Junge Frau riecht an einem Bund Lavendel, hinter ihr ein Lavendelfeld.
Grazer Forschungsgruppen arbeiten an einer Langzeitstudie, die Riechtraining- und Mikrobiomforschung kombiniert. Erste Ergebnisse zeigen, dass gezieltes tägliches Training des Geruchssinns Riechstörungen verbessert. © Richárd Ecsedi/Unsplash

Die Corona-Krise hat den Fokus auch auf den menschlichen Geruchssinn gelenkt, denn sein Verlust kann ein Symptom der Erkrankung sein. Aktuelle Studien deuten darauf hin, dass im Zuge der Viruserkrankung Zellen des sogenannten olfaktorischen Epithels – ein auf die Erfassung von Gerüchen spezialisiertes Gewebe im oberen Bereich der Nasenhöhle – geschädigt werden. Nachdem das Gewebe mit der Genesung wiederhergestellt wird, lernt man üblicherweise auch neu zu riechen. Doch es kann in Ausnahmefällen auch vorkommen, dass die Wahrnehmung von Gerüchen langfristig ausbleibt oder irreführende Sinnessignale entstehen – etwa, dass ein Apfel nach verbranntem Gummi riecht. Auch abseits des SARS-CoV-2-Viruses gibt es viele Ursachen, die den Verlust des Geruchssinns zur Folge haben können. Die Bandbreite reicht von Infektionen im Nasenbereich über Entzündungen, Polypen und Allergien bis hin zu Kopfverletzungen und der Abnahme des Riechvermögens als Alterserscheinung. Interdisziplinäre Forscherteams am Institut für Psychologie der Universität Graz und am Zentrum für Mikrobiomforschung an der Medizinischen Universität Graz untersuchen derzeit, ob gerade bei jüngeren, an einer Riechstörung erkrankten Patientinnen und Patienten ein gezieltes tägliches Training des Geruchssinns helfen kann. Im Projekt „Von der Nase ins Gehirn“ erforschen sie zudem, welchen Einfluss Mikroorganismen im Nasenbereich auf den Geruchssinn haben. Dabei wird auch der Frage nachgegangen, wie sich die Veränderungen der Riechfähigkeit in der Gehirnaktivität abbilden.

Mitbewohner mit vielfältigem Einfluss auf den Menschen

„In und auf unserem Körper leben Millionen von Mikroorganismen: Bakterien, Pilze, Viren und Archaeen. Sie besiedeln unsere äußeren und inneren Oberflächen, also etwa unsere Haut und unsere Schleimhäute. Das Mikrobiom hat in vielfältiger Weise Einfluss auf unser Leben“, erklärt Projektleiter Florian Fischmeister von der Universität Graz, der mit der Mikrobiomforscherin Christine Moissl-Eichinger von der Medizinischen Universität Graz zusammenarbeitet. „Wir wollen unter anderem herausfinden, ob und wie sich das nasale Mikrobiom eines Menschen, der an Anosmie – also der Unfähigkeit zu riechen – erkrankt ist, von einem gesunden unterscheidet. Im Vergleich zum Mikrobiom im Magen- und Darmtrakt gibt es zu jenem in der Nase noch recht wenige Forschungsarbeiten. Hier wollen wir etwas aufholen“, ergänzt Fischmeister. In einer vergangenen Studie konnten die Forschenden bereits zeigen, dass bei sogenannten hyposmischen Patientinnen und Patienten, deren Geruchssinn zwar intakt ist, aber etwas weniger gut funktioniert als bei gesunden Menschen, eine höhere Diversität an Mikroorganismen am olfaktorischen Epithel zu finden ist. Die Analyse identifizierte dabei auch eine Spezies, die Buttersäure produziert und die mit dem geringeren Riechvermögen in Zusammenhang stehen könnte. Eine weitere Untersuchung legt auch bereits nahe, dass ein Riechtraining, bei dem man sich regelmäßig und bewusst mit bestimmten Gerüchen konfrontiert, eine zielführende Strategie sein könnte.

