnunen, U., Feldt, T., Sianoja, M., et al.: Identifying long-term patterns of work-related rumination: Associations with job demands and well-being outcomes, in: European Journal of Work and Organizational Psychology, 2017
Syrek, C. J., Weigelt, O., Peifer, C., & Antoni, C. H.: Zeigarnik’s sleepless nights: How unfinished tasks at the end of the week impair employee sleep on the weekend through rumination, in: Journal of Occupational Health Psychology, 2017