Vielfalt in Vancouver
Bis zu meiner Dissertation an der Universität für Bodenkultur Wien, die sich mit der Synthese bakterieller Kohlenhydrate beschäftigte, beschränkte sich mein Kontakt mit Kohlenhydraten grob auf die Zubereitung von Nudeln, Reis und dem Süßen von Kaffee. Die Faszination und Bedeutsamkeit dieser Substanzklasse erschloss sich mir erst allmählich und ich denke, dass auf diesem Gebiet noch viele bahnbrechende Entdeckungen zu erwarten sind. Ganz gut veranschaulichen lässt sich die Bedeutung am Beispiel der roten Blutkörperchen und der Tatsache, dass nur kleine Unterschiede in den Zuckerstrukturen an der Zelloberfläche den Ausschlag zur Blutgruppenzugehörigkeit geben. Leider ist der Zugang zu diesen komplexen Strukturen oft nur über das Beschreiten langwieriger Synthesewege möglich.
Bei einem Vortrag wurde diese Tätigkeit einmal von einem Kollegen mit dem Knüpfen sehr teurer und eleganter Teppiche verglichen, und so unheimlich spannend und herausfordernd das auch sein mag, war für mich bald klar, dass an Enzymen, eben aufgrund ihrer Effizienz beim Teppichknüpfen, kein Weg vorbei führen wird. Vor allem wenn man diese Substanzklasse in größerem Maßstab modifizieren und zur therapeutischen Anwendungen bringen möchte.
Withers Lab
Da ich mich auf diesem Gebiet unbedingt vertiefen wollte, suchte ich für meine Postdoc-Zeit nach einem führenden Kopf auf diesem Gebiet, wo auch immer diese Person beheimatet sein sollte. So fand ich den Weg zu Professor Steven Withers und an die University of British Columbia. Dass es also Vancouver und damit eine Dauer-Rivalin Wiens um den Titel der lebenswertesten Stadt der Welt wurde, vermochte den mit einem Auslandsaufenthalt unweigerlich verbundenen Abschiedsschmerz von der Heimat doch etwas zu lindern.
Buntes Campusleben
Die Möglichkeit am Campus zu wohnen, der die Größe einer Kleinstadt hat, erleichtert es enorm, Arbeit und Familie unter einen Hut zu bringen, auch wenn es manchmal dennoch eine Herausforderung ist. Das Campusleben ist sehr lebendig und gespickt mit Möglichkeiten, auch abseits der Arbeit Neues zu lernen, spannende Vorträge oder Kurse zu besuchen und sich in diesem stark interkulturellen, jedoch auch sehr kompetitiven Umfeld weiterzubilden und zu entwickeln. Durch diese räumliche Enge fällt es leicht, über den Tellerrand zu blicken und neue Kontakte zu knüpfen, was schon zu einigen interessanten Kooperationen geführt hat. Der hohe Grad der interdisziplinären Vernetzung der Forschungsgruppen und die damit einhergehende Komplexität der Projekte, aber auch die stark durchmischten kulturellen Hintergründe der Personen war anfangs sehr herausfordernd, aber inzwischen möchte ich dies ebenso wenig wie Poutine (gebratene Kartoffeln mit Bratensaft und Käse) oder Root Beer missen, wobei man Letzteres angeblich nur lieben oder hassen kann.
Was ihr wollt
Vancouver ist eine ausgesprochen grüne und vielfältige Stadt, die zudem viele Gegensätze vereint: „Manhattan with mountains“ – wie es die New York Times einmal bezeichnete. So findet man Hochhausschluchten in Downtown direkt neben zahllosen kleinen Häfen. Tagsüber kann man Skifahren in Whistler oder Cypress Hill mit einem lauschigen Abend am Strand in English Bay oder Kitsilano verbinden. Sollte man aber eher die Einsamkeit suchen, so findet man in Vancouver ebenfalls den idealen Ausgangspunkt für Reisen nach Alaska und noch weiter nördlich davon.
Der Schritt ins Ausland war zweifelsohne die beste Entscheidung meiner bisherigen Laufbahn, und ist eine unglaublich positive wie lehrreiche Erfahrung. Das großzügig bemessene Schrödinger-Stipendium hat dies immens erleichtert, vielleicht sogar überhaupt erst möglich gemacht. Ich freue mich nun nach fast zwei Jahren aber wieder auf „Dahoam“ und werde zahlreiche positive Erfahrungen, Ideen, erlernte Techniken und neue Freundschaften im Gepäck haben. Den Schritt ins Ausland zu wagen und eine Stadt, ihre Einwohner und Universität(en) kennenzulernen, kann ich allen Interessierten nur ans Herz legen. Eh!