Tägliches Riechen an Rosenduft

Aufbauend darauf arbeitet Fischmeister mit Kolleginnen und Kollegen nun an einer Langzeitstudie, die Riechtraining- und Mikrobiomforschung kombiniert. „Wir haben Probanden dazu eingeladen, ein sechsmonatiges Training zu absolvieren. Es bestand daraus, dass sie zwei Mal täglich an bestimmten Gerüchen wie Zitrone oder Rose riechen. Gleichzeitig sollten sie sich diesen Geruch intensiv vorstellen und ihn visualisieren“, skizziert Fischmeister. Zu Beginn, Halbzeit und Studienende wurde die Geruchsfähigkeit überprüft und Nasen- und Darmmikrobiom analysiert. Zudem wurde eine MRT-Untersuchung durchgeführt, während den Patientinnen und Patienten Gerüche präsentiert wurden, um das Training und Veränderungen im Mikrobiom in Zusammenhang mit Entwicklungen im Gehirn zu setzen. Die Datenerhebung im Projekt ist nun abgeschlossen. 20 Patientinnen und Patienten haben an der Studie teilgenommen und werden mit einer Kontrollgruppe abgeglichen. „Was wir jetzt bereits sagen können ist, dass das Geruchstraining in unserer Studie funktioniert hat. Bei einem Teil der Patientinnen und Patienten wurde die Riechfähigkeit signifikant besser“, sagt der Wissenschaftler. „Die Bildgebung des MRTs zeigt zudem, dass die mit dem Riechen assoziierten Netzwerke im Gehirn zum Teil wiederhergestellt werden.“ Die Auswertung der in der Studie erhobenen Daten hat sich coronabedingt verzögert und ist noch im Gange. Sollten sich tatsächlich Effekte zeigen, würde man damit aber einer großen Vision um einen Schritt näherkommen. „Ein Fernziel ist, eventuell vorhandene Schlüsselmikroorganismen ausfindig zu machen, die die Nasenfunktion positiv beeinflussen oder zumindest als Biomarker bestimmte Therapieformen nahelegen“, sagt Fischmeister. „Von der Entwicklung einer solchen Therapie sind wir heute aber noch weit entfernt.“


Zur Person Florian Ph. S. Fischmeister erforscht unter anderem die neuronalen Grundlagen chemosensorischer Wahrnehmung am Institut für Psychologie der Karl-Franzens-Universität Graz. An der Universität Klagenfurt und der Sigmund Freud Privatuniversität in Linz ist er in der Lehre tätig. Bisherige Stationen seiner Karriere waren die Universität Wien, das Ludwig Boltzmann Institut für Experimentelle und Klinische Traumatologie und die Medizinische Universität Wien. Das Grundlagenprojekt „Von der Nase ins Gehirn“ (2017-2021) wird mit rund 386.000 Euro vom Wissenschaftsfonds FWF gefördert.


Publikationen

Parma, Valentina et al.: More than smell – COVID-19 is associated with severe impairment of smell, taste, and chemesthesis, in: Chemical Senses, 2020
Cecchetto, Cinzia; Fischmeister, Florian Ph. S.; Reichert, Johanna et al.: When to collect resting-state data: The influence of odor on post-task resting-state connectivity, in: NeuroImage, 2019
Bagga, Deepika; Aigner, Christoph; Reicher, Johanna et al.: Influence of 4-week multi strain probiotic administration on resting-state functional connectivity in healthy volunteers, in: European Journal of Nutrition, 2018
Kollndorfer, Kathrin; Fischmeister, Florian Ph. S.; Kowalczyk, Ksenia: Olfactory training induces changes in regional functional connectivity in patients with long-term smell loss, in: NeuroImage Clinical, 2015
Nach oben scrollen